Der letzte Dollar. Markus J. J. Jenni
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Wir können eine Krise nicht lösen, ohne sie als eine Krise zu behandeln. Wir müssen die fossilen Brennstoffe im Boden lassen. Wir müssen den Fokus auf Gerechtigkeit lenken. Wenn es unmöglich ist, Lösungen im bestehenden System zu finden, sollten wir das System an sich ändern. Wir sind nicht hierhergekommen, um vor Weltpolitikern darum zu betteln, dass sie sich kümmern. Sie haben uns in der Vergangenheit ignoriert und Sie werden uns wieder ignorieren. Uns gehen langsam die Ausreden aus, uns läuft die Zeit davon! Wir sind hierhergekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass ein Wandel kommen wird, egal, ob Sie es wollen oder nicht. Die wirkliche Macht gehört den Menschen. Vielen Dank.“
Es war still im Raum. Man hätte eine Nadel auf einen Teppichboden fallen hören können. Das Bild auf dem Monitor erlosch. Einige der Anwesenden applaudierten.
Jetzt trat eine sympathische ältere Frau auf die Bühne. Adrett im westlichen Stil, aber einfach gekleidet. Ihr schneeweisses langes und glänzendes Haar passte gut zu ihrer gesunden rot-braunen Haut. Sie war Indianerin, Audrey Shenandoah (Ogananda).
Man wusste im Saal, dass die Begrüssung durch jemand erfolgen würde, der der Welt tatsächlich etwas zu sagen hatte.
Audrey Shenandoah blieb einen Moment ruhig auf der Bühne stehen. Sie schaute zu den Anwesenden und zu den vielen Pflanzen im Raum und lächelte.
Während sie so dastand und in das Publikum blickte schien es, als würde ein helles Licht von ihr ausgehen und den ganzen Raum ausfüllen. So blieb sie einfach ruhig vor dem Mikrofon stehen. Irgendjemand begann zu klatschen. Dann folgten auch andere, bis schliesslich alle mit ihrem wohlwollenden Applaus die Referentin willkommen hiessen. Dieser Applaus dauerte fast drei Minuten. Dabei hatte Audrey Shenandoah noch kein einziges Wort gesprochen. Aber die Energie, die sie ausstrahlte, erzeugte bei allen Teilnehmenden eine Art intensives Gefühl von Geborgenheit. Man fühlte sich eingebettet in dieses warme Licht und konnte dabei die Aussenwelt schnell und vollkommen ausblenden. Alles, was jetzt nicht hierhergehörte, war wie aufgelöst. Die Aufmerksamkeit und auch die Konzentrationskraft war bei allen Teilnehmern deutlich erhöht. Dann begann Audrey Shenandoah mit einer sanften, aber klaren und eindringlichen Stimme zu sprechen (Zitat):
„Guten Tag, sehr geehrte Damen und Herren. Oder sollte ich vielleicht besser Brüder und Schwestern sagen, da wir ja alle auf dem gleichen Planeten geboren worden sind?“ Die Leute schmunzelten.
„Zuerst will ich danken für einen weiteren Tag des Lebens hier auf dieser Erde, einen weiteren Tag, an dem wir die mitfühlende Güte unseres Schöpfers geniessen können. Ich will, wie wir das bei meinem Volk immer tun, diese Konferenz mit Worten der Würdigung, des Respekts und des Dankes für unsere Mitmenschen beginnen. Wir lassen unsere Gedanken zusammenkommen, damit wir eines Sinnes sind. Wir richten unsere Worte an unsere Mutter Erde, die alles Leben nährt. Wir wenden uns den kürzesten Gräsern dicht am Busen unserer Mutter Erde zu; wir denken mit Dankbarkeit und Respekt an alles Pflanzenleben, die Wälder, alle Wasser der Erde, die Fische, die Tiere auf dem Land, die Vögel und die Vier Winde. Einmütig richten wir unsere Würdigung, Respekt und Dank nach oben zur Welt des Himmels: zur Grossmutter Mond, die eine direkte Beziehung zu allen weiblichen Lebewesen hat, zur Sonne und den Sternen und zu unseren Geistwesen der Himmelswelt. Sie folgen immer noch den ursprünglichen Weisungen in diesem grossen Kreis des Lebens.
Einmütig erbieten wir dem heiligen Kreis des Lebens unsere Würdigung, Respekt und Dankbarkeit. Wir, die Menschen auf diesem Planeten, dürfen nicht vergessen, in Demut die Gaben zu würdigen, von denen wir so reichlich in unserem täglichen Leben Gebrauch machen. Ich überbringe Ihnen die allerbesten Grüsse von meinem Volk, den Haudenosaunee. Sie stellten für mich ein ‚Bündel‘ von Grüssen zusammen, bevor ich von zu Hause wegfuhr, so wie das immer getan wird, wenn jemand im Auftrag der Haudenosaunee in ein anderes Land reist.
