Die Legende vom Hermunduren. G. K. Grasse

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Die Legende vom Hermunduren - G. K. Grasse Die Legende vom Hermunduren

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einige Tage zurück, um seine Gedanken in Vorstellungen zu kleiden, die ihm helfen konnten, seinen Auftrag zu erfüllen.

      Zuerst war das Erkennen der eigenen Rolle wichtig. Vindex gelangte zur Einsicht, dass er für dieses Chaos die Verantwortung trug. Daraus leitete sich die Anforderung für die Zukunft ab. Er sollte eine Ordnung schaffen, in der die Rechte Roms im Vordergrund blieben, aber diese Provinz auch nicht an seiner Organisation zu Grunde gehen durfte…

      Wollte er das Chaos beherrschen, brauchte er fest gefügte Strukturen und diese ließen sich nun einmal nur durch befähigte Männer erzielen. Also ordnete er seine Gedanken und prägte Vorstellungen zu den einzelnen Bereichen, in die er Träger dieser Verantwortung bringen musste, um das Chaos aufzubrechen.

      Er war in dieser Provinz nicht der einzige Vertreter des Kaisers. Stützte sich Kaiser Nero vorrangig auf einen Legatus Augusti zur administrativen Führung, verhinderte er jedoch, durch die Abtrennung des Finanzwesens, dessen übergroße Eigenmächtigkeit.

      In dieser Sache übernahm Nero Erfahrungen, die ihm vorangegangene Herrscher aufzeigten. Ein Statthalter, ohne eigenes Verfügungsrecht über alle in der Provinz erwirtschafteten Steuern, war in seiner Macht begrenzt. Ein Procurator aus dem Ordo Equester, dem Kaiser mit Eid verpflichtet, sorgte dafür, das Rom bekam, was Rom zustand.

      Allein gegenüber diesem Mann besaß Vindex keine Befugnis. Ihn zu maßregeln, diesem Vorschriften zu machen oder ihn gar zu entmachten, wenn ihm dessen Vorgehen nicht gefallen sollte, war er weder ermächtigt, noch würde Nero dies dulden. Das der Procurator einem niederen Stand der römischen Gesellschaft entstammte, war dabei ohne jede Bedeutung.

      Die zweite Besonderheit seiner Provinz war das Militär.

      Innerhalb seiner Provinz stand keine einzige Legion. Dennoch war das Territorium der Provinz sehr groß und noch zumal durch seine Lage, zwischen Belgica und Aquitania eingezwängt, dafür aber ohne unmittelbare feindliche Grenzen. Ungünstig erachtete er den Standort seiner Statthalterschaft mit Lugdunum, was im südlichsten Zipfel der Provinz lag.

      Um ein Municipium oder Civitas seiner Provinz aufzusuchen, bedurfte es eines weiten Weges. Noch weitaus schwieriger war es, das wenige Militär, das ihm zur Verfügung stand, dorthin zu bringen, wo es, im Falle von regionalem Aufruhr, benötigt wurde.

      Ihm selbst stand in Lugdunum eine Ala Quingenaria, mit dem Namen Gallorum Tauriana und die Cohors XVIII Voluntariorum, die wie andere gleichartige Kohorten aus freiwilligen römischen Bürgern bestand und in Lugdunum ein Winterlager besaß, zur Verfügung. Die Ala war, vor einigen Jahren, von Kaiser Claudius aus Bürgern einiger gallischer Stämme aufgestellt worden und sollte vermutlich in Britannia zum Einsatz gelangen. Aus welchem Grund dies nicht vollzogen wurde und warum diese Ala gerade in Lugdunum verblieb, war nicht nur ungewöhnlich, es entzog sich auch der Kenntnis eines ganz besonderen Mannes, dessen Bekanntschaft der Legatus Augusti machte, als er mit früheren Amtsträgern der Provinz verhandelte.

      Dieser Römer vermittelte ihm dann Kenntnisse, die von Wert zu sein schienen… Vindex besaß zuvor keinerlei Angaben über weitere Alae oder Kohorten, hörte dann aber von diesem Mann, dass drei weitere Truppenteile in seiner Provinz stationiert waren.

      In Cabillonum lag eine Kohorte, die die dort befindliche Flotte Roms und die umfangreichen Getreidelager, für die Versorgung römischer Legionen am Rhenus, bewachte.

      Die Flotte, aus Liburnen bestehend, nahm bei Bedarf Auxiliaren der Kohorte auf und brachte diese, entlang der wichtigen Wasserstraßen des Rhodanus und des Arar, zum Einsatz. Der Auftrag lautet, die Sicherheit der Wasserwege zu gewährleisten.

