Die geheimnisvolle Nähe von Mensch und Tier. Immanuel Birmelin

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Die geheimnisvolle Nähe von Mensch und Tier - Immanuel Birmelin

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von Pavianen in Kenia. (Quellennachweis, Smuts, >) Ihre Freilanduntersuchungen zeigten eindeutig, dass Paviane Freundschaften entwickeln und dass die Fähigkeit dazu von der Persönlichkeit des Tieres abhängt, obwohl sie promiskuitiv sind. Von Promiskuität spricht man, wenn sich beide Geschlechter nacheinander mit wechselnden Partnern paaren.

      Paviane paaren sich mit mehreren Weibchen und die Weibchen mit mehreren Männern. Das war die allgemeine Vorstellung vom Sexualverhalten der Paviane. Aber nachdem man Tausende Kopulationen beobachtet und die Daten ausgewertet hatte, stellte man fest, dass es Paarbindungen gibt. Die Weibchen wählen sich ihren Sexualpartner. Wer wird der Auserwählte? Es ist derjenige, mit dem das Weibchen befreundet ist. Diese Entdeckung war so überraschend wie sensationell.

      Hier einige Ergebnisse von Barbara Smuts Forschungsarbeit:

      1. Unabhängig vom Alter oder von der Dominanzstellung innerhalb der Gruppe haben Pavian-Weibchen meist ein oder zwei männliche Freunde, mit denen sie sich paaren.

      2. Männliche Paviane dagegen haben meist gar keine oder manchmal bis zu acht Freundinnen. Gleichgültig, ob dominant oder nicht, die Anzahl der Freundinnen ist davon nicht abhängig.

      3. Die Freundschaft der beiden Tiere überträgt sich auch auf die Kinder, selbst wenn das Männchen nicht der Vater war. Barbara Smuts berichtet von einem Fall, bei dem die Mutter einige Wochen nach der Geburt starb. Wenn das Kind weinte, hörte der Freund sofort auf zu fressen, ging zu dem Affenkind, gab Töne von sich und knuddelte es. Es durfte immer unter seinem Schutz fressen. Der Freund hatte eine Bindung zu dem Kind aufgebaut.

      4. Die Freundschaft der Mutter führt dazu, dass das Männchen Freundschaft mit den Kindern schließt. Der Freund verteidigt Mutter und Kind gegen andere angreifende Paviane.

      5. Wir halten fest: Pavianweibchen paaren sich mit mehreren Männchen, ob Nichtfreund oder Freund, aber in der Regel ziehen sie bei der Wahlmöglichkeit zwischen Freund und Nichtfreund den Freund vor. Oder kurz und knackig, wie es Barbara Smuts formulierte: Sex und Freundschaft gehen Hand in Hand.

      Freilandforschung ermöglicht eine neue Sicht auf unsere Mitgeschöpfe. Der Forscher lernt die Tiere als Individuen kennen. Er weiß, welch wichtige Rolle die Persönlichkeit bei seinen wissenschaftlichen Aussagen spielt. Durch das tägliche Zusammensein entwickelt sich Respekt vor den Mitgeschöpfen. Man erlebt sie in ihrem Umfeld, in ihrer Gruppe, in der sie interagieren. Daher nimmt es nicht Wunder, dass Forscher, die jahrelang das Leben der Tiere in freier Wildbahn studierten, beobachteten, dass manche Individuen einer Gruppe häufiger miteinander Kontakt hatten als andere. Dass Affen, darunter auch unsere nächsten Verwandten, freundschaftliche Bindungen mit ihrem Artgenossen eingehen, war oft nicht einfach wissenschaftlich festzustellen, aber keine allzu große Überraschung.

      Freundschaft bei Huftieren

      Die Biologin Anja Wasilewski untersuchte in ihrer Doktorarbeit, ob Pferde, Esel, Rinder und Schafe untereinander Freundschaften bilden. Es gelang ihr, Freundschaften bei diesen vier Tierarten nachzuweisen und erstmals quantitativ zu analysieren. Frau Wasilewski konnte auch zeigen, warum diese Tiere Freundschaften aufbauen. Wer Freunde hat, kommt leichter durchs Leben. Zwei Tiere finden in Notzeiten leichter Futter, und wenn sie darum nicht konkurrieren, hat jeder etwas davon. Zum anderen zeigte sie, dass Freundschaften psychische Bedürfnisse befriedigen und ein Gefühl von Sicherheit und Vertrautheit vermitteln.

      Erkennen Büffel ihr totes Herdenmitglied?

      In der Serengeti hatte ein Rudel von 19 Löwen einen Büffel gerissen und gefressen. Ein Löwe bewachte den Rest der Beute, während die anderen etwa 300 Meter entfernt unter einer Schirmakazie ihre vollgefressenen Bäuche gegen den Himmel streckten und dösten. Nach Stunden tauchte wie aus dem Nichts eine Herde von Büffeln auf und vertrieb den wachenden Löwen und die schlafenden Familienmitglieder. Was sich jetzt abspielte, konnte ich mir zuvor nicht vorstellen.

