Katholisch...oder?. Oliver Grudke
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Читать онлайн книгу Katholisch...oder? - Oliver Grudke страница 16
Mit einem Küchenbeil, das in der Komplettausstattung einer Luxusküche dabei war, aber nie benutzt wurde, haute er die Tube in zwei Teile. Einer der Teile schoss durch die ganze Küche, doch das war egal. Endlich die heilende Salbe, oder?
Der Inhalt der Tube war schon eher eine feste Masse, alles andere als eine Salbe. Auch konnte man das Zeugs nicht irgendwo draufschmieren.
Erst beim Aufheben des weggespritzten vorderen Teiles der Tube fiel der Blick von Alex auf das Haltbarkeitsdatum, welches 1995 bereits abgelaufen war.
„Mist, elender!“, fluchte er nun schon wieder, als ihm einfiel, dass ja Schnaps auch Schwellungen und Entzündungen heilen kann. Also zum Schrank im Wohnzimmer.
Bier mochte Alex ja schon gerne, aber bei Schnaps war er vorsichtig und er stellte fest, dass keiner mehr da war. Als junger Forstingenieur hatte er einst eigenen Schnaps hergestellt. Der bei so einem Brant zwangsläufig entstehende Vorlauf war hochprozentig und durchaus geeignet, Entzündungen zu heilen, und auch Zerrungen oder Prellungen zu kühlen.
Bei seinen Eltern! Ja, dort stand noch jede Menge davon. Aber um diese Zeit dort anzurufen, und dann würde gleich die Frage nach dem „Warum“ kommen, und dann würde seine Mutter keine Ruhe geben, bis er im Krankenhaus vorstellig werden würde.
Nein!
Aber es gab noch eine Möglichkeit, sein Blick war auf eine Flasche mit brauner Flüssigkeit gerichtet. Zirbenschnaps!
Eine Seltenheit und Rarität, er hatte diesen bei seinem letzten Südtirol Urlaub, gefühlt um 1995, mitgebracht. In einem Seitental des Schnalstales auf einer Alm, dort hatte er diesen erstanden. Und Schnaps blieb haltbar, da war er sich sicher.
Als er zitternd mit seiner Linken den Inhalt vorsichtig über seine Rechte träufelte, war diese durch das Herumgehampel bereits dick angeschwollen.
Zuerst kühlte der Alkohol, doch der Zirbenschnaps war schon eher ein dicker zäher Likör und träufelte leider auf den weißen flauschigen Teppich vor dem Kamin.
„So eine elendige …!“ Fluchend rannte er in das Bad, um den Rest des Zirbenschnapses abzuwaschen, was ihm leider nicht gelang. Seine Hand hatte nun echt eine eklige braunrote Farbe und tat umso mehr weh.
Also was nun wirklich half, war Ablenkung: 6.30 Uhr und er ging in die Praxis.
Alex Kanst konnte sich nicht erinnern, jemals so früh in der Praxis gewesen zu sein. Als Erstes stieß er sich den Kopf, als er gegen die geschlossene Eingangstür rannte.
Normalerweise war ja Tina vor ihm da und die Tür geöffnet.
Nicht heute!
Wie schwer es war, eine Tür nur mit der Linken zu öffnen, das wusste Alex jetzt, und obwohl es im Flur recht kühl war, schwitzte er bereits wieder vor Schmerzen.
Da stand er nun im Eingangsbereich seiner Praxis. Es war still und dunkel und das flaue Gefühl, welches er seit Sonntag verspürte, machte sich plötzlich umso stärker bemerkbar. Alex spürte eine drohende und sich langsam steigernde Gefahr herannahen, fast so, als käme im Sommer ein Unwetter heran. Kurz vor dem ersten Donner war es still und ruhig, ja fast friedlich.
So wie jetzt in seiner Praxis.
Doch etwas kam näher, etwas Unheimliches und Gefährliches.
Um die Dämonen zu vertreiben, schaltete er das Licht ein und schrie auf!
