Auswahlband 11 Top-Krimis Herbst 2018 - Thriller Spannung auf 1378 Seiten. A. F. Morland
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„Eine alte Studentenliebe meiner Pariser Professorin, sie hat mich an ihren Harald vermittelt, bei dem ich jetzt promoviere.“ Und weil sie sein ratloses Gesicht bemerkte, übersetzte sie fröhlich: „Meine Doktorarbeit schreibe.“
„Über?“, fragte er ungewollt schroff.
„Die Fernstraßen in der Sahara.“
„Jetzt nehmen Sie mich aber auf den Arm.“
„Kein Gedanke, Peko. Natürlich nicht vierspurig asphaltiert und mit Standstreifen. Aber Kaufmannskarawanen ziehen seit Jahrhunderten durch die Sahara. Meistens haben sie Salz transportiert, aber ab und zu auch Sklaven.“
Peko staunte sie an. Seine Bildung, wenn man so etwas überhaupt auf einer Hauptschule erwarb, war lückenhaft, und in seinem Beruf ging man selten auf die Walz; er hatte mal eine Freundin gehabt, die als Zimmerer auf der Walz gewesen war und so viel erzählen konnte, dass er richtig neidisch geworden war. Er war über die Grenzen des kleinen Bundeslandes Leiningen nicht hinausgekommen und vermisste manchmal etwas, so wie jetzt, als sie von ihren Recherchereisen erzählte. „Was spricht man eigentlich in der Sahara?“
„In großen Teilen Westafrikas kommt man mit Französisch immer noch gut durch und überall dort, wo die Menschen dem Islam angehören und den Koran befolgen, mit Arabisch.“
„Respekt“, knurrte er unterdrückt, Artischocken-Dip und Arabisch. Dazu noch nett und sexy. Sie wurde ihm fast unheimlich „Den Boden kann man nicht essen?“
„Besser nicht.“
„Ich habe aber noch Hunger.“
„Ich auch“, gestand sie.
Er überlegte einen Moment und schlug dann vor: „Auf der Heusingerstraße gibt es ein Steakhaus, das über Nacht bis in den frühen Morgen geöffnet hat. Was halten Sie davon?“
Er war dort noch nie gewesen, aber mit einem blond gelockten Brigitte-Bardot-Abbild würde man sie dort zu jeder Abend- und Nachtzeit freudig empfangen, auch um diese Zeit noch. Als er noch sein Geschäft betrieb, ernährte er sich vorwiegend von Bratwurst und Pommes rot-weiß. Salat war nun mal giftig und für Kaninchen gedacht. Und das Knastessen machte niemanden zum Feinschmecker. Er nahm sich vor, seine Kochkünste, die sich bis jetzt auf Spiegeleier und fettige Bratkartoffeln ohne Kruste beschränkten, durch regelmäßiges Üben zu verfeinern. Zum Glück besaß er genug Geld auf der Leininger Handelsbank, nachdem die Südwestdeutsche Klassenlotterie zu seinen Gunsten einen Hauptgewinn abgedrückt hatte.
Vor ihrer Wohnungstür fragte sie: „Womit kann ich mich revanchieren, Peko? Das Steak war großartig.“
„Wenn es Ihre Zeit erlaubt, könnten Sie mir die Anfangsgründe des Kochens beibringen.“
Die Arbeit bei Teta am nächsten Tag wurde anstrengend, weil er viel zu wenig geschlafen hatte und seine Leber mit dem ungewohnten Rosé nicht so gut klargekommen war. Er hatte, quasi zur Selbstbestrafung, den Kartondienst übernommen. Viele der älteren Tetakunden zogen es vor, die sperrigen Kartons und Verpackungen im Geschäft zurückzulassen, und Teta offerierte den kostenlosen Service, das Material zu zerkleinern und wegzuschaffen, zusammenzupressen und spät abends bei einer Altpapiermühle in Braakenfeld abzuliefern. Cornelius Ritter hatte ein Herz für bedürftige Menschen, Tiere und die Umwelt. Er war großherzig und großzügig, aber nicht leichtsinnig. Er konnte sehr wohl kalkulieren und wirtschaften. Seine Devise lautete: „Eine offene Hand macht sich immer bezahlt.“ Diese Meinung teilte Peko nun nicht, aber dazu zwang ihn auch keiner.
