Fünf Minuten vor Mitternacht. Celina Weithaas

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Fünf Minuten vor Mitternacht - Celina Weithaas Die Chroniken des Grauen Mannes

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kann ihre tadelnden Blicke spüren, ohne mich rück zu versichern. „Gioseppe Riva. Hast du von ihm gehört?“ Achim verzieht leicht den Mund, das Gesicht sonst starr gehalten, während er über die Menge blickt. Wir werden in weißes Licht getaucht, das wie Blitze über uns hinwegrast. Jedes Zucken bedeutet ein Bild. Ein Bild, das nie wieder aus dem unendlichen Gedächtnis des Internets verschwinden wird. „Nein“, sagt Achim. „Er ist niemand, mit dem man sich befassen muss.“ Zu dem gleichen Schluss bin auch ich gekommen. Je länger ich darüber nachdenke, desto überzeugter bin ich davon, dass es eine wertlose Füllung war, das Gioseppes Schneidezahn versiegelte. Das Material war zu glanzlos. Für Platin hat es nicht ausreichend geschimmert. Eine bodenlose Peinlichkeit. Damit hätte Gioseppe exakt die gleiche, wenn nicht sogar noch eine schlechtere, Behandlung erhalten wie jeder gewöhnliche Bürger mit seinem Monatseinkommen von rund 3.000 Dollar. Solche Menschen sollten sich nicht in meiner Gesellschaft befinden. Erfahrungsgemäß wissen sie sich nicht angemessen zu verhalten. Geschweige denn, dass sie sich der Ehre bewusst werden, die es bedeutet, hier anwesend sein zu dürfen.

      Allein die möglichen reißerischen Überschriften der Presse halten mich davon ab, Gioseppe persönlich der Feier, meiner Feier, zu verweisen. Ich versuche, zu beurteilen, ob es sich bei dem Schemen mit der schlechten Haltung links vom Eingang um Gioseppe handelt. Sicher ist, dass mein Zimmermädchen sich angeregt mit diesem jungen Mann unterhält. Sollte er es sein, kann sie vielleicht einen Teil ihres Monatsgehalts in seine jämmerlichen Goldaktien investieren. „Beruhigend“, nehme ich den Faden wieder auf und neige den Kopf leicht in Achims Richtung. Achims Atem streicht über meine Wange wie eine warme Sommerbrise. Ich kämpfe gegen den Impuls an, genüsslich die Augen zu schließen. „Gioseppe Riva wirkte auf mich wenig vielversprechend.“ Achim lächelt mich an. Wieder strahlen seine Augen. Er legt zu viele Emotionen in seine Gesten. Bemerkt er das blitzende Gewitter vor uns nicht? „Warum? Investiert Mister Riva in fallende Aktien?“ Ich schnaube abfällig. Wenn es das nur wäre. „Nein. Gold, Silber, Holz. Er kannte nicht ein Unternehmen, das ich ihm auflistete. Vielversprechende Investitionen besitzen weder er noch seine Eltern.“ Achims Brust bebt leicht, als er lacht, ohne eine Miene zu verziehen. „Ich wüsste zu gern, wer ihn hierher eingeladen hat.“ Ich nicke leicht in Richtung meiner Eltern. Vater hat schützend einen Arm um Mutters Hüfte gelegt, während sie leichte Konversation mit einem Aktionär aus Saudi-Arabien führen, einander hin und wieder ansehend, an den gefüllten Gläsern nippend. Gemurmelte Zahlen werden zu uns hinübergetragen, die einen beachtlichen Deal versprechen. „Ein kleiner Italiener in den großen Weiten Amerikas“, seufzt Achim und drückt mir einen sanften Kuss in den Nacken, als niemand hinzusehen scheint. Das Klicken vor uns verspricht eine obszöne Schlagzeile am morgigen Tag. „Deine Eltern sollten nicht jedes Kleinkind überfordern, das einen Fuß an die Börse gesetzt hat.“ Ich kichere leise und sehe Achim mit nach oben gezogenen Augenbrauen an. „Wenn ich ihn nicht missverstanden habe, sind es seine Eltern, die investieren, nicht er. Bestenfalls profitiert er davon.“ Ich verkneife mir ein weiteres Lachen. „Sie verdienen 200.000 Dollar. Im Monat! Ich kann beim besten Willen nicht begreifen, was sie hier suchen. Es muss für die Frau Mama bereits eine kaum zu stemmende Ausgabe gewesen sein, sich ein Abendkleid zu leisten, das Rang und Namen hat.“ Achim hält mich etwas fester. Jeder kann erkennen, dass wir zueinander gehören.

      Achim und ich geben das gleiche, perfekte Bild ab wie meine Eltern. Wunderschön, professionell, elegant. Mächtig.

      Wir sind nicht verheiratet, diese Nähe ist unangemessen. Wir verstoßen gegen jeden Anstand. Vermutlich wird Achim die Geste mit meinem Verlobungsring entschuldigen, der mit seinen blauen Augen um die Wette funkelt, sollte die Presse ihn auf unseren Körperkontakt ansprechen. „Nach dem, was du erzählt hast, war sie vermutlich die Frau in dem Kleid von Chanel. Ich hielt sie anfänglich für eine Angestellte und bat sie um einen starken Espresso.“ Achim gluckst gedämpft und lässt den Blick desinteressiert über die Reihen von Fotografen wandern. „Sie verfluchte mich auf Italienisch als respektlosen Amerikaner. “Ich presse meine Lippen fest aufeinander, um nicht in schallendes Gelächter auszubrechen.

