Die Legende vom Hermunduren. G. K. Grasse
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Lartius war sich bewusst, dass er nicht nur zwei kluge, zielstrebige und nach der Macht drängende Römer erkannte, sondern diese ausgerechnet noch in Familien fand, die über eine zahlreiche Fraktion im Senat verfügten.
Die Familien … fast hätte er deren Bedeutung übersehen…
Nicht jede der Familien gierte nach der Macht in Rom. Die Gentes Majores waren inzwischen, dank Neros und anderer kaiserlicher Bemühungen vor ihm, fast gänzlich erloschen.
Lartius erkannte diesen Umstand in einer ihm zugeführten Liste gegenwärtiger Senatoren, deren Anzahl, seit Kaiser Augustus, auf die Zahl von sechshundert begrenzt war. Die Liste, die man ihm reichte, bot nur einen Teil dessen, was tatsächlich einer Berufung zum Senator folgte.
Wäre der Secretarius des Kaisers in Rom gewesen, hätte er eine weit genauere Auflistung und noch zumal auf sicherem Weg erhalten. Epaphroditos aber begleitete Nero auf dessen Weg durch die Provinz. So musste sich Lartius mit der Aufstellung zufrieden geben, die einer seiner fleißigen Spione zu beschaffen vermochte.
Der Kopf der Adler der Evocati war sich im Klaren, dass diese lückenhafte Aufstellung auch noch Fehler aufweisen könnte… Wer war neu berufen, wer verstorben? Wie aktuell war die Liste, wenn sie so schon zu wenige Namen anbot? Doch Lartius bekam keine andere, umfangreichere Aufstellung und musste sich deshalb begnügen.
Den größten Einfluss innerhalb des Senats würden wohl die Familien besitzen, deren zahlenmäßige Übermacht zur Geltung gebracht wurde.
Der Aquila fand die Gentes Majores der Cornelier ebenso würdig vertreten, wie die der Junier oder Petronier, die aber den Gentes Minores zuzuordnen waren. Verblüfft nahm er zur Kenntnis, dass sowohl die Julier und die Claudier kaum noch vertreten waren… Anderen Familien einen wesentlichen Einfluss zubilligen zu müssen, sah der Aquila nicht. Wie aber konnte er, ohne die genauere Kenntnis der jeweiligen politischen Ausrichtung der Familien, deren Zuordnung zu den Strömungen im Senat finden?
In einer Sache war er sich fast sicher. Julier und Claudier, die seit Kaiser Augustus Roms Macht in ihren Händen hielten, würden wohl zum jetzigen Kaiser stehen. Sicher auch dann, wenn gerade dieser, in der jüngeren Vergangenheit, unter den Familienangehörigen gewütet hatte. Die, deren Leben jetzt noch erhalten war, schienen keine Bedrohung für den sonst ängstlichen Princeps darzustellen. Wäre dem nicht so, hätte er auch diesen Vertretern seiner Familie längstens ein Ende verschafft…
Die der Republik zugeneigten Senatoren könnte der Aquila doch nur in den älteren Familien vermuten… Da wäre am Ehesten an die Cornelier und die Junier zu denken, die beide über eine starke Gruppierung verfügten. Ganz so einfach glaubte sich Lartius diese Sache der Zuordnung dann doch nicht machen zu dürfen. Deshalb legte er diesen Gedanken vorerst zur Seite.
Er vermutet, dass von fünf Strömungen nur lediglich eine Einzige an einer Auftrennung der Militärmacht interessiert sein dürfte…
Es war doch ersichtlich, dass die der Republik Zugeneigten genauso wenig Machtverlust hinnehmen würden, wie die Nero Folgenden… Ging es darüber hinaus um ein starkes Imperium Romanum, vor dem jeder Feind erzittern sollte, spielte die Form der Herrschaft, ob nun Prinzipat oder was auch immer sonst, nur eine untergeordnete Rolle…
Keine dieser Strömungen würde auf die Legionen verzichten… aber jeder von denen musste, wollte er seine Vorstellungen durchsetzen, militärische Macht und damit Legionen anstreben…
Es war ein verfluchter Kreislauf, aus dem es scheinbar keinen Ausgang gab. Immer wieder kehrten seine Gedanken, gleich welchen Ansatz er wählte, auf die Strömung der Machtbesessenen zurück. Sie waren die, denen keine Moral zugeordnet und keine Vernunft bescheinigt werden durfte! Die übrigen Strömungen, so hoffte er zumindest, stellten, aus welchem Grund auch immer, die Einheit der Legionen Roms nicht in Frage… Wie würde dies dann aber aussehen, spitzte sich der Kampf um die Macht zu?
