Der Regisseur. Mein Buch, dein Tod.. Sarah Markowski

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Der Regisseur. Mein Buch, dein Tod. - Sarah Markowski Nils Johansen und Arne Lassen

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desto schlimmer wird es. Helena denkt über die Worte des Unbekannten nach.

       Geeignet.

      Sie tritt nach vorne, sieht den Abgrund. Es ist viel höher.

       Überprüfung.

      Sie schließt die Augen und springt.

       Fehlgeschlagen.

      Der Aufprall. Gebrochene Knochen, Kribbeln.

       Unbrauchbar.

      Ein nicht aufhörendes Echo in ihrem Kopf.

      Helena schaut an sich hinunter, tippt auf ihre Beine, spürt nichts. Taub, aber immerhin sind die Schmerzen weg.

      Montag, 01.07.2019, 07: 01 Uhr

      - Mara -

      „Mara!“

      Als ich die Augen öffne, liegt Leonie bäuchlings auf der Matratze auf dem Boden, das Kissen fest auf die Ohren gedrückt. „Mach‘ doch bitte mal das Teufelsding aus!“

      Larissa steht neben meinem Bett und hantiert am laut schrillenden Wecker herum.

      „Machst du den nie aus?“

      „Meistens überhöre ich ihn“, gebe ich wahrheitsgemäß zu.

      „Das haben wir auch gerade gemerkt.“

      Leonie befreit sich von dem improvisierten Lärmschutz aus Kissen und Bettdecke.

      „Und wie schaffst du es dann, trotzdem jeden Morgen pünktlich in die Schule zu kommen?“

      „Das wüsstest du wohl gerne“, gebe ich grinsend zurück. Die Frage musste von Larissa kommen, zu deren Stärken Pünktlichkeit nicht gerade zählt. „Aber überzeug dich selbst.“

      Die Frage, die ihr Blick daraufhin ausdrückt, beantwortet sich nur zwei Sekunden später von selbst. Getrampel auf der Treppe, Poltern auf dem Flur, zwei zu laut flüsternde Stimmen, als dass man sie nicht verstehen könnte:

      „Ich bin dran.“

      „Nein, du durftest gestern schon!“

      „Stimmt doch gar nicht!“

      „Stimmt wohl!“

      Anscheinend konnte sich Emilia gegenüber ihrem Zwillingsbruder Malte durchsetzen, denn als die Tür mit einem Ruck auffliegt, ist sie die erste, deren Indianergeschrei abrupt verstummt und die völlig überrascht im Türrahmen stehen bleibt.

      „Attacke!“, schreit Malte als vollem Halse. „Auf sie mit Gebrüll!“, doch auch er hält mitten in der Bewegung inne, als er die beiden Gesichter erblickt, die nicht in dieses Zimmer gehören.

      „Guten Morgen“, flöte ich übertrieben freundlich und freue mich insgeheim, dass ich heute diejenige mit der Überraschung bin. Normalerweise sind es die Zwillinge, die mich, seit sie die Treppen erklimmen können und groß genug sind, um die Türklinke zu erreichen, morgens unsanft aus dem Bett schmeißen. „Lasst mich raten, ihr habt vergessen, dass ich Besuch habe?“

      „Nein.“

      Emmi schüttelt energisch den Kopf, bringt ein zerknirschtes Grinsen zustande und rennt dann schnell ihrem Bruder hinterher, der schon längst das Weite gesucht hat.

      „Wusste ich es doch.“

      Da sie auf der Flucht natürlich nicht die Tür geschlossen hat, höre ich von unten Mamas gedämpfte Stimme heraufdringen. Den genauen Wortlaut verstehe ich zwar nicht, aber es gibt eindeutig eine kleine Standpauke für die beiden, wo sie ihnen doch extra gestern Abend noch einmal eingetrichtert hat, mich und meine Freundinnen heute Morgen etwas netter zu wecken.

