Die geheimnisvolle Nähe von Mensch und Tier. Immanuel Birmelin

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Die geheimnisvolle Nähe von Mensch und Tier - Immanuel Birmelin

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afarensis hervorging. Die Überreste von Lucy liegen heute im National-Museum von Addis Abeba, der Hauptstadt Äthiopiens. Ihre Entdeckung war ein großer Schritt in unserer Ahnentafel.

      Wanderer zwischen den Kontinenten

      Man nimmt an, dass sich vor etwa 1,9 Millionen Jahren einige unserer Vorfahren auf den Weg machten, den Heimatkontinent Afrika zu verlassen. Vermutlich nicht aus Freude und Neugierde, sondern aus Not. Es ist die Zeit großer klimatischer Veränderungen. In Ostafrika ist der immergrüne tropische Regenwald geschrumpft, und Savannen haben sich gebildet. Einer der Flüchtlinge war sicherlich Homo ergaster. Er war körperlich bevorteilt. Er hatte ein flaches, weniger schnauzenartiges Gesicht, ein dem heutigen Menschen ähnliches Skelett und ein relativ großes Gehirn, das etwa 900 Kubikzentimeter misst. Das ist in etwa die Hirngröße eines einjährigen Kindes – der heutige, erwachsene Mensch bringt es auf rund 1500 Kubikzentimeter. Zudem war Homo ergaster groß und hatte kräftige Beinknochen. Beste Voraussetzungen für einen Wanderer. Er hatte Afrika verlassen und sich bis nach Asien ausgebreitet. Aus ihm gehen weitere Menschenarten hervor, die sich über die Erde ausbreiten. Letztlich überlebt nur Homo sapiens, und das sind wir.

      Unser enger Verwandter, der Neandertaler

      Aber auch in Europa entdeckten Wissenschaftler Skelette unserer Vorfahren. Im Jahre 1856 fanden Bergarbeiter Teilskelette eines Frühmenschen. Er bekam den Namen seines Fundortes Neandertal, das zwischen Erkrath und Mettmann in der Nähe von Düsseldorf liegt (Abbildung, >). Neandertaler könnten die Nachfahren der ersten Afrika-Auswanderer sein. Sie lebten in ganz Europa in voneinander isolierten Gruppen.

      Ein frommer Wunsch? Der DNS-Code

      Generationen von Menschen wollen wissen, wo ihre Wurzel der Entstehung ist. Kurz, woher sie kommen. Paläontologen haben für diese Wanderung plausible und überzeugende Argumente. Aber ein Beweis im strengen Sinne ist das nicht. Viele Argumente sind Spekulationen. Darum ist sie für viele Wissenschaftler immer noch ein Geheimnis, und ihnen raucht der Kopf bei der Lüftung dieses Geheimnisses. Dank der Paläogenetik kam Licht in das Dunkel.

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      Meerkatze | Australopithecus afarensis

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      Homo ergaster | Neandertaler

      Einer der führenden Köpfe dieser Forschungsrichtung ist der Schwede Svante Pääbo, Professor am Max-Planck-Institut in Leipzig. Ihm und seinem Team gelang es, in die molekularen Dimensionen des Neandertalers vorzustoßen. Sie isolierten aus seinen Knochenzellen winzige Mengen von DNS. Das sind die Erbmoleküle, die jedes Lebewesen besitzt – außer einigen Retro-Viren. Sie hielten in ihren Händen Erbmoleküle von einem Menschen, der vor mehr als 30 000 Jahren lebte.

      Halten Sie einen Moment inne, um zu begreifen, was Menschen hier geleistet haben. Mit modernster Biochemie und Biotechnik sind Forscher in die Vergangenheit getaucht. Sie bohrten einen Neandertalerknochen an, in der Hoffnung, Zellen zu finden, in denen Reste von DNS enthalten sind (Wissen kompakt, >). Die Wissenschaftler konnten in einer Sisyphusarbeit den DNS-Code entziffern. So fand man etwa heraus, dass die Neandertaler ein Gen besaßen, das sie bittere Stoffe schmecken ließ. Man vermutet, dass sie Pflanzen wie Schafgarbe und Kamille nicht nur wegen des Geschmacks, sondern auch als Medizin nutzten. Vermutlich zeigen auch die noch heute vorkommenden Genabschnitte des Homo sapiens, die auf den Neandertaler hinweisen, dass wir ein reiches Erbe geschenkt bekamen. Durch die Anpassungen des Neandertalers an Krankheitserreger konnten auch wir uns den neuen Umweltbedingungen stellen und große Immunität erlangen.