Diese, seine Überlegungen führten bisher immer zum gleichen Ergebnis, so oft er den Würfel auch warf. Jeder anders geartete Ausgangspunkt führte immer wieder zurück auf die Strömung, aus der der Verräter kommen musste, brachte ihn aber auch deshalb nicht weiter, weil er die Zusammensetzung des geheimen Rates des Senats nicht kannte. Einer der Männer musste nach der Macht streben und sich von den Brüdern Scribonius den Zugriff darauf erhoffen…
Wer aber war der betreffende Senator?
Tage und Nächte vergingen, ohne dass ihn die eigenen Überlegungen voran brachten. Lartius bedurfte einer Hilfe. Gern wäre er zum Secretarius geeilt und hätte diesen, über scheinheilige Fragen, zu einer Antwort verleitet… Zu Nero zu gehen, wäre wohl kaum ratsam…
Aber würde nicht auch Epaphroditos zuerst Nero von seinen Überlegungen in Kenntnis setzen? Nein, dieser Weg ging ohnehin nicht. Wer aber käme noch in Frage, ihm Hilfe leisten zu können?
Als Kopf der Adler der Evocati gab es für ihn nur Einen, dem sein uneingeschränktes Vertrauen galt… Durfte er diesen Gefährten in die Gedanken einweihen? Stellte dies eine Gefahr für ihn selbst oder für diesen Evocati dar? Würde er auch die erwartete Hilfe bekommen?
Fast eine vollständige Dekade von Tagen war seit Beginn seiner Überlegungen vergangen. Er musste, fand er selbst nicht den richtigen Mann, Hilfe annehmen und so forderte er Callisunus auf, ihn am folgenden Morgen aufzusuchen.
Die dritte Klaue der Adler der Evocati erschien, musterte ihn und stellte für sich fest, dass Lartius in den vergangenen Tagen gelitten haben muss. „Du siehst nicht gut aus…“ begann er, als er Lartius Schweigen hinnehmend, das Gespräch mit einer freundlichen Bemerkung zu eröffnen trachtete.
„So, sieht man das?“ knurrte der Aquila, lenkte aber sofort ein. „Du könntest recht haben… “
„Also, wenn du nicht weißt, wie du beginnen sollst, frage ich einfach, welcher Sorge du dein Aussehen zuordnest…“
„Das Imperium macht mir Sorgen…“ Lartius füllte zwei Pokale mit Wein und Wasser.
„Habe ich da etwas nicht mitbekommen? Hat der Kaiser dich mit der Regierung beauftragt?“ Callisunus lächelte.
„Trage ich nicht immer einen Teil seiner Last? Nur jetzt tingelt er durch die Provinz und lässt das Imperium im Stich… Er kümmert sich nicht um die Grenzen, er empfängt keine Gesandtschaften, er räumt nicht im Senat auf und hat, so glaube ich, kaum die Wahrnehmung einer Gefahr… Aber gerade jetzt häufen sich Anzeichen, denen rechtzeitig begegnet, jede Bedrohung genommen werden kann… Unser Göttlicher aber spielt Kithara, rezitiert und singt, statt seine Macht zu festigen…“ Es war ein zorniges Aufstöhnen, das Callisunus vernahm.
„Gut, das war genug der Ankündigung…“ lächelte Callisunus. „Solltest du nicht etwas genauer werden, was deine Sorgen betrifft?“
So aufgefordert, begann Lartius seinem Nachgeordneten den Teil seiner Überlegungen darzulegen, den er ihm zuordnete.
Callisunus hörte geduldig zu. Von Zeit zu Zeit nippte er in kleinen Schlucken vom Wein, lehnte sich zurück in den Korbstuhl und folgte den Worten seines Herrn.
Als Lartius endete, verging einige Zeit, in der dieser seine dritte Klaue anstarrte und einer Antwort harrte.
Callisunus