Sie sagten: ‚An die Häuptlinge, die Führung der vielen Ländern, übermitteln die Häuptlinge der Haudenosaunee herzliche Grüsse und grossen Respekt. Möget Ihr Harmonie finden. Allen spirituellen Führern und Amtsinhabern ebenso herzliche Grüsse von denen, die bei den Haudenosaunee solche Aufgaben wahrnehmen. Möge Frieden sein, wenn wir uns treffen. An die Frauen in dieser Versammlung – die Mütter der Nationen – ein herzlicher Gruss der Anerkennung und des Respekts, denn sie haben eine ganz besondere und heilige Mission auf der Erde. Und an die Kinder der Länder, die hier nicht versammelt sind, richten wir beste Grüsse von den Kindern unseres Heimatlandes.
Diese Bündel von Grüssen und Anerkennung und Respekt übergebe ich hiermit allen hier Versammelten. Die Grüsse bekräftigen die gegenseitige Verbundenheit von uns Menschen und unsere Beziehung zur Umwelt und zum Universum. Wir haben viel zu lernen von dem unglaublichen Wissen unserer Vorfahren. Seit Urzeiten gebrauchten sie all ihre Intelligenz und Sinne, und sie wussten und fühlten sich allem Leben verwandt. Auf irgendeine Weise muss diese Beziehung wiedergewonnen werden. Wir sehen uns kritischen Zeiten gegenüber.
Mit den nötigen Veränderungen muss jetzt begonnen werden, denn schwerer Missbrauch und Misswirtschaft wird mit dem System, von dem unser Leben abhängt, getrieben. Heute richten sich die Energien der Menschen langsam darauf, Wege zu finden, die Mutter Erde zu retten.
Der Gründer der Haudenosaunee-Regierung, den wir den Friedensstifter nennen, wollte, dass soziale Gerechtigkeit in der Welt herrscht. Kein Mensch sollte mehr Privilegien als jeder andere haben. Allen sollte mit Respekt begegnet werden. Ein gesunder menschlicher Geist respektiert die Gaben des Lebens – und alle Natur gibt Leben.
In meiner Sprache gibt es kein Wort für ‚Natur‘. Das englische Wort ‚Natur‘ scheint sich auf etwas zu beziehen, das von den Menschen getrennt ist. Wir kennen keine solche Unterscheidung. Es ist dumme Arroganz der Menschen, sich dem System, das unser und alles Leben nährt, überlegen zu fühlen. Wie kann jemand dem überlegen sein, von dem sein Leben abhängt?
Menschen haben prächtige Technologien erfunden – mit dem Ergebnis, dass Teile der Welt in unnötigem und entmündigendem Überfluss leben, während Menschen in anderen Teilen der Welt aus Mangel an Nahrung, sauberem Wasser und Obdach sterben. Die Prioritäten müssen anders gesetzt werden, damit Menschen, die viel haben, sich nicht schämen müssen, weil andere hungern und daran sterben. Es sollte nirgendwo in der Welt obdachlose oder hungrige Menschen geben. Die Machthaber müssen diese erbärmliche Situation angehen. Wir alle sind Reisegefährten auf dieser Erde…
Wir leben in einer Ära, in der zu viel Geld für das Militär ausgegeben wird. Sogar jetzt, da die Grossmächte friedlichere Beziehungen zueinander herstellen, bleiben die Militärausgaben grotesk hoch. Der Zweck dieser hohen Militäretats kann nur die Erwartung von Gewalt sein. Als eine Mutter fordere ich, dass unsere Söhne nicht dazu erzogen werden, im Krieg zu sterben. Krieg ist irrational, seine Begründung suspekt. Wenn wir auf diesem Planeten weiterleben wollen, müssen wir Krieg beseitigen, denn er schadet allen Lebewesen.
Ich möchte dringend dazu auffordern, die herrschende Vorstellung von Natur zu überdenken. Natur, das Land, darf nicht Geld bedeuten: Natur muss Leben bedeuten. Natur ist die Schatzkammer des Lebenspotentials zukünftiger Generationen, ist heilig. Die menschlichen Gesellschaften haben bereits die Technologien, um Nahrung, Kleidung und Unterkunft für alle liefern zu können.
Doch die Organisation der Verteilung von Reichtum muss in Ordnung gebracht werden, sonst zerstört das herrschende Ungleichgewicht das gegenwärtige wie auch zukünftige menschliche Leben und die Natur.
Die westliche Gesellschaft