Der Regisseur. Mein Buch, dein Tod.. Sarah Markowski

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Der Regisseur. Mein Buch, dein Tod. - Sarah Markowski Nils Johansen und Arne Lassen

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zusammen, als Oliver ihre Hand berührt. Sie hat gar nicht bemerkt, dass er sich neben sie auf die Bettkante gesetzt hat. Sie schaut an ihren Beinen hinunter, die neben seinen vom Bett hängen, als wären es zwei mit Wasser gefüllte Gummischläuche in Jeans.

      „Was, wenn ich nie wieder laufen kann?“

      „Das glaube ich nicht“, antwortet Sabrina und fährt ihr sanft über den Kopf. Sie ist mit achtundzwanzig Jahren zwar noch deutlich zu jung, um Kinder in Helenas Alter zu haben, doch da sie die Älteste hier im Raum ist, hat sie automatisch die Mutterrolle übernommen, und erledigt ihren Job ziemlich gut; auch wenn ihr das zu Beginn niemand zugetraut hätte. „Sicherlich hast du dir nur einen Nerv eingeklemmt. Das legt sich mit der Zeit von selbst wieder, glaub mir.“

      Das waren genau die Worte, die Helena in diesem Moment gebraucht hat. Sie würde ihr so gerne glauben, aber das beruhigende Gefühl hält nicht lange an.

      „Bis wohin spürst du denn nichts?“, erkundigt sich Julius und setzt den wissenschaftlichsten, analysierendsten Blick auf, den er zu bieten hat. Helena schaut an sich hinunter und deutet mit der flachen Hand eine Linie ungefähr auf der Höhe ihres Bauchnabels an.

      „Ab da geht es. Untendrunter ist alles taub.“

      Julius nickt. Er knetet seine Lippe, als ginge er im Kopf das medizinische Klassifikationssystem für sekundäre körperliche Behinderungen durch.

      „Das spricht alles für eine Querschnittlähmung.“

      „Julius!“

      Oliver springt vom Bett auf, als habe jemand ein Feuer unter seinem Hintern gezündet. „Es reicht jetzt! Du bist weder Arzt noch Physiotherapeut oder sonst ein Experte, der sich das Recht herausnehmen kann, hier und jetzt irgendwelche Diagnosen zu stellen!“

      Julius weicht alarmiert zurück und hebt abwehrend die Hände.

      „Mein Vater ist Arzt.“

      „Dein Vater ist ZAHN-Arzt!“

      Er zuckt mit den Schultern und macht ein gleichgültiges Gesicht.

      „Trotzdem kennt er sich mit Taubheit aus.“

      „Mit Zahn-Taubheit vielleicht!“

      Oliver stampft fest auf dem Boden auf, wedelt mit den Armen durch die Luft und wendet sich dann erbost von Julius ab. „Zumindest hoffe ich das für ihn und seine Patienten.“

      „Oliver“, nun ist es Sabrina, die das Reden übernimmt. „Der Junge ist erst neunzehn. Er weiß es nicht besser.“

      „Erst neunzehn?!“, fährt Oliver Sabrina an, entschuldigt sich aber sofort für seinen Tonfall. „Der Junge darf wählen, Autofahren, und in der Schule seine eigenen Fehlzettel unterschreiben! Er spielt Golf, Polo und fliegt im Flugzeug erste Klasse.“

      „Cockpit“, bringt Julius vorsichtig an. „Mein Onkel ist Pilot.“

      Bevor Oliver darauf eingehen kann, übernimmt Sabrina das Wort und stellt sich geschickt zwischen die beiden Streithähne; wohl wissend, dass es sonst vermutlich bald zu Handgreiflichkeiten gekommen wäre.

      „Julius wollte sicher nur helfen, nicht wahr?“

      Der Junge nickt zustimmend und bringt sich unauffällig in Sabrinas Schatten in Sicherheit.

      „Helfen…“, Oliver schüttelt ungläubig den Kopf. „Dann denk beim nächsten Mal gefälligst nach, bevor du helfen willst, und verunsichere sie nicht noch mehr, als sie es sowieso schon ist.“

      Helena mischt sich nicht in die Diskussion ein, doch sie ist dankbar über Olivers Worte, über Sabrinas Schlichtungstalent und sogar ein bisschen über Julius‘ guten Willen zum Helfen. Tief in ihrem Inneren hat sie es tatsächlich schon geahnt, doch irgendeine Mauer hat es seit dem schrecklichen Sturz vor ihr abgeschirmt.

