WIN - With Intention Now. Christian Jaerschke
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Szenario 1: Ein Sportler hat aktuell ein Leistungsniveau von 100 und eine mentale Kraft von 1 – damit wir leichter rechnen können. 100 multipliziert mit 1 ergibt 100 %. Er kann also seinen Trainingszustand zum Beispiel im Wettkampf vollständig abrufen.
Szenario 2: Damit wir die vier Szenarien gut vergleichen können, gehen wir vom gleichen Leistungsniveau, also 100 aus. Dieser Sportler hat allerdings eine stärkere mentale Kraft von 1,2. 100 multipliziert mit 1,2 ergibt 120 %. Sportler 2 kann demnach im Wettkampf über sich hinauswachsen. Dadurch können im Wettkampf persönliche Bestleistungen erzielt werden. Manche sprechen hier vom sogenannten Wettkampftyp. Ich bin kein so großer Fan dieser Schubladen – denn mentale Kraft ist trainierbar.
Szenario 3: Wie gehabt gehen wir von einem Leistungsniveau von 100 aus. Dieser Sportler hat allerdings eine schwächere mentale Kraft von 0,8. 100 multipliziert mit 0,8 ergibt 80 %. Er kann seinen Trainingszustand also nicht voll abrufen.
Szenario 4: Auch dieser Sportler verfügt über ein Leistungsniveau von 100. Allerdings fehlt ihm (zumindest in einem entscheidenden Moment) die mentale Kraft völlig – wir nehmen also den Wert 0 an. Man muss kein Rechenkünstler sein, um das Ergebnis zu berechnen. 100 multipliziert mit 0 ergibt 0 %. Der sogenannte Worst Case ist eingetreten. Der Wettkampf ist völlig misslungen oder wurde sogar abgebrochen.
Ein wesentliches Ziel von Sportmentaltraining ist es, den Sportler dabei zu unterstützen, sein Leistungsniveau entsprechend seines aktuellen Trainingszustands im Wettkampf vollständig abrufen zu können und in sportlichen Erfolg umzusetzen.
Auch wenn ich die Winner’s-Mind-Formel anhand eines fiktiven Wettkampfsportlers verdeutlicht habe, wird vermutlich schnell klar, dass diese Formel genauso auf andere Bereiche angewendet werden kann, z. B. auf Prüfungssituationen, Klassenarbeiten und Vorträge. Übrigens: Eine der größten Ängste der Deutschen ist es, vor Publikum zu sprechen. Weitere Beispiele sind Präsentationen im Business, Vorstellungsgespräche, erste Dates und so weiter und so fort.
1.3 MENTALE KRAFT
Im Kapitel 1.2, Winner’s-Mind-Formel (E = L x M), habe ich vom Erfolgsfaktor „mentale Kraft“ (M) gesprochen. Aber was macht unsere mentale Kraft aus, wie bekommen wir mentale Stärke? Ist das vielleicht angeboren und müssen wir mit dem klarkommen, was wir bei der Geburt mitbekommen haben? Oder wie wäre es damit: Mentale Kraft ist eine magische Pille, die ein nervöser Athlet kurz vor dem Wettkampf einwirft, um damit seinen mentalen Kraftfaktor von sagen wir 0,8 auf 1,0 hochzupushen?
Ich wünschte, es wäre so einfach. Aber mentale Stärke kommt von dem Wissen, das du in der Vergangenheit erworben, und den Erfahrungen, die du gemacht hast.
Nehmen wir Daniela Ryf, eine der besten Triathletinnen der Welt. Jedes Mal, wenn sie in einem Rennen antritt, macht sie das wohl wissend, dass sie das Rennen gewinnen kann. Ihr Selbstvertrauen kommt von ihren Erfolgen in der Vergangenheit. Sie weiß, wie sie ein Rennen angehen muss und auch wie sie einen Rückstand wieder aufholt. Die Erfahrung hat ihr Klarheit darüber gegeben, was wann und wie zu tun ist.
Diese Klarheit brennt sich in das Unterbewusstsein ein. Im Wettkampf arbeiten wir zu einem großen Teil auf Autopilot. Da bleibt keine Zeit und Energie, um jede mögliche Entscheidung und Handlung im Detail zu analysieren. Die richtigen Entscheidungen werden durch die Erfahrungen aus der Vergangenheit getroffen. Jeder Zweifel, jede Furcht wird durch Selbstvertrauen ersetzt. Klarheit hat dieses Selbstvertrauen gebracht.