      „Süß, die beiden.“

      „Also, wenn du das süß findest, solltest du dringend mal deine Ohren säubern. Hast du das Indianergeschrei nicht gehört?“

      Ich liebe meine Geschwister wirklich über alles, keine Frage, aber manchmal könnte ich sie einfach auf den Mond schießen; und zwar auf den Mond und nicht mehr zurück. Zumindest bis ich sie eine halbe Stunde später wieder unfassbar vermisse und am liebsten dauerknuddeln würde.

      „Glaub mir, das geht noch schlimmer“, erwähnt Larissa nachdrücklich.

      „Ach wirklich? Ich bin gespannt.“

      „Leni singt morgens im Bad, dass sich die Balken biegen. Und zwar nicht irgendein Lied, sondern Schneeflöckchen Weißröckchen. Seit sie das mit drei Jahren im Kindergarten gelernt hat. Mittlerweile ist sie sechs und kommt nach den Ferien in die Schule. Mir tun die Mitschüler jetzt schon leid, die auf der ersten Klassenfahrt mit ihr im Zimmer sind… bei der zweiten wird sie wohl ein Einzelzimmer haben.“

      Ich kann mein Lachen nicht zurückhalten. Leni ist ein kleines schüchternes Mädchen, das erst auftaut, wenn man es schon lange kennt. Früher hätte ich das Larissa nicht abgekauft, aber heute kenne ich ihre kleine Schwester besser und kann mir niemand anders vorstellen, der Schneeflöckchen Weißröckchen so leidenschaftlich singt wie Leni.

      „Jeden Tag?“

      „Jeden Tag.“

      Um die Untragbarkeit der Situation deutlich zu machen, betont Larissa jede Silbe einzeln und nickt theatralisch mit dem Kopf. „Was ein Glück bin ich heute hier und werde ein Mal in meinem Leben von dem Konzert verschont.“

      „Ach, wenn du möchtest… Emmi und Malte haben den Songtext sicher auch drauf. Und wenn nicht, ist er ja schnell gelernt“, biete ich ihr zwinkernd an.

      „Bloß nicht!“, fällt sie mir voll entschlossen ins Wort. „Ich komme ja morgen früh wieder in den Genuss.“

      „Mara, Leonie, Larissa?“

      Es ist meine Mama, die unten an der Treppe steht und uns freundlicherweise daran erinnert, dass wir in einer Stunde bereits am Treffpunkt sein müssen. Die Freizeit findet auf dem Gelände zwischen „altem Deich“ und „am Fahrwasser“ statt. Dort gibt es eine riesige Grünfläche, einen großen Schattenplatz, der von Bäumen umgeben ist, und eine Hütte des lokalen Turnvereins mit Toiletten, einer kleinen Einbauküche und einem Raum, der zwar nicht allzu groß ist, aber planmäßig auch nur bei schlechtem Wetter genutzt werden muss. Außerdem gibt es einen direkten Zugang zum Wasser, da das Gelände an den Greetsieler Hafen angeschlossen ist.

      „Wir kommen!“, rufe ich laut zurück, während ich meine Jeans von gestern vom Stuhl ziehe, ein neues T-Shirt und frische Unterwäsche aus dem Schrank hole und ins Bad sprinte. In Windeseile wasche ich mein Gesicht und entwirre meine Haare. Die habe ich von meinem Vater geerbt, nur dass er sie kürzer trägt als ich und seine deshalb nicht in alle Himmelsrichtungen vom Kopf abstehen. Ich werde oft um meine Lockenpracht beneidet, dabei hätte ich viel lieber die Haare meines Bruders oder meiner Mutter. Generell hat Hannes viel von Mama: den etwas dunkleren Hautton, der auch im Winter schöne Bräune verleiht, die großen Augen, die dunkelbraunen, glatten Haare… Ich hingegen bin das weibliche Ebenbild meines Vaters: bernsteinfarbene Locken, Sommersprossen, fast weiße – oder wie Oma so schön sagt: porzellanfarbene – Haut,

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