      Pääbo und sein Team verglichen den DNS-Code von Homo sapiens mit dem des Neandertalers. Das Team hatte einige Jahre zuvor festgestellt, dass sich der DNS-Code von Schimpansen von unserem nur in etwas mehr als einem Prozent unterscheidet. Pääbo: »Die Neandertaler mussten uns natürlich noch viel näherstehen. Aber – das war ungeheuer spannend – unter den wenigen Abweichungen, mit denen wir im Neandertaler-Genom rechneten, mussten genau jene sein, durch die wir uns von allen früheren Menschenvorläufern unterscheiden, nicht nur von den Neandertalern, sondern beispielsweise auch von Lucy.« (Quellennachweis, Pääbo, >) Wer etwas tiefer in die Materie einsteigen will, dem empfehle ich sein Buch »Die Neandertaler und wir«. Ein Fazit seiner Forschung: Die Neandertaler sind die engsten ausgestorbenen Verwandten der heutigen Menschen.

      Begegnung mit den Vorfahren

      In Burgos, einer schönen Stadt in Spanien, bewunderten wir den Dom und waren begeistert von der wunderbaren Altstadt. Aber die größte Überraschung war das Naturwissenschaftliche Museum. Wir begegneten unseren Vorfahren.

      Die Museumsleitung hat Bilder von unseren Vorfahren erstellt, so wie es sich die Paläontologen aufgrund ihrer Funde vorstellten. Sie zeigen einerseits, wie ähnlich wir untereinander aussehen, und andererseits, wie stark wir uns von ihnen unterscheiden. Man sieht sprichwörtlich die Evolution und unsere Wurzeln.

      Diesen Ausflug in die Vergangenheit habe ich unternommen, um zu zeigen, dass Homo sapiens nicht immer so war wie heute. In den letzten Jahren ist mehr und mehr deutlich geworden, wie viel evolutionäre Natur sowohl genetisch als auch anatomisch in uns steckt. Wir sind mit Sicherheit erst spät in der Geschichte des Lebens auf dem Planeten Erde erschienen. Fest steht: Nicht nur Menschen, sondern nahezu alle Lebewesen haben sich im Laufe von Tausenden von Jahren in ihrem Körperbau verändert. Elefanten sind deutlich kleiner als ihre Verwandten, die Mammuts – Riesentiere mit einem zottigen Fell, um der Kälte zu trotzen. Heutige Tiger haben deutlich kleinere Zähne als der Säbelzahntiger. Das Leben ist im Fluss, und wie sich Lebewesen entwickeln, hängt von den Evolutionsfaktoren ab.

      Die Neandertaler waren die Ersten, denen es gelang, während der Kältezeit in Mitteleuropa zu überleben. Sie nutzten das Feuer und stellten wärmende Kleidung her. Und dennoch sind sie ausgestorben. Man diskutiert, ob Homo sapiens sie ausgerottet hat. Der Neandertaler und der Homo sapiens – das sind wir – haben vor einigen Tausend Jahren gleichzeitig gelebt.

      In der Presse wird immer wieder die Frage erörtert, ob wohl eine Neandertaler-Frau und ein moderner Mann gemeinsame Kinder hatten. Die Genanalyse legt durchaus nahe, dass sich der Neandertaler mit Homo sapiens gepaart hat. Im Erbgut des Homo sapiens sind Gene des Neandertalers zu finden. Sie hatten also Kontakt. Vielleicht mit schrecklichen Folgen.

      Was unterscheidet unsere Vorfahren von uns?

      Das entscheidende Organ, das uns von unseren Vorfahren und anderen Lebewesen unterscheidet, ist das Gehirn, seine Größe und die dichte Verpackung der Nervenzellen. Die Nervenzellen sind untereinander verschaltet und kommunizieren miteinander. Dieses Bauprinzip ist die Wiege unseres abstrakten Denkens. Diese Architektur ermöglicht uns, schwierige mathematische Probleme zu lösen. Und Reisen ins Weltall zu machen. Uns werden Türen in den Mikro- und Makrokosmos geöffnet, wie es vermutlich kein anderes Lebewesen erlebt. Dieses Gehirn ist das Produkt der Evolution, wie alles auf diesem Planeten. Die Evolution geht weiter mit und durch uns und ohne uns.

      Es hat Millionen von Jahren gedauert, bis Lebewesen auf zwei Beinen gehen konnten. Homo sapiens war der Sieger. Der aufrechte Gang und die höhere Entwicklung des Gehirns gehen Hand in Hand. Der Mensch ist das einzige Säugetier, das aufrecht geht. Der Vorteil ist offensichtlich. Wir bekommen die Hände frei, etwa um Feuer zu machen, Gegenstände zu bearbeiten, um an Nahrung zu kommen und Waffen

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