      Eine weitere derartige Kohorte, mit fast gleichen Anforderungen, lag in Lutetia, am Fluss Sequana. Die gleichartige dritte Kohorte befand sich in Caesarodunum, am Liger.

      Das Besondere dieser Kohorten war die Verbundenheit mit dem jeweiligen Fluss und der zugeordneten Flotte. Täuschte beides doch über den weiteren Grund, den der möglichen Befriedung des Gebietes bei Erfordernis, hinweg.

      Aus dieser Lage ergab sich, dass entlang dieser Wasserstraßen ein schnelles Fortkommen der Streitkräfte gesichert war. Außerdem spielten deren Standorte eine wichtige Rolle für die Verfügbarkeit, falls der innere Frieden der Provinz gefährdet erschien. Diese Kohorten würden zwar nicht ausreichen, um einen Aufstand abwehren zu können, dürften andererseits aber auch nicht unbeachtet bleiben, drohte eine Gefahr.

      Insofern erschien Vindex, der aus dem Ordo Equester stammende frühere Präfekt der Kohorte in Cabillonum, als ein wichtiger Bestandteil seiner neuen Organisation. Als er noch dazu erfuhr, dass der jetzt im Ruhestand befindliche Präfekt die übrigen Kommandeure der anderen Kohorten kannte und deren Fähigkeiten einzuschätzen wusste, nahm er den Älteren in seinen Beraterkreis auf.

      Was er nicht wusste und auch niemals erfahren durfte, war der Umstand, dass dieser frühere Präfekt ein Adler der Evocati war. Dieser frühere Präfekt hörte auf den Namen Gaius Donicus.

      Mit Gaius Donicus und Lucien Belinarius verfügte Vindex somit über zwei von ihm gewählte Berater, denen er vertraute und deren Wissen, sowie Fähigkeiten, im helfen sollten, seiner Berufung gerecht werden zu können.

      Den vom Kaiser eingesetzten Procurator für die Finanzen der Provinz, auch ein Equester Ordo mit dem Namen Lucius Masones Felix, konnte er nicht umgehen oder gar ablösen. Diesem Mann musste er sicher Verständnis für seine Art der Herrschaft erst abringen.

      Vindex erinnerte sich, dass deren erste Begegnung sehr förmlich verlief. Jeder versuchte den Gegenüber über das eigene Wesen hinweg zu täuschen, vorerst Abstand zu bewahren und möglichst viel zu erfahren.

      Sie waren wohl beide nicht sehr erfolgreich. Ihr Gespräch entwickelte sich schleppend. Nur zögerlich ließ er den Anderen in einen Teil seiner Vergangenheit blicken und der Masones Felix dankte es ihm in gleicher Art. Sie schieden mit dem Versprechen, das so interessante Gespräch fortsetzen zu wollen…

      Vindex musste sich arg beherrschen, um nicht, ob der von ihm genutzten Redewendung, in einen Lachanfall abzugleiten. Es würde ihm nichts anderes übrig bleiben, als des Mannes Interesse für ihn zu wecken oder aber diesem den ‚Bart rasieren zu müssen’… Vindex bereitete sich auf beides vor…

      Im nächsten Schritt dachte er über die zukünftigen Verantwortlichkeiten nach und gelangte zu dem Schluss, dass auch er einen Mann brauchte, der sich in Steuern und Geld gut auskannte. Wollte er sich dem Masones Felix nicht bedingungslos ausliefern, brauchte er einen eigenen befähigten Mann, der diesen Streit für ihn führte und außerdem die Verwendung der ihm überlassenen Finanzen überwachte.

      So wie er in diesem Bereich einen starken Widerpart suchte, brauchte er auch für die Durchsetzung von Recht und Ordnung einen starken und unabhängigen Vertrauten.

      Als er die weiteren Notwendigkeiten überdachte, fielen ihm der Handel und auch der Verkehr auf Straßen und Flüssen ein. Wollte er sich selbst dort nicht einbringen, brauchte er zwei weitere Männer seines Vertrauens.

      Rom war, wo immer es herrschte, an den Schätzen des Bodens jedes eroberten Gebietes interessiert. Ob dies nun Salz, Bernstein, Eisen, Kupfer oder Zinn, Silber oder gar Gold war, es gehörte Rom und vergaß er sich darum zu kümmern, barg dies ungeahnte Gefahren. Auch der Ernährung der Menschen und damit der Bewirtschaftung des Bodens sollte er Aufmerksamkeit schenken.

      Als er über das Land, deren Stämme und zugehörige Gebiete nachdachte, erschloss sich ihm, auch den Municipia, den Civitates und selbst den Bürgern eines jeden Vicus einen Mann zuzuordnen, der deren Interessen prüft und ihm berichtet.

      Belinarius

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