Wanderfieber. Christian Zimmermann

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Wanderfieber - Christian Zimmermann

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den lilafarbenen und wasserdichten Seesack, der auf der unteren Etage von Molly festgezurrt ist. Ich muss grinsen und erkläre der Lady, dass im vermeintlichen Schlauchboot Kleider, Schlafsack und weitere Utensilien untergebracht sind. Aber das ist ja eigentlich eine tolle Idee, mit einem aufblasbaren Schiffchen könnten Molly und ich die eine oder andere Ausfahrt unternehmen! Sich entspannt für einige Tage auf dem Fluss treiben zu lassen, das wäre es doch! Diese Option sollte ich für eine nächste Reise wirklich in meine Überlegungen einbeziehen.

      Ausgangs des Städtchens treffe ich am dritten Tag in Folge eine Frau, die solo mit dem Fahrrad unterwegs ist. Staunend versteht sie die Welt nicht mehr, dass ich sie schon wieder eingeholt habe. Sie wirkt ein wenig verzweifelt, kämpfte sie doch die letzten Tage mit der Kälte und zudem habe sie sich auch das eine oder andere Mal verfahren. Sie hört nicht auf zu jammern! Wegen all der anderen Touristen sei es auf dem Campingplatz viel zu lärmig gewesen. Ich mache ihr Mut, doch auch irgendwo im Wald zu übernachten. «Hat es da keine gefährlichen Tiere?» Ich muss schmunzeln und versichere der ängstlichen Radlerin, dass höchstens ein niedliches Rehlein oder ein harmloses Häschen vorbeischauen könnte. Ich bin mir nicht sicher, ob ich sie überzeugen konnte und verabschiede mich.

      Später treffe ich einen Österreicher auf seinem Fahrrad. Er radle die gesamte Länge der Donau bis ans Schwarze Meer, erzählt er mir. Er hat nicht viel Zeit, aber für ein Selfie reichts, bevor sich Hans wieder auf sein Gefährt schwingt. Nach einer halben Stunde prangt ein Ortsschild am Weg, das mich äusserst anspricht: «Schweizerhof». Ein weiteres Schild wirbt für den gleichnamigen Biergarten um die Ecke. Das traumhafte Wetter bewog mich zeitig, die kurzen Hosen zu montieren und so steure ich das gutbesetzte Lokal an. Unter den schattenspendenden Bäumen ist es wunderbar kühl. Ja und wen treffe ich hier an? Es ist natürlich der «zeitlose» Hans, der bereits vor einem Mass Bier sitzt. «So kommst du aber nie ans Schwarze Meer», witzle ich. «Danke gleichfalls Christian!» Mit einem eiskalten Hellen geniessen wir gemeinsam unsere Rast. Ein Einheimischer am Nebentisch informiert mich, dass es ab jetzt ziemlich hügelig werde. Und so ist es auch. Es geht rauf und runter und der Schweiss fliesst in Strömen. Innert Minuten ist das T-Shirt völlig durchgeschwitzt. Ich schätze die Abwechslung aber sehr. Nur immer dem Fluss zu folgen, kann manchmal überaus monoton sein. Die Route führt mich durch mehrere Orte oberhalb der Donau. Die herrliche Aussicht über das Land entschädigt mich voll und ganz für die Strapazen. Mitten im Dorf Marxheim biege ich rechts ab, dann den Hügel hinunter und ein paar Minuten später hat mich die Donau wieder.

       Noch mehr Höhenmeter

       Tag 16: Montag, 20. Mai 2019, 24 km (461 km)

      Zuhause konnte ich einer Bekannten ihre reich illustrierten Donauradführer ausleihen. Die 920 km lange Fahrradroute zwischen Donaueschingen und Wien wird in diesen zwei dünnen Büchlein ausführlich beschrieben. Die wichtigsten Sehenswürdigkeiten werden erwähnt und auch ein Streckenprofil gehört zum Inhalt. Und dieses sieht für heute einige zackige Linien vor, fast wie der Börsenkurs an einem unruhigen Handelstag. Ich bin um 6 Uhr schon unterwegs. Ein gutes Stück schlängelt sich der Weg auf dem Damm der Donau entlang. Doch schnell ist fertig mit lustig. Auf einer Länge von mehreren Kilometern wird ein neuer Schutzwall gebaut. Wegen dieser Grossbaustelle wird der Radweg umgeleitet und deshalb kommt der eine oder andere Zusatzkilometer hinzu. Und dann beginnen die Steigungen. Zuerst nur kurze Strecken, doch ich komme gewaltig ins Schnaufen und Schwitzen. Ruppige Rampen durch den Wald werden durch den Kiesbelag, der sich wie Rollsplitt anfühlt, zusätzlich erschwert. Auf dieser Unterlage ist die Bodenhaftung nicht mehr allzu gut und ich mühe mich Stunde für Stunde durch die Gegend. Natürlich geht es zwischendurch auch wieder hinunter. Manchmal steiler, wie es hinauf ging und wie ihr wisst, ist das noch viel mühsamer. Die abschüssigsten Abfahrten bewältige ich sogar rückwärts, was zumindest meine Knie schont. Um Abwechslung in den knüppelharten Höhenkrampf zu bringen, fotografiere ich immer wieder hübsche Blumen am Wegrand. Auf diese Weise bringe ich den Puls behutsam in den grünen Bereich zurück.