Das Gleiche gilt für uns Normalsterbliche und auch außerhalb des Sports. Im Grunde haben wir zwei Möglichkeiten: Entweder wir managen die Konsequenzen fehlender mentaler Stärke, solange wir Ziele haben, oder wir investieren in das gezielte Training im Kopf.
Die Konsequenzen fehlender mentaler Stärke zu managen, kostet Zeit und Energie. Mentale Stärke zu trainieren, gibt dir Kraft und Selbstvertrauen.
Natürlich kennt jeder von uns Situationen, in denen wir einen mentalen Mangel managen müssen. Ich bin da keine Ausnahme.
Mir ging das so, als ich das Skifahren gelernt habe. Ich hatte an manchen Steilhängen ein mulmiges Gefühl und Angst hinunterzufahren – obwohl ich die Technik beherrschte. So kostete es immer große Überwindung und Zeit, bis ich schließlich losfuhr. Das machte natürlich auch das Abrufen der erlernten Technik wesentlich schwerer.
Dabei brauchte ich nur wenig Arbeit mit einigen einfachen Mentaltechniken, um das Problem in den Griff zu bekommen. Ich spreche von der Best-Case-Szenario-Technik (siehe Kapitel 1.7), Visualisierung (siehe Kapitel 1.8 und mentale Korrekturen (Kapitel 4.2).
1.4 WAS IST SPORTMENTALTRAINING?
MENTALTRAINING IM ENGEREN SINNE – DAS KINO IM KOPF
Als mentales Training bezeichnete man ursprünglich eine Trainingsmethode zur Stabilisierung und Optimierung sportlicher Bewegungsabläufe.
„[…] Mentales Training als Überbegriff für planmäßig wiederholtes, bewusstes Sich-Vorstellen einer sportlichen Handlung ohne deren gleichzeitige praktische Ausführung […]“17
Bei diesem Kino im Kopf geht es also um das systematische gedankliche Durchspielen der Bewegungsabläufe. Übrigens: Mit der Vorstellung von Bewegungen (und der internen Repräsentation) beschäftigten sich Mediziner und Psychologen seit Mitte des vorletzten Jahrhunderts.18
Der sogenannte Carpenter-Effekt besagt, dass jede Vorstellung einer Bewegung eine Reaktion in den dazugehörigen Muskelgruppen auslöst.19 William Benjamin Carpenter, ein englischer Naturwissenschaftler, nach dem der Effekt benannt wurde, beschrieb diesen ideomotorischen Effekt zum ersten Mal 1852.20
Ole, Tänzer, hat folgende Erfahrungen gemacht: „In meiner Zeit als Bundesligatänzer hatte ich schon oft den Carpenter-Effekt gespürt, weil wir jedes Mal vor unsere Turnierrunden einen Mentaldurchgang legten, bei dem wir als Team in der Kabine unsere Turniermusik mit geschlossenen Augen anhörten. Durch die Visualisierung konnte ich immer die Muskeln spüren, die ich auch an der passenden Musikstelle tatsächlich benutzte.“
Katrin, eine Tennisspielerin, beschreibt ihre Erfahrungen mit dem Carpenter-Effekt wie folgt: „Ich habe schon viele gute Erfahrungen im Tennismatch damit gemacht, indem ich mir Bewegungsabläufe vorstellte. Das war besonders hilfreich, wenn ich bei einem Schlag ein paar Mal den gleichen Fehler gemacht habe und eigentlich wusste, warum der Schlag nicht perfekt lief. Dann war die Vorstellung der richtigen Bewegung und auch des Gefühls beim Schlag hilfreich, um die Fehlerquote deutlich zu senken. Außerdem habe ich diese Technik in engen Spielsituationen genutzt, um mich auf mein Spiel zu konzentrieren und beispielsweise nicht vom knappen Spielstand abgelenkt zu werden.“
Thomas, Tennisspieler, hat ebenfalls einige Verbesserungen bemerkt: „Seit ich um den Carpenter-Effekt weiß, ist mir aufgefallen, dass ich einige Übungen besser umsetzen konnte, sie gingen mir besser von der Hand. Zum Beispiel hatte ich immer Probleme beim Ablauf ‚cross, longline, Vorhand cross, Vorhand inside out, Angriffsball, Volley weg’. Durch die Umsetzung und die Vorstellung dieser Bewegungen konnte ich diese Übungen endlich besser durchführen und hatte ein sichereres Gefühl.“
Einen Hinweis habe ich noch: Weil der Carpenter-Effekt einfach nur bewirkt, dass jede Vorstellung einer