Die Legende vom Hermunduren. G. K. Grasse
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Читать онлайн книгу Die Legende vom Hermunduren - G. K. Grasse страница 5
„Lass die Männer, die eben vor dir knieten, darüber abstimmen… Nein, nicht vollständig…“ lenkte er ein als sich Vindex Miene verfinsterte.
„Sagen wir, es sind mehr als drei Viertel für den Jungen, kommt er mit. Sind es weniger als die Hälfte, bleibt er in Rom… Was dazwischen liegt, bleibt bei deiner bisherigen Entscheidung…“
„Warum?“ Vindex zeigte Verblüffung.
„Zuerst einmal ist er dein Sohn… Er ist ein wichtiges Stück deiner Familie! Zum Zweiten wird er sehr viel lernen, zum Dritten besitzt er Mut und versteht sich auszudrücken… Letztlich besitzt er dein Vertrauen, oder… “
Vindex nickte und traf, selbst in dieser Lage, eine bemerkenswerte Entscheidung. Siebzehn Männer beugten ihr Knie vor ihm…
„Sind nur drei Männer von euch gegen ihn, wird er bei seiner Mutter bleiben… Wer von euch lehnt die Begleitung meines Sohnes ab?“
Vindex starrte jeden der Erwählten an, als würde er bitten, betteln oder flehen, aber keiner von denen ließ sich erweichen.
„Gut, ihr habt so entschieden… Dennoch stelle ich eine Bedingung!“
„Welche, Vater?“
„Die Zustimmung deiner Mutter!“
Es schien, als hätte der Sohn diese Ausflucht schon vorhergesehen. Er beugte einfach sein Knie.
Vindex verstand, dass der Sohn diese Verhinderung längst, in seinem Sinn, aus dem Weg geräumt hatte. Als er an diesem Abend sein Weib sprach, versicherte sie ihm, dass sie ihre Zusage von der Entscheidung des Vaters abhängig machte und hoffte, er würde ablehnen… Der Sohn spielte Vater und Mutter gegeneinander aus und bekam seinen Willen.
Jetzt standen sie gemeinsam im Bug der Bireme und starrten auf die sich nähernde Stadt. Der Fluss teilte sich. Sie folgten dem linken Arm stromauf.
Lugdunum wirkte, vom Wasser aus, prächtig. Es lag auf einem Hügel, am linken Ufer. Vom Fluss, vom Landesteg aus, stieg das Land teilweise sanft und an anderer Stelle wesentlich heftiger an.
Als sie das Ufer erreichten, warteten schon Vertreter der Stadt, die Ala der Auxiliaren Roms und auch Würdenträger der Statthalterschaft.
Die Planke wurde ausgelegt und Vindex betrat als Erster das Land. Ihm folgten seine sechs Fasces mit ihrem Rutenbündel.
Vindex ging, gefolgt von seinen Begleitern, auf das wartende Empfangskomitee, bestehend aus dem bisherigen Stab des Statthalters und den Oberen der Stadt zu. Als er am Präfekt der Kohorte ankam, die seitlich des Weges angetreten war, machte Vindex Front zum Signum, und zur ‚Offenen Hand’. Sein Blick begegnete den Augen des Präfekt und die gegenseitige Musterung begann.
Die nachfolgende Begrüßung war kurz, endete in einer Vorstellung der Oberen der Stadt und seiner sieben Ratgeber, die er für einzelne Funktionen seiner Herrschaft vorsah, ohne deren Stellung oder Aufgabe zu benennen. Seinen Sohn überging er. Was sollte es, mit dem jüngeren Vindex Eindruck schinden zu wollen… Gaius Iulius Vindex war angekommen.
Was sollte er vom Empfang denken… Die beste Einstellung erschien ihm, weder zu viel Anteilnahme zu zeigen, noch die Dürftigkeit zu beklagen. Nüchtern, möglichst ohne Emotionen, sollte er sein Amt damit beginnen, die Bedingungen in der Provinz kennenzulernen und auch die Männer zu beobachten, die bisher das Wohl der Provinz hegten.