„Na warte, Tina, das ist echt gegen die ausdrückliche Anordnung deines Chefs!“, sagte er zu sich selber und unterdrückte ein Lächeln, als er die Arsi-Statue wieder vom Tresen in die hintere Ecke neben dem Drucker stellte.
„Jetzt bin ich 46 und werde morgens um halb sieben von Darth Vader erschreckt! Ha!“ Doch das mulmige Gefühl blieb beharrlich und er wünschte sich, dass endlich Tina da wäre.
Einsamkeit machte ihm nichts aus, im Gegenteil! Oft benötigte er die Ruhe und Einsamkeit, um wieder klare Gedanken fassen zu können oder sich von den Strapazen der Arbeit zu erholen. Leute, die mit der Einsamkeit und Stille nicht umgehen können, sind für den Forstdienst nicht geeignet. Und im Grunde und ganz tief im Herzen war er immer noch ein Förster.
Doch heute, oder in den letzten Tagen war es anders geworden.
Alex schaltete alle Lichter in der ganzen Praxis ein, sogar auf den Toiletten.
Vielleicht lag es an den kürzer werdenden Tagen, dem trüben Wetter und der Tatsache, dass er nun doch schon 46 war. Er wusste es nicht.
Auch hatte er noch nie über einen Partner oder eine Hilfskraft in der Praxis nachgedacht. Tina verkörperte ja zumindest einen Teil davon. Und dies schon so viele Jahre.
Alex legte seine Hand in Schonhaltung auf den Schreibtisch und schaltete seinen Laptop mit der linken ein. Dies funktionierte recht gut.
Doch schon näherte sich das nächste Problem: Das Führen der Maus mit der Linken.
Unmöglich!
Langsam, für seine Ungeduld zu langsam, surfte er durch das Netz. Keine Einträge über die Geschehnisse der vergangenen Nacht. Nicht einmal die findigen Lokalreporter von der HZ hatten die News. Und dies war eine News: Stadtpfarrer wegen Mordes verhaftet.
Dann gab er den Namen „Max Giehr“ bei der Suchmaschine ein und hatte sofort 1.000 Treffer.
Wie leicht war doch die Arbeit eines Profilers geworden seit dem Internet, und doch für die entscheidenden Zusammenhänge hatte es oft keine Antworten und Lösungen bereit.
Max Giehr war tatsächlich der Sohn, der einzige Sohn von Albert Giehr. Giehr besaß alle in Hechingen ansässigen Firmen in der Medizinbranche und bestimmt auch noch welche darüber hinaus.
Auf allen Bildern posierte Albert immer sehr smart mit Sohn Max, welcher, da bestand kein Zweifel, die Firmen alle einmal übernehmen sollte. Für Hechingen war Giehr Medical sehr wichtig, war dies doch zu 99 % der einzige Arbeitgeber, seit die Textilindustrie zusammengebrochen war. Auch der Bruder von Alex, Tore, arbeitete dort. Irgendwo im Konzern.
Max war auch in den sozialen Medien sehr beliebt, und noch immer in Tübingen beim Studieren. (Wenn er mal nicht mit Vater posieren musste!)
Also, was tat ein so junger Mensch nachts in der Wohnung eines Pfarrers? Was lag auf der Hand? Genau das, was Alex so lange fehlte:
Sex!
Die häufigste Verfehlung der heiligen und so keuschen Männer. Man hätte dies ja schnell unter den Teppich kehren können, und schwule Pfarrer sind ja nicht gerade selten. Weshalb wurde er mit den Ermittlungen beauftragt?
Und was sollte er ermitteln, es könnten ja nur noch schlechtere Dinge zum Vorschein kommen und das will die gute Kirche ja nicht.
Also warum er, der ja einen der besten Rufe hatte, Dinge ans Licht zu bringen, und nicht unter den Teppich zu kehren!
Er gab den Namen „Alberto Meininger“ in die Suchmaschine ein.
Dieses