      Die Büffel standen um den Leichnam herum, einige von ihnen berochen ihn, andere versuchten mit den Hörnern den toten Büffel aufzurichten, andere leckten an ihm. Die Stimmung war eigenartig. Alle Handlungen verliefen sehr ruhig. Man hatte den Eindruck, als ob die Büffel trauerten. Die Bewegungen waren relativ langsam. Immer wieder näherten sie sich, gingen weg und kamen wieder. Ich werde den Verdacht nicht los, dass es sich um Trauer handelte. Was für eine starke Bindung zu ihrem Artgenossen sprechen würde.

      Gedankenspiel

      Freundschaftliche Bindung hat für viele Tierarten große Vorteile im Überlebenskampf. Mütter und Kinder können zum Beispiel vor Angreifern und Feinden geschützt werden. Freundschaft ist für in Gruppen lebende Tiere auch ein Werkzeug der Evolution und findet sich nicht nur beim Menschen. Freundschaftliche Bindungen findet man beispielsweise bei Pferden, Elefanten, Hyänen, Delfinen, Affen und Menschenaffen. Bei einigen von diesen Individuen kann die Freundschaft Jahre bestehen. Wie eng die Freundschaft ist, hängt von der Persönlichkeit des einzelnen Tieres ab. Freundschaft existiert zwischen Weibchen, zwischen Männchen oder zwischen Männchen und Weibchen. Leben die Weibchen weit verstreut voneinander, dann schließen die Männchen Freundschaften. Manchmal ist die Freundschaft von kurzer Dauer und tritt nur auf, wenn die Tiere zusammenarbeiten müssen, etwa wenn es gilt, einen Eindringling, der in die Gruppe aufgenommen werden will, gemeinsam zu verdrängen.

      Freundschaft gründet sich oft auf gemeinsamen guten Erinnerungen oder auf guten Gefühlen, die man im Beisein des anderen hat. Das gilt nicht nur für Menschen, sondern auch für Tiere, daher ist es nicht gerechtfertigt, Tieren freundschaftliche Verbindungen abzusprechen. Das ist heute die Auffassung vieler Verhaltensbiologen, vor allen Dingen derjenigen, die Tiere über Jahre in der Wildnis beobachtet haben. Viele Studien haben gezeigt, dass Tiere innerhalb einer Gruppe erkennen, wer wessen Freund ist. Freundschaft ist adaptiv. Männchen mit Freunden haben Fähigkeiten, die sie im Wettbewerb um Ressourcen oder Weibchen begünstigen. Sie haben mehr Nachkommen. Weibchen mit lang andauernden engen Freundschaften sind weniger stressanfällig, leben länger, und von ihren Kindern überleben mehr.

      Konsequenzen für die Tierhaltung

      Jeder Tierhalter sollte die Freundschaften seiner Schützlinge berücksichtigen, denn sie tragen zum Wohlergehen des jeweiligen Tieres bei. Tier-Freundschaften erleichtern das Verarbeiten von Stresssituationen. Zusammenhänge zwischen sozialer Fellpflege und Entspannung sind bei verschiedenen Tierarten, vor allen Dingen bei Primaten, in der Literatur beschrieben worden. Feh und de Mazières haben gezeigt: Beknabbert werden ist bei Pferden nachweislich mit einem Absinken der Herzschlagfrequenz gekoppelt, was als ein zuverlässiger Indikator für die stressmindernde Wirkung der sozialen Fellpflege angesehen wird. (Quellennachweis, Feh/de Mazières, >).

      Einen beruhigenden, entspannungsfördernden Effekt des Belecktwerdens bei Rindern belegten Wood (1977) und Sato (1984). Entspannung wiederum ist ein wichtiger Bestandteil des Wohlbefindens, und Tiere, die sich wohlfühlen, sind nachweislich gesünder und produktiver. Aber nicht nur physische Kontakte, wie sie bei der sozialen Fellpflege stattfinden, sondern allein die Nähe des Freundes hat eine stressmindernde Wirkung. Das bedeutet letztendlich: Tiere mit Freunden sind besser adaptiert und erfolgreicher.

      Praktische Empfehlungen von Anja Wasilewski, wie man auf die Freundschaftsbeziehung Rücksicht nehmen kann:

      1. Umgruppierungsentscheidungen sollten so getroffen werden, dass bestehende Bindungen aufrechterhalten werden können.

      2. In der Praxis wird es selten möglich sein, die Beziehungsgefüge vollständig zu erhalten. Es sollte darauf geachtet werden, dass Tiere nicht einzeln umquartiert werden, sondern idealerweise soziale Einheiten, möglichst aber mindestens ein Paar guter

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