Der neue Legatus Augusti begann sich in sein Amt zu stürzen. Vindex brauchte nicht lange, um einen Anfang zu finden. Er hörte den bisherigen Verantwortlichen zu, ließ seine sieben Ratgeber an jeder Beratung teilnehmen und registrierte die Bemühungen seiner Gefährten, Klarheiten zu erzwingen.
Dieses Vorgehen zeigte zwei unterschiedlich zu bewertende Aspekte. Einmal hörte jeder seiner Männer, was die Vorgänger mit welchen Mitteln zu erreichen suchten und weil jeder der Ratgeber Forderungen aufmachen durfte, Fragen stellen konnte, erkannte er, wer sich, unter seinen Männern, in welcher Sphäre auskannte und sich interessierte.
In ihm entstand ein Bild über deren zukünftige Verwendung.
In diesen Gesprächen war auch zu merken, welcher der Vorgänger im Amt an seiner bisherigen Aufgabe hing und wer nur darauf bedacht war, sich die eigene Nase zu vergolden…
Vindex hatte zu wenige fähige Männer mitgebracht.
Wie sollte er auch wissen, was ihn in dieser großen Provinz erwartete? Hatte er zu wenige eigene Männer, sollte er unter den verbliebenen Amtsträgern die erwählen, die ihm den besten Eindruck boten. Er achtete auf Sachkenntnis, Handlungsbereitschaft, Durchsetzungsvermögen und auf die Männer, denen gleichgültig war, wem sie dienten…
Er nahm sich viel Zeit, in die auch das Kennenlernen des Praefectus Cohortis hineingehörte. Nach fast einem Monat beriet er sich mit seinen Begleitern und verteilte anschließend die Pfründe.
Während der Vater seiner neuen Aufgabe gerecht zu werden versuchte, trieb sich der Sohn in diesem Teil der römischen Welt herum. Es war eine andere Art der Neugier, die ihn anspornte.
In Rom waren seine Möglichkeiten eingeschränkt, immerhin bewachte ihn die Mutter. Hier besaß der Vater zu wenig Zeit und beauftragte einen seiner erwählten Männer mit der Sicherheit seines Sohnes.
So ergab sich der Umstand, dass der Sohn diese Stadt und Teile der Provinz aus einer ganz anderen Sicht kennenlernte…
2. Der Igel und der Adler
67 nach Christus - Winter (24. Januarius)
Imperium Romanum – Provinz Lugdunensis
Vindex war inzwischen fast einen Monat in seinem neuen Amt. Wenn es etwas gab, was seine Begleiter irritierte, war es dessen oftmaliges Schweigen. Der neue Legatus Augusti hörte mehr zu, als er sprach.
Galt seine erste Aufmerksamkeit den bisherigen Amtsträgern, deren Aufgabenverteilung und Zuordnung von Verantwortungen, vollzog er bald einen zweiten Schritt, der ihn zur Beschäftigung mit den unterschiedlichsten Aufgabenbereichen zwang.
In dem er die bisherigen Vertrauten seines Vorgängers in ihrer Erscheinung, deren Sachverstand und auch bezüglich eines energischen Auftretens beurteilte, seine eigene Sichtweise zu jedem dieser Männer prüfte und auch auf Einzelheiten achtete, die eine gemeinsame vertrauensvolle Zusammenarbeit beeinflussen konnten, traf er seine erste und eigene Auswahl.
Niemand schrieb ihm vor, wie er die Provinz verwaltete. Er war nicht gezwungen sich der gleichen Art seines Vorgängers anzupassen und noch weniger, diese vollständig zu übernehmen. Dennoch erkannte er Vorteile und nutzte diese, wenn sie sich mit seinen bisherigen Erfahrungen und eigenen Vorstellungen vereinbaren ließen.
Die Tage waren mit Arbeit angefüllt, er empfing zahlreiche Botschaften aus seinem Territorium. Auch Vertreter einzelner Siedlungen suchten ihn auf, um ihn mit deren Sorgen vertraut zu machen. Viele glaubten, die eigene Dringlichkeit mittels eigenem Auftritt unterstreichen zu müssen, Händler wünschten ihm seine Aufwartungen zu machen und fast an jedem Abend tummelten sich Gäste in seinem Haus.
Langsam begriff Vindex, was ihn in dieser Provinz erwartete. Trotz unterschiedlichster Eindrücke