Gemordet wird in langen Sommernächten: Krimi-Lesefutter Thriller Paket. A. F. Morland
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Als ich geendet hatte, war er an der Reihe. Und nach den ersten Worten wusste ich bereits, dass ich die Drinks gut angelegt hatte.
Es gab zur Zeit zwei große Gangsterbosse in der Stadt, die sich nicht riechen konnten: Bob Tyrrell und Montague Ross. Tyrrell hatte den Bankraub geplant und durchgeführt. Ross hatte ihm die Moneten abgejagt, und Tyrrell hatte in die Röhre geguckt.
„Natürlich ist das letzte Wort noch nicht gesprochen“, erzählte mir Lucky March weiter. „Man munkelt, dass Tyrrell schon wieder mit dem Säbel rasselt. Er will zu einem vernichtenden Gegenschlag ausholen. Er will die Ross-Gang ein für allemal zerschlagen.“
„Kann uns nur recht sein“, versetzte ich. „Wann soll das Ding denn steigen, Lucky?“
„Bald, Biff.“
Plötzlich hüpften meine Gedanken um einen Tag zurück. Ich sah mich Whisky bis zum Erbrechen trinken, sah die beiden Killer, wie sie sich um mich sorgten, und hörte plötzlich einen von ihnen etwas von einer Tankstelle sagen, zu der sie nachher fahren müssten. Seltsam, dass mir das im Gedächtnis haftengeblieben war, obwohl ich sternhagelvoll gewesen war. Musste wohl irgendeine Bewandtnis damit haben.
Ich erzählte Lucky davon.
Die Versuchsbohrung wurde fündig. Lucky March konnte sich plötzlich besinnen, dass Montague Ross eine Freundin namens Mei Chen hatte. Und Mei Chen besaß eine Tankstelle in der Sidway Street
„Angeblich soll da auch der Sitz der Gang sein“, sagte March achselzuckend. „Irgendwo unterirdisch, munkelt man. Genaueres wissen wohl nur die Leute von der Ross-Gang selbst.“
„Hast du Montague Ross schon mal gesehen, Lucky?“, erkundigte ich mich.
Zu meinem größten Erstaunen nickte der Bettler. „Ich stand mal neben einem Blinden am Michigan Drive. Plötzlich stieß er mich an und sagte: ,Sieh mal, da fährt Montague Ross mit seiner Freundin!'“
„Mei Chen?“, fragte ich schnell.
Lucky nickte.
„Könntest du Ross beschreiben, Lucky?“, fragte ich aufgeregt. Immerhin war ich nahe dran, zu erfahren, wie der nahezu unsichtbare Montague Ross aussah.
„Haben Sie ein Blatt Papier, Biff? Dann mache ich Ihnen eine Zeichnung von seiner Visage, nach der Sie ihn ganz sicher wiedererkennen. Hab’ mal als ganz junger Knochen zwei Jahre die Schulbank der Kunstakademie gedrückt. Dann fiel mein Vater im neunzehnten Stockwerk aus dem Fenster. Er war Fensterputzer und verdammt stolz darauf, ohne Sicherheitsgürtel zu arbeiten. Kam sich wohl vor wie ein Artist, der ohne Netz arbeitet. Was weiß ich.“
Ich hatte zwei große Reklamezettel von irgendeiner neuerrichteten Waschstraße in der Tasche. Man hatte sie mit dem Scheibenwischer an die Windschutzscheibe meines Mustang geklemmt.
„Da ist das Papier“, sagte ich. „Und hier ein Nylonschreiber. Jetzt zeig, was du in den zwei Jahren gelernt hast, Lucky.“
Er war tatsächlich ein verblüffend guter Zeichner. Man hätte ihm damals ein Stipendium geben sollen. Er wäre es wert gewesen. Das Gesicht, das Lucky aufs Papier kritzelte, nahm schon nach den ersten Strichen Leben an. Er vervollkommnete die Kritzelei so lange, bis sie beinahe einem Foto ähnlich war.
