Wanderfieber. Christian Zimmermann
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Leipheim und Günzburg lasse ich rechts liegen und marschiere auf dem Deich Richtung Osten. Hier steht ein Stauwerk und aus diesem Grund ist der Fluss an dieser Stelle beachtlich breit. Ich beobachte Schwäne, Gänse und Enten, die sich durch meine Anwesenheit nicht stören lassen. Am Wegrand erspähe ich wunderschöne Orchideen. Dem rosaroten Knabenkraut scheint es auf diesen mageren Böden sehr zu gefallen.
Wie jeden Tag darf ich verschiedene Male über mein Abenteuer Auskunft geben und auch für die obligaten Selfies posieren. Nicht weit vom Ort Offingen fühlt es sich wie Feierabend an und ich spüre einen hübschen Platz im Wald auf. Ich stosse Molly 100 Meter in einen überwucherten Weg und platziere das Zelt inmitten herrlich duftenden Bärlauchs. Der Magen knurrt und deshalb warte ich nicht lange mit dem Kochen. Ich brutzle mir eine doppelte Teigwarensuppe, die ich mit einer Büchse Thunfisch aufpeppe. Und natürlich pflücke ich eine Handvoll frischer Blätter Bärlauch, um mein Mahl mit schmackhaften Vitaminen zu verfeinern.
Schöne Aussicht
Tag 14: Samstag, 18. Mai 2019, 38 km (402 km)
In der Nacht regnete es ausgiebig und die Wettervorhersage prognostizierte weitere Niederschläge. Früh morgens krieche ich aus dem Schlafsack und werde überrascht. Es scheint aufgeklart zu haben, nur ein paar Nebelschwaden ziehen durch den halbdunklen Wald. Als ich die Bäume hinter mir lasse, komme ich durch weite landwirtschaftliche Flächen. Der Raps leuchtet knallgelb und der Nebel bildet im Hintergrund einen bezaubernden Kontrast. Ich erkenne die Gelegenheit, meine Drohne aufsteigen zu lassen. Ich programmiere das Fluggerät so, dass es mich in einer definierten Distanz selbstständig verfolgt. So entstehen sehr dynamische Videosequenzen. Anschliessend lasse ich den Kopter hoch aufsteigen und schiesse von der lieblichen Gegend ein paar Fotos. Das Livebild wird mir direkt auf das Smartphone geliefert, das an die Fernbedienung gekoppelt ist. Solche Tätigkeiten bedeuten auch immer eine gewisse Abwechslung. Während des Filmens und Fotografierens kann ich mich gut erholen.
Der Weg führt mich durch einige malerische Ortschaften. Das Städtchen Lauingen gefällt mir am besten. Auf dem Bürgersteig in der Ortsmitte lege ich vor einem Blumengeschäft einen Fotostopp ein. Und da blockiere ich den Eingang für eine fröhliche Dame, die ihre bestellte Ware abholen möchte. Wir kommen ins Gespräch und nachdem ich ihr meine Geschichte in Kurzversion erzählt habe, ist sie an der Reihe. «Sie müssen unbedingt den Schimmelturm besteigen, da können sie eine famose Aussicht über Lauingen und die Umgebung geniessen! Es ist einer der wenigen Türme an der Donau, die man besteigen kann.» Sie erklärt mir auch umständlich, wo ich den Schlüssel für das historische Bauwerk organisieren kann. Beim Hotel um die Ecke ergattere ich mir, gegen Deponie eines Ausweises und der Abgabe von zwei Euro, den Schlüssel. Molly kette ich an ein Baugerüst und mache mich auf, den 54 Meter hohen Turm zu erklimmen. Auf der ersten Hälfte führt mich eine steile, steinerne Wendeltreppe in die Höhe. Den Rest bewältige ich über eine knarrende Holzkonstruktion bis auf die Aussichtsplattform. Der Blick über die Stadt und die Donau ist atemberaubend. Das Wahrzeichen der Stadt, dessen Fresken und uralte Sagen von einem gewaltigen weissen Ross, einem tapferen Lauinger Krieger und dem «schönsten und grössten Weibsbild in ganz Europa» erzählen, beeindruckt Besucher seit über 600 Jahren. So steht es auf alle Fälle in der Tourismusbroschüre, die mir zusammen mit dem Schlüssel ausgehändigt wurde.
