VIRUS KILLER. Werner Sonne
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Peter Conrad ist tief gefallen: gestern noch erfolgreicher Investmentbanker, jetzt nach einem Steuerskandal arbeitslos. Seine Ehe gescheitert, seine Welt zusammengebrochen. Er hat nur noch einen Anker, der ihn davor bewahrt, endgültig unterzugehen: Ewa. Sie ist zwar eine Prostituierte, aber Conrad will ganz fest glauben, dass sie trotz allem nur ihn wirklich liebt. Allerdings geht ihm zunehmend das Geld aus, um sie zu bezahlen. Da kommt ihm ein überraschender Anruf sehr gelegen. Ein Mann mit amerikanischem Akzent bietet eine Million Dollar, wenn Conrad mit seinen Kenntnissen die Biotechfirma NEWTEC in eine Übernahme durch einen großen ausländischen Investor aus Asien führt. Und zwar an den strengen Abwehrregeln der Politik vorbei. Nach der Virus-Krise ist NEWTEC dabei, einen Impfstoff zu entwickeln, und verspricht, Milliardengewinne abzuwerfen, wenn das gelingt.
Conrad stimmt zu, aber er kann nicht ahnen, auf was er sich einlässt, wie viele Menschen dabei zugrunde gehen und welche Krisen er auch in der Berliner Politik auslösen wird. Wird es ihm gelingen, diesen Coup durchzuziehen und seine Liebe zu Ewa zu retten?
Werner Sonne
VIRUS KILLER
Bis dass der Tod Euch scheidet
© 2020 Werner Sonne
Verlag & Druck:
tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg
ISBN
Paperback: | 978-3-347-12824-8 |
Hardcover: | 978-3-347-12825-5 |
E-Book: | 978-3-347-12826-2 |
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Kapitel 1
Frankfurt
Ihr Duft hing noch im Raum, schwer und süß. Wie jedes Mal hatte sie ihn mit schnellen Bewegungen über ihren Oberkörper versprüht. Mit Parfums kannte er sich nicht aus, aber er glaubte Dior auf dem gläsernen Flacon gelesen zu haben. Dann war sie gegangen, ohne sich umzusehen.
Einen Moment lang hatte er fast instinktiv seine Arme nach ihr ausstrecken wollen. Als könne er sie halten. Aber da war die Tür schon ins Schloss gefallen und sie war verschwunden.
Das Geld hatte er wie immer in einen Briefumschlag gesteckt, diskret, wie er glaubte. 500 Euro. Sie hatte es sofort an sich genommen, kommentarlos, noch bevor sie sich ausgezogen hatte, und es in ihre Handtasche gesteckt. Auch mit Handtaschen kannte er sich eigentlich nicht aus, aber dieses Modell war ihm vertraut. Die indische Verkäuferin in der Mall of Dubai hatte sie ihm so sehr empfohlen, als er sie nach etwas Besonderem gefragt hatte. Die 'Lady D-Lite' Tasche bringe vollendete Eleganz und Schönheit zum Ausdruck, hatte sie gesagt, und er hatte genickt. 3500 Euro zeigte das Preisschild damals, als das für ihn noch kein großes Ding war. Schwarz war sie, mit goldenen Dior-Buchstaben, die vom Tragegriff herunterhingen.
Das war vor einem Jahr gewesen, als er in Dubai im Auftrag der Bank einen Scheich aus Saudi-Arabien getroffen hatte, einen der vielen Prinzen aus dem großen Königshaus. Sie waren sich schnell einig gewesen über das Geschäft – den Kauf einer Hotelkette. Die Bank hatte den Kredit sofort gewährt und für ihn war ein Bonus dabei herausgesprungen.
Als er zurück in Frankfurt war, hatte er die Tasche auf den Nachttisch des luxuriösen Doppelzimmers in dem nicht minder eleganten Hessen Palais gestellt, in dem sie sich seit fünf Monaten regelmäßig trafen. Er hatte Ewa dort an der Bar aufgegabelt. Oder sie ihn, bei genauer Betrachtung.