Mich sah ein Mann mit einem nichtssagenden Gesicht an. Er hatte eine runde Knollennase, die sich als unübersehbarer Blickfang zwischen den aufgedunsenen Wangen darbot.
„So sieht er aus“, sagte Lucky mit stolzgeschwellter Brust. „Genauso.“ Er blickte mich lächelnd an. „Wenn Sie ihm gegenüberstehen, werden Sie wissen, dass meine Zeichnung stimmt.“
Lucky machte noch eine Fleißaufgabe. Er zauberte das Konterfei der Chinesin mit flinken Strichen aufs Papier. Die Kleine gefiel mir. Ross schien keinen schlechten Geschmack zu haben.
Ich schob die zwei Zeichnungen dankend in die Tasche, drückte ein paar Scheine in Luckys Hand und versicherte ihm, dass er mir sehr geholfen hätte.
Als ich gehen wollte, hielt er mich am Ärmel zurück. „Geben Sie gut auf sich acht, Biff“, sagte er besorgt.
Ich blinzelte ihm zuversichtlich zu. „Mach’ ich, Lucky."
„Ross ist sehr gefährlich. Man sagt, wenn man ihn und eine rabenschwarze Nacht zusammensperrt, ist es ganz sicher die Nacht, die zuerst davonrennt.“
„Ich werd’s mir merken, Lucky“, erwiderte ich dankbar.
Dann verließ ich die Kneipe.
26
Während ich mich in meinen Mustang verfrachtete, um auf dem schnellsten Wege zu unserem Wolkenkratzer zurückzureiten, ging die Tyrrell-Gang noch einmal die letzten Schritte für den Vergeltungsschlag gegen die Ross-Gang durch. Selbstverständlich hatte ich davon nicht die leiseste Ahnung.
Bob Tyrrells Devise lautete: Vernichtung der Ross-Gang und vor allen Dingen Wiederbeschaffung des bei dem Bankraub erbeuteten Geldes.
Die Sache sollte wie ein Blitz aus heiterem Himmel niedergehen.
Der Countdown dafür hatte bereits begonnen.
Als ich endlich unseren Wolkenkratzer erreicht hatte und im Lift stand, konnte ich es kaum erwarten, oben anzukommen.
Julia Hicksons freundliches Lächeln übersah ich großzügig. Ich hatte im Moment andere Dinge im Kopf, als zu lächeln.
„Charles“, sagte ich im Vorbeifliegen. „Mitkommen! Ist Susan da?“
Lenoire nickte, erstaunt über meine Aufregung. „Ja, Biff.“
Ich knallte hinter uns beiden die Tür so fest zu, dass Susan vor Schreck den Schluckauf kriegte. „Freunde, esst Traubenzucker. Es kommen anstrengende Stunden auf euch zu“, trompetete ich und ließ mich schwer in meinen Schreibtischsessel fallen.
„Was ist passiert, Biff?“, fragte Susan erstaunt.
„Die Haute Vollaute der Unterwelt beliebt sich demnächst in die Wolle zu geraten“, verkündete ich. „Das ist aber an und für sich nicht unser Problem.“
„Ich wusste gar nicht, dass wir überhaupt ein Problem haben“, sagte Charles. Manchmal konnte er mich ganz schön hoch auf die Palme bringen.
„He, die neunhundertfünfzigtausend Bundesmäuse sind im Augenblick in Ross’ Händen, klar?“, sagte ich schneidend. „Wenn jetzt Tyrrell hergeht und Ross eins über den Scheitel klopft, sind wir die Geschmierten.“
„Wieso?“, fragte Lenoire langsam.
Ich nickte. „Okay. Wenn ich nächste Woche mal Zeit habe, schreib’ ich’s Ihnen auf.“
„Sag’s ihm doch, Biff“, bat mich Susan lächelnd.
Ich sagte: „Es ist mir endlich gelungen, den mutmaßlichen Sitz der Ross-Gang herauszufinden. Wenn die Moneten nun wieder den Besitzer wechseln, geht die Suche von neuem los.“
Ich