Ganz für Familie. Erwin Sittig
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Hanna überlegte. Was soll ihr schon passieren? So eine Biene ist schnell, wendig und kann sich mit ihrem Stachel gut verteidigen. Aber halt.
„Müssen die Bienen nicht sterben, wenn sie gestochen haben und der Stachel im Opfer steckenbleibt?“
Biene Bumm beruhigte sie.
„Bei uns Schokobienen ist das anders. Du vergisst, dass wir besondere Bienen sind, die zaubern können.“
„Kann ich dann auch zaubern?“
„Nein, tut mir leid. Du bist, auch wenn du dann so aussiehst, keine Schokobiene.“
„Schade. Das wäre toll gewesen. Aber wenn das so gefährlich ist, als Biene nachhause zu fliegen, kannst du mir nicht wenigstens drei oder vier Zauberwünsche schenken, um mich zu verteidigen?“
„Na gut. Ausnahmsweise. Aber zwei Wünsche müssen reichen. Überlege dir gut, was du dir wünscht. Wenn du deinen Wunsch laut aussprichst, wird es geschehen.“ Darauf stach Biene Bumm Hanna in den Arm und augenblicklich sackte sie nach unten, da sie vergessen hatte, mit den Flügeln zu schlagen. Um so schöner war es, als sie wieder aufstieg und dann neben Biene Bumm schwebte.
„Übrigens woher wusstest du, dass die Schokobienen gescheckt sind?“
„Weiß doch jedes Kind“, prahlte Biene Hanna und flog davon.
War das ein tolles Gefühl, durch die Lüfte zu fliegen. In rasender Geschwindigkeit zog die Landschaft unter ihr dahin. Sie sah wesentlich gewaltiger aus, als vorher, was sicher an ihrer ungewohnt kleinen Größe lag.
Hanna flog zur Landstraße, da sie Angst hatte, sonst nicht nachhause zu finden. Hier fuhren riesige Fahrzeuge. Die erzeugten einen solchen Wind, dass Hanna aufpassen musste, nicht mitgerissen zu werden. Folglich hielt sie ein wenig Abstand zur Straße und freute sich bei jedem Flügelschlag, ihren Eltern etwas näher zu kommen.
Plötzlich entdeckte sie in der Ferne ein Fahrzeug, das ihr bekannt vorkam. Es war ein rotes Motorrad. Das Komische war, dass es ganz langsam fuhr. Schnell flog sie näher heran und tatsächlich, ihr Herz vollführte einen kleinen Freudenhüpfer. Auf dem Motorrad saßen Oma und Opa Humpi. Sie drehten ihre Köpfe in alle Richtungen, als ob sie etwas suchen. Was war mit ihnen los? Sonst fuhren sie immer recht flott durch die Gegend. Hanna hatte es geliebt, wenn ihr Opa die Maschine herausholte und eine kleine Spritztour mit ihr unternahm. Sie kam sich wie ein Kosmonaut vor, sobald sie sich den Motorradhelm überstülpte. Doch so langsam sind sie nie gefahren, nie.
Aber natürlich. Wie konnte Hanna das nur vergessen. Immerhin war sie die ganze Nacht nicht nach Hause gekommen. Ihre Eltern und die Großeltern mussten sich große Sorgen um sie machen. Sie suchen Hanna.
Nichts leichter als das. Die Sorge konnte sie ihnen nehmen. Sie flog vor Opas Gesicht und rief ihm zu: „Hallo, Opi, hier bin ich. Ihr müsst keine Angst um mich haben.“
Es war gar nicht so einfach, rückwärts zu fliegen und gleichzeitig laut rumzubrüllen.
War Opa taub? Statt ihr zuzuhören, versuchte er ständig, sie mit der Hand wegzuschieben. Ist ja nichts Neues. Nie hörte ihr jemand zu. Vielleicht verstand er sie nicht, weil der Helm so dick ist. Also schrie sie noch lauter und flog noch dichter an Opis Gesicht heran. Doch der wurde nun ungeduldig und schlug mit der Hand nach ihr, so dass sie nur mit Müh‘ und Not ausweichen konnte. Dann geriet sie in den Sog des Motorrads, das auf einmal beschleunigte und letztendlich landete Hanna im Straßengraben zwischen den Gräsern.
Erschreckt und erschöpft lehnte sie sich an den Halm, an dem sie sich soeben gestoßen hatte. Traurig folgte sie mit den Augen dem Motorrad, das hinter dem nächsten Hügel verschwand.
Sollte sie ihm hinterherfliegen? Ihr fiel wieder ein, dass sie eine Biene war und die Menschen deren Sprache nicht verstehen können. Aber war sie nicht eine Zauberbiene?