Auch Dillingen ist ein Besuch wert. Hier trotte ich aber nur gemütlich durch die Altstadt. Der Weg führt anschliessend auf einem kiesigen Belag direkt der Donau entlang. Es ist richtig warm geworden und ich kann mich zum ersten Mal im T-Shirt fortbewegen. Auf dem Marktplatz von Höchstädt lasse ich mich für eine halbe Stunde bei der Eisdiele nieder. Genüsslich schlecke ich zwei Kugeln Eis, und zwar in den Geschmacksrichtungen Mango und Kirsch-Sahne.
Nun treffe ich im regelmässigen Zwei-Kilometer-Rhythmus auf kleine Ortschaften. Bei Gremheim quert der Weg die Donau. Ich bin ziemlich geschafft und die Blase am linken Fussballen spüre ich wieder heftig. 38 km sind für heute genug und deshalb schlage ich mich am Ufer eines Weihers in die Büsche. Nachdem ich eingerichtet bin, beschäftige ich mich wie jeden Abend mit der Fusspflege. Die Fersen bereiten mir immer weniger Sorgen. Da hat sich in den letzten Tagen einige Hornhaut gebildet. Die schmerzende Blase stach ich bereits gestern auf und so drücke ich jetzt einfach auf die wunde Stelle. Im hohen Bogen spritzt plötzlich die Flüssigkeit aus dem prallen Ding. Ich beisse die Zähne zusammen und drücke bis die Sosse restlos draussen ist. Anschliessend kriegt die Stelle zum Desinfizieren eine kräftige Dusche mit dem Antiseptikum «Merfen» ab.
Ein prächtiger Hecht an der Angel
Tag 15: Sonntag, 19. Mai 2019, 35 km (437 km)
Die Lage am Weiher könnte man sicherlich als romantisch beschreiben, doch die hier lebende Entenfamilie hat mich mit ihrem andauernden und lauten Geschnatter immer wieder aus dem unruhigen Schlaf gerissen.
Auf einer schmalen, eigentlich verkehrsarmen Strasse geht es weiter. Aber an diesem lauen Sonntagmorgen herrscht erstaunlicherweise schon ab 8 Uhr sehr viel Betrieb. Fahren die Frühaufsteher zur Messe? Eine Stunde später komme ich diesem ungewöhnlichen Verkehrsaufkommen auf den Grund. Ein Bauernbetrieb veranstaltet einen Flohmarkt inklusiver Kleintierausstellung mit Verkauf. Die Besucher erfreuen sich am Frühschoppen. Der Grillmeister und der Mann am Bierzapfhahn arbeiten bereits auf Hochtouren. Ich kurve Mrs. Molly vorsichtig durch die tierische Ausstellung. Hühner und Kaninchen wechseln im Minutentakt ihren Besitzer. Irgendwie kommen wir uns ein wenig deplatziert vor und deshalb verabschieden wir uns nach kurzer Zeit von Menschenauflauf und Kleinvieh.
Auf dem Stauwerk in Donauwörth steht ein Mann in voller Anglermontur. Die Fischerrute biegt sich gefährlich unter dem Gewicht seines Fangs. Er guckt ein bisschen verzweifelt in die Gegend und bittet mich um Hilfe. «Was hast du am Haken?» frage ich. «Einen Hecht, aber ich wollte eigentlich gar nix fangen …» Da staune ich nicht schlecht. Der Mann fährt mit seiner kompletten Ausrüstung an den Fluss, schmeisst seinen Köder ins Wasser und will eigentlich gar nichts rausziehen – also Sachen gibt es! Aber ich bin ja derart hilfsbereit und übernehme das Angelgerät des hilfesuchenden Fischersmanns. Der Hecht zappelt kräftig am Haken. Mit beiden Händen muss ich das Schuppentier in Schach halten! Ich ziehe das sich windende Tier vorsichtig ans Ufer, wo der Typ den Hecht mit seinem Netz anlandet. Der Fisch misst nahezu einen Meter. Ziemlich sicher wird er heute Abend bei diesem Herrn, der nicht weiss, ob er was fangen will oder nicht, in der Pfanne landen.
Im Zentrum von Donauwörth lasse ich mich in einem hübschen Lokal nieder. Ich bestelle mir einen Kaffee und darf freundlicherweise mein Notebook an der Steckdose anschliessen. Gestern wurde es beim Tagebuchschreiben nämlich abrupt schwarz auf dem Bildschirm – kein Saft mehr.
Ich werde von mehreren Passanten angesprochen. Eine gutgelaunte Dame fragt