Die geheimnisvolle Nähe von Mensch und Tier. Immanuel Birmelin
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Freundschaft zwischen Mensch und Oktopus? Die gibt es tatsächlich.
Oktopus Amadeus
Plötzlich und völlig unerwartet schaut mich Amadeus mit großen Augen an und fuchtelt mit seinen Extremitäten. Er muss etwas loswerden und fährt mich mit scharfem Ton an: »Das ist wieder typisch für euch Menschen. Du hast uns Wirbellose völlig vergessen. Auch wir Oktopusse bauen Freundschaften auf. Einer meiner Kollegen hat mit einer jungen Kamerafrau Freundschaft geschlossen. Er kommt im Film ›Wenn die Tiere reden könnten ...‹ von dir und Volker Arzt sogar vor. Wie konntest du so etwas vergessen!«
Die Darsteller sind Natalie, die Kamerafrau, und der Oktopus Ödipus. Amadeus hat recht. So eine Beziehung zwischen Mensch und Tier war meiner Gedankenwelt völlig fern. Tauchen wir unter und beobachten Natalie. Sie schwimmt direkt zur Höhle von Ödipus. Er bemerkt sie und verlässt seine Höhle. Was er bei einer fremden Person nie machen würde. Die Höhle bietet ihm Schutz vor Feinden, und wir Menschen gehören in aller Regel dazu. Er schwimmt furchtlos auf Natalie zu und umarmt sie mit seinen acht Armen. An jedem Arm sind zwei Reihen wehrhafter Saugnäpfe und solche, mit denen er sie beriechen und betasten kann. Was er sorgfältig tut, er beriecht ihren Anzug und ihre Hände. Und was er dort wahrnimmt, scheint er zu genießen. Oktopusse sind viel einfacher gebaut als Säugetiere. Sie sind verwandt mit Schnecken und Muscheln, und dennoch haben diese Geschöpfe Gefühle. Dass dieser Oktopus Freundschaft mit Natalie geschlossen hat, ist ganz offensichtlich. Die beiden schwimmen im Meer. Er hält sich an ihren Armen fest, und sie schauen sich tief in die Augen. Ich weiß nicht mehr, wie lange die Begegnung dauerte, aber ich glaube, sie waren etwa 30 Minuten zusammen. Als Natalie ihn in die Höhle zurücksetzte, protestierte der Oktopus. Er hielt sich immer wieder an Natalie fest und wollte sie nicht loslassen. Aber Natalie musste ihn verlassen, ihr ging die Luft aus. Wann immer es ihr möglich war, besuchte sie ihren Freund Ödipus. Oktopusse gehören zu den unterschätzten Tieren. Wir werden noch über ihre geistigen Leistungen staunen.
Eine Idylle in der Schweiz
Meine Frau und ich kommen gerade aus der Serengeti zurück. Wir haben Bilder im Kopf, die wir niemals vergessen. Wir riechen sie noch, wir genießen es, alleine mit den Tieren und der Landschaft zu sein. Ein Bild des Friedens prägte sich in unsere Köpfe ein. Über was wir immer wieder sprechen, ist die Angst der Menschen, die sie vor diesen wilden Tieren haben. Sicherlich töten Löwen, Leoparden und Geparden andere Mitbewohner der Steppe. Aber der Grund liegt auf der Hand, auch sie müssen fressen. Sie töten nicht aus Lust und Tollerei wie wir Menschen. Wir atmen den morgendlichen Frieden ein und beobachten, wie viele Tierarten zusammen auf diesem Fleckchen Erde leben. Ein Traum, aber was hat dieser Traum mit der Schweiz zu tun?
Wir sind bei Monika eingeladen. Sie wohnt in der herrlichen Schweiz. Als wir uns dem eingezäunten Grundstück nähern, werden wir von zwei Schweinen und Pferden begrüßt. Eines der Pferde streckt seinen Kopf über den Zaun und wiehert. Wir treten ein. Eine ganze Menagerie von Tieren betrachtet uns. Hunde, Katzen, Pferde, Ponys, Schweine und ein Fuchs. Sie leben friedlich beieinander. Monika darf nicht fehlen. Herzlich werden wir von ihr begrüßt. Einige der Mitgeschöpfe sind bei ihr gestrandet und haben das große Los gezogen. Die Bindung, die sie zu den Tierpersönlichkeiten aufbaut, ist phänomenal. Das Zusammenleben erinnert mich an die Serengeti. Man spürt den Frieden. Auch die Pferde dürfen Monika in ihrem Haus besuchen. Eines von ihnen hat gelernt, die Tür zu öffnen und Monika beim Futterzubereiten über die Schulter zu gucken. Zur Essenszeit kommen auch die Schweine ins Haus. Sie fordern ihr Futter ein, aber bevor es etwas zu fressen gibt, muss Eber Ferdinand »Sitz« machen wie ein Hund. Der Schäferhund-Mix Teddy sitzt neben Schwein Ferdinand. Beide schauen Monika artig an und betteln mit ihren Blicken um Futter.