Ewa, Ewa Oksana, aus Kiew. Auch nach zehn Jahren hatte ihr Deutsch den ukrainischen Akzent. Er fand ihn exotisch. Er fand alles an ihr exotisch, attraktiv. Und natürlich sexy. Ihr langes blondes Haar, das sie für ihn herabfallen ließ, wenn sie zusammen waren, ihre breiten Hüften, ihre Rundungen, alles, alles, alles. Natürlich hatte ihm sein Kopf gesagt, dass sie ihr Geld damit verdiente, mit anderen Männern zu schlafen. Aber, so versuchte er einen rationalen Gedankengang daraus zu machen, auch er hatte geschäftlich mit Kunden zu tun, die er nicht unbedingt mochte. Das war eben sein Beruf. Manche von ihnen waren, das war ihm klar, sogar Kriminelle, nur eben im ganz großen Stil. Man nannte sie dann Oligarchen, was nichts anderes bedeutete, als dass sie sich beim großen Umbruch in ihren Ländern in Osteuropa schamlos bereichert hatten und ständig auf der Suche nach profitablen Anlagen für ihr Geld waren, am besten schwarz. Er wusste, der Vergleich mit Ewa hinkte. Er gab diesen Männern seinen Sachverstand, sie gab Männern ihren Körper. Zumindest hatte er es sich anfangs genauso zurechtgelegt, als er noch glaubte, für sich selber eine Rechtfertigung finden zu müssen und für sie eine Erklärung. Doch inzwischen hatte er diese mühsame, ja quälende Suche nach einer überzeugenden Begründung eingestellt. Sie war da und das war es, was er brauchte. Jetzt mehr denn je.
Seit ihrer ersten Begegnung hatten sie sich regelmäßig im Hessen Palais getroffen, oder ziemlich regelmäßig, soweit seine zahlreichen Reisen für die Bank es eben zuließen. Dubai, London, New York, Singapur, die Cayman Islands, das war seine Welt. Er drehte das große Rad, Millionen, viele Millionen, und gelegentlich ging es dabei auch um Milliarden. Investmentbanking hieß die Abteilung und er war einer ihrer Stars.
Am Anfang hatte er noch versucht, seine Treffen mit Ewa vor Ingrid geheim zu halten, hatte sich um Ausreden bemüht, um Erklärungen. Aber dann war es ihm mehr oder weniger egal geworden, je öfter er Ewa sah. Er hatte Ingrid wunschgemäß eine Sauna in ihr geräumiges Haus in Kronberg einbauen lassen, im Garten einen Swimmingpool, hatte ihre teure Aufnahmegebühr in den Golfclub bezahlt und irgendwie hatten sie den Schein gewahrt, wenn sie ihn gelegentlich noch zu den Empfängen begleitete, die die Bank für ihre bevorzugten Kunden veranstaltete.
Jetzt wohnte Ingrid immer noch in dem großen Haus und er hatte sich ein Zwei-Zimmer-Apartment in der Frankfurter Innenstadt nehmen müssen. Sie hatte keinen Moment gezögert, als die Bank ihn rausgeworfen hatte. Zwei Tage später hatte Ingrid die Scheidung eingereicht. Kurz darauf kam der Brief von ihrem Rechtsanwalt mit detailliert aufgelisteten finanziellen Ansprüchen. Eigentlich wäre einiges an Geld zu verteilen gewesen, selbst angesichts ihrer ungeheuerlichen Forderungen. Aber eben nur eigentlich, denn die Staatsanwaltschaft hatte seine Konten einfrieren lassen und wenn der Richter gegen ihn entscheiden würde, dann wären Strafzahlungen in Millionenhöhe fällig. Das wäre sein Ende: finanziell, gesellschaftlich, beruflich.
Cum-Ex, Cum-Ex, Cum-Ex. Der Begriff drehte sich immer wieder in seinem Kopf herum. Das verdammte Cum-Ex. Lange hatten ihn die Juristen in der Bank beruhigt, genau wie den Vorstand. Das große Steuermodell, bei dem die Anleger die Erstattungen für die nicht gezahlten Steuern gleich zweimal vom Finanzamt kassierten, sei doch legal. Es habe doch jahrelang funktioniert, Milliardengewinne eingebracht und der Staat habe immer weggeschaut. Doch als dann der Staatsanwalt aus Bonn, wo das Verfahren lief, mit dem Durchsuchungsbefehl vor der Tür stand und die Unterlagen kartonweise aus seinem und anderen Büros abholte, als die Fernsehteams die Aktion vor der Bank filmten, als plötzlich Cum-Ex das große schmutzige Wort wurde, als auch die Politik in Berlin unter Druck geriet, da reagierte die Bank schnell. Am nächsten Morgen lag das Kündigungsschreiben auf seinem Schreibtisch. Man gab ihm eine Stunde, sein Büro auszuräumen. Bauernopfer, dachte er, du bist das verdammte Bauernopfer.
Ewa hatte am nächsten Tag die BILD-Zeitung mitgebracht und sie stumm auf den Nachttisch gelegt, die Schlagzeile und das Foto von ihm, dem gefeuerten Spitzenbanker, nach oben.