Peter Korn war mittlerweile ein allseits geschätzter Mitarbeiter der Tellheimer Tafel geworden. Ab und zu traf er seine Nachbarin BB, die aber auch, wie sie ihm einmal auf dem Flur erzählte, einen langen Tag in der Uni hatte, seit sie Deutschunterricht für Flüchtlinge aus islamischen Staaten gab. Wann immer sie Zeit fand, kochten sie gemeinsam. Peko drang derweil hartnäckig in die Feinheiten der süddeutschen Küche vor und versuchte sich geduldig an einem Blatt nach dem anderen in dem Kochbuch, das er sich gekauft hatte. Er hätte auch jetzt nie von sich behauptet, er könne kochen, meinte aber, das von ihm Zusammengebrutzelte ließe sich von Tag zu Tag besser essen. Er scheiterte allerdings kläglich mit seinem ersten Versuch, Spätzle vom Brett zu schaben, daraufhin klingelte er nebenan und lud BB zum Essen beim Italiener ein.
Das Rimini war wie immer gut besucht. Nicht weit von ihnen saßen zwei Mulatten, und Peko erkundigte sich neugierig bei BB: „Verstehen Sie, was die sprechen?“
Sie musste einen Moment aufmerksam lauschen und schüttelten dann den Kopf: „Nein, das ist Portugiesisch. In der Sprache kann ich nur „Bitte“ und „Danke“ sagen und „Ich möchte zahlen.“
Als sie zu ihren gestapelten und abschließbaren Schuhkartons zurückbummelten, folgten ihnen die beiden Dunkelhäutigen mit großem Abstand und bogen in eine Nebenstraße ab, sobald Peko seine Haustür aufgeschlossen hatte.
„Vielen Dank für Einladung, Peko. Ich habe noch eine Bitte.“
„Heraus damit.“
„Könnten Sie mich einmal auf so einer abendlichen Teta-Runde mitnehmen?“
„Ich denke schon.“
Keiner hatte was dagegen einzuwenden. Pekos Ansehen bei den anderen Helfern stieg sprunghaft an, und dass sich ihre wenigen abendlichen Treffen nur um Blanchieren, Köcheln, Würzen und Braten drehten, glaubte ihm keiner der Männer, und dass sie sich immer noch siezten, hielten sie für Theaterspielerei. BB half manchmal, in der Verkaufshalle die Regale einzuräumen.
„Ihr Männer schmeißt alles einfach hin und rein.“
„Na und?“
„Das Auge kauft auch mit ein. Auch bei Leuten mit wenig Geld.“
Aber an diesem Punkt scheiterte BB mit ihren Bekehrungsversuchen.
Nach wie vor war der Supermarkt Cori am Bühler Marktplatz ihr größter Sach-Spender. Aber Pekos durch Nachbarin BB und eigene Kochversuche geschärftem Blick fiel auf, dass sich das Angebot merklich veränderte und Teta bald Konkurrenz bekamen. Dass immer mehr Menschen containerten, wie das euphemistisch hieß, wussten sie, aber die Zahl der auf der Straße sitzenden Bettler wuchs beängstigend schnell. Alt eingesessene Geschäfte und Kleinbetriebe schlossen und als Peko durch Zufall den Mann traf, der seinen alten Betrieb gekauft hatte, klagte der, er werde wohl auch bald schließen müssen. Es wunderte Peko nicht. Ein Handwerker konnte sich von seinem Stundenlohn keinen Handwerker mehr leisten. Ohne Do-It-Yourself und Zweitjob ging es bei vielen gar nicht mehr.
Doch das Tageblatt berichtete im Lokalteil auch von immer neuen Spezialitäten-Restaurants, Bars und Bistros, die alles andere als preiswert waren. Woher kam eigentlich das viele Geld, das dort ausgegeben wurde? Zumindest war es offenbar sehr ungleich verteilt. Dass Peko für sein angelegtes Geld kaum noch Zinsen bekam, erregte ihn schon lange nicht mehr, aber dass er nun Strafzinsen an die Bank zahlen sollte, brachte das Fass zum Überlaufen. Warum für das Alter sparen? Die Inflation und die Strafzinsen fraßen doch alles auf; nur die Jahresboni für die Oberen und die Diäten für die Politiker stiegen. Peko begann wieder zu spielen, und jetzt, wo er es nicht brauchte, zeigten die einarmigen Banditen, Spielautomaten oder Würfelbänke Großzügigkeit, gemäß der bösen Regel: „Wer hat, dem wird gegeben.“
Die Arbeit bei der Tellheimer Tafel behielt er bei, schon, um seinen Bewährungshelfer, den er ab und zu bei Behörden brauchte, bei Laune zu halten.