Sind die Bäuche voll, zieht sich Ferdinand zurück, um ein Nickerchen zu machen. Was ist dabei besser geeignet als Monikas Schlafstube. Ein Sprung ins Bett und die Beine strecken, was gibt es Schöneres? Wenn Monika sich dazulegt, liegen beide im Bett und genießen den Abend. Eine Stunde später vielleicht schleichen sich zwei wilde Füchse ins Haus. Monika hat extra für die beiden eine Öffnung in die Tür gesägt. Wie selbstverständlich erwarten sie ihr Futter. Alle sind sie vereint. Ein Ort des Friedens und der Toleranz. Wir können viel von Monika lernen. Vielleicht ist ihre wichtigste Botschaft: Habe Respekt vor unseren Mitgeschöpfen, auch sie haben ein Recht, auf diesem Planeten zu leben.
Wer passt zu wem? Partnerwahl
Wer hätte sich diese Frage in seinem Leben nicht schon gestellt? Neue Erkenntnisse zur Biologie der Partnerwahl bei Mensch und Tier sind überraschend, aber auch ernüchternd. Eines der erstaunlichsten Experimente der Natur ist das Zusammenführen unterschiedlicher Geschlechter, um sich fortzupflanzen. Bei vielen wirbellosen Tieren hält sich das Wunder in Grenzen, denn sie paaren sich mit dem Nächstbesten, dem sie in der Fortpflanzungsphase zum richtigen Zeitpunkt begegnen. Aber Wirbeltiere, besonders Vögel und Säugetiere, sind wählerisch. Sie stellen Anforderungen an den Partner. Ein sich geschlechtlich fortpflanzendes Tier muss sich um einen geeigneten Partner bemühen.
Wer ist der Beste?
Seit vielen Jahren lebe ich mit einer Wellensittichschar zusammen und beobachte meine kleinen Freunde genau. Immer wieder frage ich mich, wie sie zusammenfinden und wie sie entscheiden, wer zu wem passt. Heute wissen wir mehr.
Wellensittiche sind in der Lage, lebenslang neue Laute zu lernen. Das hilft ihnen beim Wettstreit um die Gunst der Weibchen, denn die Weibchen bevorzugen denjenigen, der am besten ihre eigenen Laute nachahmen kann. Die Damen beurteilen also, wie gut der Freier den neuen Gesang gelernt hat. Die Lernfähigkeit der Männchen bezüglich des Gesangs steht unter einem harten Auswahlverfahren. Mir ist kein Beispiel im Tierreich bekannt, wo die Lernfähigkeit so eindeutig selektiert wird.
Aber Wellensittichdamen sind wählerisch. Außer seiner Gesangsbegabung muss das Männchen auch das entsprechende Outfit haben.
Es war eine kleine Überraschung, als E. Zampiga vom Konrad-Lorenz-Institut in Wien entdeckte, dass Wellensittiche auf Reinlichkeit Wert legen. Sie bevorzugen Männchen, deren Backengefieder sauber ist. (Quellennachweis, Zampiga/Hoi /Pilastro, >) An den Reinlichkeitssinn der Vögel wollte niemand glauben. Man vermutete eher, dass ein sauberes Gefieder das Licht besser reflektiert. Diesen Gedanken verfolgte die Biowissenschaftlerin Dr. Kathryn Arnold mit ihren Kollegen von der University of York. Sie fand heraus, dass die Weibchen bei der Partnerwahl Männchen mit fluoreszierendem Gefieder bevorzugen. In trickreichen Versuchen konnte er zeigen, dass das Backengefieder UV-Licht absorbiert und das Fluoreszenzlicht reflektiert. Die gelben Federchen strahlen dann viel heller und glänzender. (Quellennachweis, Arnold, >)
Einen ähnlichen Effekt erleben Sie in einer blau ausgeleuchteten Disco, deren Licht einen hohen UV-Anteil besitzt. Weiße Kleidung strahlt dann stärker. Für die Damen sind die »Strahlemänner« die gesünderen und besseren Väter. Die Männchen, so scheint es, sind bescheidener. Zumindest bei den Wellensittichen. Sie bevorzugen Weibchen, die schon einen Brutkasten oder eine Höhle gefunden und erobert haben. Das klingt berechnend, auch wenn es nicht bewusst geschieht.
Gefühle für den Partner spielen bei diesen Erklärungen der Partnerwahl keine Rolle. Aber ich glaube, das ist nicht die vollständige Erklärung, sondern sie sind einzelne Blumen in einem Strauß von Eigenschaften. Die Wellensittichdame Mini hat mir die Augen geöffnet. Sie zeigte mir, dass bei diesen kleinen bunten Vögeln auch Gefühle im Spiel sein könnten. Mini musste