      Ein Kellner bietet uns Champagner an. Das neue Glas fühlt sich willkommen kühl unter meinen Fingern an. Einzelne Tropfen perlen das edle Kristallglas hinab und küssen zart meine Haut. Der Champagner schmeckt noch etwas prickelnder als der letzte. Blumig. Zart und intensiv zugleich. „Woher die Rivas nur wussten, dass du nicht einer ihrer Landsmänner bist“, necke ich Achim. Er hat für diesen Scherz lediglich ein müdes Lächeln übrig. Mein Verlobter ist die letzte Person, die man als ungehobelten Italiener bezeichnen könnte. Anstatt von glühendem Temperament trägt er aalglatte Entscheidungsgewalt und Konsequenz zur Schau. Er verliert sich nicht in Diskussionen, sondern überzeugt binnen weniger Sätze. Vater und Mutter hätten mich nicht mit Achim verlobt, wäre sein Werdegang nicht derart vielversprechend, wie er ist. Ein junger Mann der sein Jurastudium in Harvard binnen von vier Semestern absolvierte, ist mehr als nur reich und engagiert. Achim ist vermutlich die intelligenteste Person im gesamten Raum. Ich selbst fühle mich oft belanglos und dümmlich neben ihm, selten sogar ein wenig tollpatschig. Müsste man männliche Tadellosigkeit in einem Bild beschreiben, würde man Achim malen, genauso wie er hiersteht, eine Hand locker auf meinem Hüftknochen, den Kopf kaum merklich geneigt, um die perfekte Fotografie zu garantieren. Allein mit seiner Liebe mir gegenüber nimmt Achim mir jede Sorge mit der gleichen Leichtigkeit, wie er inkompetente Handelspartner über den Tisch zieht. Vater nannte ihn einmal den Napoleon unter den Brokern. Er hat Recht behalten.

      „Monsieur Depót beobachtet dich seit geraumer Zeit“, murmelt Achim in mein Ohr und lässt den Arm von meiner Hüfte gleiten. Kurz stolpert mein Herz. Ich folge seinem Blick zu einem gepflegten Mann mittleren Alters. Monsieur Depót saß bereits einige Male mit meiner Familie am Tisch, um Verträge zu schließen. Ein durchaus kluger Mann, der es versteht, die Karten verdeckt zu halten und die Unterschrift unter einen Vertrag zu zwingen, der einem die Schlinge um den Hals legt. Wenn meine Mutter vor einem Menschen Respekt besitzt, dann ist er es mit seiner undurchsichtigen Art, die man nur zu schnell als freundlich und zuvorkommend auslegen kann. Das ist nicht zuletzt seinem charmanten, französischen Akzent geschuldet. Sobald man aber zu diesem Trugschluss gekommen ist, wäre es Wahnsinn, sich auf einen Vertragsabschluss einzulassen. Mit Sicherheit ruiniert er einen.

      „Denkst du, ich kann das?“, flüstere ich Achim zu, während ich Monsieur Depót über meinen Champagner hinweg zunicke. Achims Lippen streifen meine Ohrmuschel. „Halte dich von bindenden Abmachungen fern und achte darauf, dass die Konversation flach bleibt. Das sollte kein großes Problem für dich darstellen.“

      Ich sauge sein unerschütterliches Vertrauen in mich auf. Achim setzt seine Hoffnungen niemals in die falsche Person.

      Wenn er an mich glaubt, werden die kommenden Minuten ein Kinderspiel. Ohne einen Blick zurück, entferne ich mich von meiner Familie. Die Schleppe schleift leise hinter mir über das gebohnerte Parkett. Ich nehme jeden Zentimeter, den ich mich auf Monsieur Depót zubewege, übermäßig genau wahr. Er nähert sich mir ebenfalls, die Schritte gemessen, seine Hände locker an den Seiten hinabhängend. Mein Lächeln sitzt perfekt.

      Heute ist es erstmals an mir, ihm die Hand zu reichen. Bei meinem Fest bin ich es, die in der Rangordnung höher steht. Es gleicht einem kleinen Triumph, ihm den Handschlag anzubieten, und einem noch größeren, als er seine Manieren nicht vergisst, seine Finger unter meine schiebt, und mir einen winzigen Kuss auf den Handrücken haucht. „Miss Clark”, seufzt er, den französischen Akzent schwer in der weichen Stimme. „Es ist mir eine Freude.“ Mein Herz beginnt aufgeregt zu rasen. Das hier fühlt sich an wie der perfekte Augenblick. Endlich bin ich genau dort angekommen, wo ich hingehöre: an der Spitze. Ich nicke Monsieur Depót zu. „Sie ist ganz meinerseits.“ Kurz schweigen wir. Ich weiß, dass es meine Aufgabe ist, unter diesen Umständen das Gespräch zu führen. Halt die Konversation flach. Dieser Ratschlag hallt wider, als ich Monsieur Depót einen Augenaufschlag schenke und den Kopf leicht schief lege. Wenn man mich in diesen Sekunden ablichtet, wird das Ergebnis makellos sein. „Genossen Sie eine angenehme Anreise?“

      Monsieur Depót nickt und verzieht dabei leicht die Lippen, wodurch das Ziegenbärtchen

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