      Noch vor dem Mittag erreiche ich die attraktive Stadt Neuburg. Meine Wasserflaschen sind leer und einen Bärenhunger verspüre ich auch. Schnurstracks steure ich «Toniz Pizza» an und bestelle mir eine italienische Mafiatorte mit Thunfisch und Krevetten, dazu eine Cola. Nach der Schlemmerei fühle ich mich halbwegs menschlich und entschliesse mich spontan, hierzubleiben. Für den Moment soll es genug sein. Ich bolzte in den letzten Tagen ziemlich viele Kilometer und deshalb gönne ich mir eine Nacht auf dem hiesigen Campingplatz. Kaum ist die Behausung aufgestellt, setzt der Regen ein. Nach der heissen Dusche wasche ich Unterwäsche, Socken und T-Shirt im Lavabo von Hand aus und hänge das feuchte Zeug auf eine Wäscheleine, die unter dem Dach aufgespannt ist. Nach Maniküre und Pediküre packe ich die Wertsachen in den Fotorucksack. Der Rest meiner Habseligkeiten platziere ich wie gewohnt in der abschliessbaren Molly.

      Der Regenschirm leistet mir beim Stadtbummel gute Dienste. Leider ist die eindrückliche Altstadt bei dem Schmuddelwetter nicht gerade einladend und ich finde rasch Unterschlupf im warmen Café der Bäckerei Göbel. Bei Cappuccino und Kuchen lasse ich es mir gut gehen und kann meine Seele baumeln lassen.

      Zurück auf dem Campingplatz treffe ich den Radler Felix, der sich hier vor dem Regen auch in Sicherheit gebracht hat. Er ist nicht gerade wasserdicht ausgerüstet und so geniesst er den trockenen Unterstand umso mehr. Sein Plan sieht vor, von seinem Wohnort in der Nähe von München bis nach Nordspanien zu pedalen. Mein persönlicher Plan für heute Abend ist schnell gefasst: Noch mehr Kalorien in meinen Körper pumpen! Felix hat keine Lust, mitzukommen uns deshalb lasse ich mich im «Hula», einem Tex-Mex-Schuppen, allein nieder. Die Speisekarte strotzt vor fetttriefendem Junkfood; genau das Richtige für mich! Das trendige Restaurant scheint auf Burger spezialisiert zu sein. Soll es der «Burger Hawaii» sein? Oder gar der «Hula Tower» mit 3 x 200 Gramm Rindfleisch? Das wäre aber selbst für mich, als immer hungrigen Wandersmann, ein bisschen zu viel. Ich entscheide mich für den «Alpen Max» mit einer Schicht Rösti, Käse, gebratenen Zwiebeln und Sour Cream. Das wunderbar saftige Stück Rindfleisch, das laut Speisekarte vom lokalen Metzger stammt, darf ich an dieser Stelle auch nicht vergessen zu erwähnen. Eine prächtige Portion Pommes rundet das Festmahl ab.

       Nasser Ruhetag

       Tag 17: Dienstag, 21. Mai 2019, 0 km (461 km)

      Es regnet die ganze Nacht in Strömen und ein Ende ist nicht abzusehen. Die Donau führt bereits sichtlich mehr Wasser und dieses fliesst schokoladenbraun daher. Ich konsultiere die Wettervorhersage online und diese verheisst nichts Gutes. Der gesamte Tag soll nass bleiben. Es werden anhaltende und ergiebige Niederschläge erwartet, bis zu 50 Liter Wasser pro Quadratmeter, örtlich sogar mehr. Bäche und Flüsse könnten über die Ufer treten. Ja, und die Donau fliesst nur 30 Meter hinter meinem Zelt in einer langen Schlaufe durch die Stadt. Im Hintergrund kann ich laute Sirenen hören. Ist die Feuerwehr schon fleissig am Keller auspumpen? Ich muss nicht lange überlegen und beschliesse, die Sintflut an diesem trockenen und geschützten Ort auszusitzen.

      Nachdem ich das Frühstück beendet habe, kriecht Felix aus seinem Zelt. Er habe in seinem dünnen Schlafsack erbärmlich gefroren und könne nicht mehr schlafen, jammert er. Da er keine Isoliermatte eingepackt hatte, lag er auf dem harten Boden. Er ist offensichtlich schlecht ausgerüstet und ich koche dem vor Kälte schlotternden Bayer einen starken Kaffee. Dankbar schlürft er den schwarzen Trank aus meiner Tasse und wärmt seine Finger am heissen Gefäss. Und so erzählt er aus seinem Leben: Er zähle 27 Jahre und sei nie einer geregelten Arbeit nachgegangen. Als der Hype mit der Kryptowährung Bitcoin losging, habe er mutig investiert und hatte Glück, dass sich sein Kapital sehr gut entwickelte. Er wusste früh, dass ein normales Leben mit Frau, Kindern, Haus, zwei Autos und Karriere nichts für ihn sei. Nur seinen Grosseltern zuliebe studierte er Psychologie. Er schrieb sich in einer Online-Uni ein und schaffte auf diesem Weg seinen Abschluss. Aber auf diesem Gebiet auch zu arbeiten, das würde ihm nie und nimmer einfallen. Er reiste viel, verbrachte eine intensive Zeit in Afrika und lebte dort über Monate in einer winzigen Bretterhütte. Nur Reis gab es da

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