Sie brauchte sich nur zu wünschen, dass sie wie ein Mensch sprechen kann, und schon wäre ihr Problem gelöst. Doch sie muss gut überlegen. Was ist, wenn Bienen nur so leise reden, dass die Leute sie trotzdem nicht hören. Dann wäre ein Wunsch vertan und sie hatte doch nur zwei. Außerdem hatte Biene Bumm sie gewarnt, dass der Flug nachhause lebensgefährlich sei. Wahrscheinlich würde sie ihren Zauber brauchen, um sich zu retten.
„Tut mir leid, Oma und Opa Humpi. Ihr müsst noch etwas warten. Ich werde Papa mit dem Auto hinterherschicken.“
Und sie flog zügig weiter, um die Sorgen der Großeltern ein wenig zu verkürzen. So schön das Fliegen anfangs auch war, es fiel ihr immer schwerer. Sie war es gewohnt, sich mit den Beinen vorwärts zu bewegen, doch hier hatten die Arme die Hauptarbeit zu leisten. Außerdem ist die Strecke verhältnismäßig viel länger geworden, da sie jetzt wesentlich kleiner war. Trotzdem kam sie schneller voran, als mit dem Fahrrad. Dafür musste sie größere Pausen einlegen, da die Flügel lahm wurden. Zusätzlich bekam sie Hunger und Durst.
Sie war froh, den ersten Bauernhof zu erreichen. Noch mehr freute sie sich, dass die Leute im Freien saßen und den Frühstückstisch gedeckt hatten. Essen im Überfluss. Sie brauchte sich nur hinsetzen und den Rüssel hineintauchen. Sogar der leckere Honig von den gestreiften Bienen stand auf dem Tisch.
Hanna stürzte sich mutig in die Leckereien, doch bevor sie landen konnte, schlug eine Hand nach ihr. Wieder gelang es ihr nur knapp, auszuweichen. Das Unglück wollte es, dass sie sich dabei dem nächsten Menschen näherte, der ebenfalls nach ihr schlug. Nachdem sie bei weiteren Landeversuchen wiederum attackiert wurde, ging sie zum Angriff über, da sie wusste, dass viele Leute vor Bienen Angst haben.
Doch Hanna wurde in ihrer Wut zu unvorsichtig, so dass sie einen kräftigen Hieb des kleinen Jungen abbekam und sie benebelt durch die Luft torkelte. Kaum kam sie etwas zu sich, sah sie auch schon den Bengel auf sich zustürzen, der es sich in den Kopf gesetzt hatte, ihr den Garaus zu machen. Nur knapp entging sie seinem Fußtritt und flog in panischer Angst davon.
Zornig wünschte sie lauthals dem Jungen einen Bienenstich in die Nasenspitze, so dass die so stark anschwellen solle, dass er nichts mehr sehen könne. Sie lachte sich halb krumm, als sie sah, wie ihr Wunsch Wirklichkeit wurde. Gleich darauf wurde ihr mit Schrecken bewusst, dass sie einen Zauber unsinnig verschleudert hatte. Und trotzdem wollte ihre Schadenfreude nicht vergehen.
Ihr Hunger quälte sie immer noch und sie schaute sich auf dem Hühnerhof um. Musste sie tatsächlich mit dem schmutzigen Wasser vorliebnehmen und mit dem Brei, der dort für das Federvieh herumstand? Sie hatte keine Wahl.
Sie war nicht mal halbwegs satt, als sich ein riesiger Schatten näherte. Gerade noch rechtzeitig hatte sich Hanna umgedreht, als auch schon der harte Schnabel eines Huhns nach ihr hackte. Erneut entkam sie nur knapp und wunderte sich, wie viel Feinde so eine Biene hatte. Sie wünschte sich sehnlichst, wieder die kleine Hanna zu sein, die vor nichts Angst haben muss, weil Mama, Papa, Oma, Opa und viele andere auf sie aufpassen. Aber sie hütete sich, das laut auszusprechen. Das Ziel war noch nicht erreicht. Mutti muss unbedingt die Schokobienen kennenlernen, sonst wäre alles umsonst gewesen.
Sie fühlte sich soweit wieder okay, dass sie weiterflog, immer die Straße entlang. Da kein Lüftchen wehte und die Sonne nicht zu heiß brannte, kam sie flott voran. Das heimatliche Dorf war schon zu sehen, als sie erneut einen bedrohlichen Schatten über sich bemerkte. Ein Vogel hatte sie im Visier.
Hanna spürte sofort, dass er es auf sie abgesehen hatte. Ihr Herz raste vor Angst und sie beschleunigte ihren Flug. Doch der Vogel, sie hatte keine Zeit