      Jetzt, da Julius es laut ausgesprochen hat, hängt das Wort im Raum, wie ein unsichtbarer Vorhang, der Helena von allen Seiten umhüllt.

       Querschnittlähmung.

      Montag, 01.07.2019, 08: 50 Uhr

      - Mara -

      „In zehn Minuten ist es soweit.“

      Simone Hirsch fegt über den Rasenplatz und verteilt genauso viel Aufregung wie Anweisungen. Es ist ihr erstes Jahr als Leiterin der Kinderfreizeit, die sie bisher immer nur hinter den Kulissen mit organisiert hat. „Wo ist Michael?“

      Ich deute mit ausgestrecktem Arm in Richtung Wasser, wo ihr Ehemann gerade den Steg absperrt.

      „Nicht, dass direkt am Anfang schon ein Kind baden geht“, hat er mir erst vor zwei Minuten erklärt, als ich ihm das dicke Schiffstau gebracht habe.

      „Danke Mara!“, ruft mir Simone zu, während sie an mir vorbei auf ihren Ehemann zu sprintet. Mitten im Laufen bleibt sie plötzlich stehen und dreht sich noch einmal zu mir herum. „Was ist eigentlich mit der Biertischgarnitur?“

      Ich lehne mich zurück und luge um die Ecke.

      „Die Bänke stehen schon, die Tische werden gerade aufgebaut.“

      Sie schenkt mir einen Daumen nach oben, während sie schon wieder in Bewegung ist. Ich widme mich währenddessen weiter den bunten Wimpeln, die ich an Holzpfählen befestige und einmal quer über den Grillplatz spanne. Leonie hält das andere Ende der Leine in den Händen und verzweifelt ebenso wie ich an den vielen Knoten im Seil. Aufgrund mangelnder Zeit bis die Kinder kommen, beschließen wir kurzerhand, das Problem Problem sein zu lassen, und die Wimpelkette so aufzuhängen, wie sie im Moment ist.

      „Sieht doch gut aus“, stelle ich zufrieden fest, während ich unser Werk aus der Ferne betrachte. „Die Knoten fallen doch kaum auf.“

      „Wenn man nicht weiß, dass alle Wimpel mit der Spitze nach unten hängen sollten.“

      Leonie stemmt die Hände in die Hüften und wiegt den Kopf unentschlossen hin und her. „Dann kaum.“

      Ich gebe ihr ein High Five und wir machen uns zusammen auf den Weg in Richtung Vereinshaus. Die Hütte ist zwar etwas zu klein, um den Namen verdient zu haben, aber da es das einzige Gebäude auf dem Platz ist, ist der Name wohl gerechtfertigt. Von Weitem höre ich schon Kindergeschrei, das immer lauter wird, je näher wir dem Parkplatz kommen. Aufgedrehte Kinder schnattern wild durcheinander und wuseln zwischen ihren Eltern umher, die mindestens genauso aufgeregt sind wie ihre Sprösslinge.

      „Herzlich willkommen!“

      Simone und Michael nehmen sowohl Kinder als auch Eltern in Empfang und beantworten seelenruhig alle Fragen. Sofort fühle ich mich in meine Kindheit zurückversetzt, als ich eines der kleinen Mädchen war, die schüchtern an den Beinen ihrer Eltern hingen, am Ende des Tages aber doch den größten Spaß ihres Lebens hatten. Aus der Ferne winkt mir jemand zu, und beim genaueren Hinsehen erkenne ich meine Eltern, die Malte und Emilia hierher bringen, und Larissa, die nach dem Aufbau gerade kurz nach Hause gegangen ist, um ihre beiden Geschwister abzuholen. Da sie zusammen mit ihrem Papa hier in Greetsiel wohnen, ist es für die drei nur ein Katzensprung.

      „Sei schön brav und hör‘ auf die Erwachsenen“, „Mama holt dich heute Abend wieder

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