Das Ende ist immer nahe 2. Urs Herzog
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Der Staub senkte sich und er sah in der Ferne schon die Konturen der Häuser.
Plötzlich griff er sich in den Nacken. Es war als hätte ihn ein Insekt gestochen. Er blieb stehen und rieb die Stelle an seinem Haaransatz bis der Schmerz verging. Trotz der Hitze fühlte es sich kalt an.
Erstaunt schüttelte er den Kopf und ging dann weiter auf das Dorf zu. Mit einem Mal wurde ihm schwarz vor Augen. Er stolperte, dann gaben seine Beine nach und er fiel aufs Gesicht. Noch einmal zuckten seine Gliedmassen, dann war er tot, lag am Rand der staubigen Strasse, lag in der heissen Sonne die den kühlen, nassen Fleck in seinem Nacken abtrocknete.
Der erste Tote von San Sebastian, einem kleinen, einsamen Dorf in einem Landstrich in dem mehrheitlich Kakteen und Dornenbüsche wuchsen. Ein einsames Leben in dieser Einöde.
Als die Frau des Opfers am folgenden Morgen ihre Nachbarn bat bei der Suche nach ihrem Mann zu helfen, war bald das ganze Dorf unterwegs. Als er am Strassenrand liegend gefunden wurde, rief Pepe der Wirt nach dem Arzt. Nach dem Gesetz musste dieser offiziell den Tod feststellen und den Totenschein ausfüllen.
Als der Arzt aus der Provinzhauptstadt Stunden später erschien und den Toten untersuchte, sagte er, dass die Todesursache ein Herzinfarkt gewesen sei und das schrieb er auch auf den Totenschein. Er vermutete, dass die Hitze den Infarkt ausgelöst hatte. Die Menschen wunderten sich. Der Mann lebte ruhig und bescheiden, ohne Stress, wie alle hier. Und sie alle waren sich die Hitze gewohnt. Wie konnte man da an einem Herzinfarkt sterben? Wegen der Hitze!
Aber wenn der Doktor das sagte. Der musste es doch wissen.
Am nächsten Tag wurde das Opfer in der harten, staubigen Erde begraben und das Dorf traf sich anschliessend bei dessen Familie zur Totenfeier, bei der Kaffee und Kuchen, Mezcal und Tortillas gereicht wurden.
Zwei Tage später fiel einer der Bauern tot um. Er hatte am Rand des Dorfes auf seinem kargen Feld gearbeitet, hatte seine Melonen mit Wasser versorgt. Herzversagen, so das Verdikt des Arztes.
Und wieder schüttelten die Menschen den Kopf, konnten sich den Tod nicht erklären.
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Es folgten weitere Opfer und alle starben sie eines natürlichen Todes. Erst traf es Aldo den Schmid, dann den Barbier und die Frau des Bürgermeisters.
Früher starb in San Sebastian niemand so jung, die Menschen wurden alle Alt und Krankheiten waren hier eine Seltenheit. Die Meisten starben an Altersschwäche.
Und nun diese Todesfälle. Wie konnte das sein? Am Wasser konnte es nicht liegen, denn dieses war ausgezeichnet. Die Luft war sauber, der Mezcal hervorragend und Stress hatten sie alle nicht gehabt, nicht so wie die Menschen in der Stadt.
Der Arzt kam, blieb nur kurz, stellte einen Totenschein aus und verschwand wieder so schnell wie er gekommen war. Und immer lautete das Verdikt Herzversagen oder Herzinfarkt. Eine andere Ursache konnte er nicht finden.
Und dann traf es den Pfarrer.
Er war auf dem Weg von der Kirche zum Friedhof als er auf offener Strasse plötzlich umfiel als hätte ihn eine Axt gefällt.
Nun griff die Angst um sich.
Das Dorf versuchte ein gewisses Mass an Normalität zu bewahren, aber als ein Junge von zehn Jahren starb und dann auch noch das Trinkwasser immer schlechter wurde, glaubten sie der Teufel hätte seine Hand im Spiel, hätte ihr Dorf verflucht.
Einige versuchten ihr Land zu verkauften aber niemand wollte auf den Handel eingehen. Und so packten die Ersten ihre Sachen und zogen weg.
Als dann in einer stürmischen Nacht eines der Häuser zu brennen begann und der heisse Wüstenwind Glut und Flammen auf das nächste Haus trieb, dann auf ein Weiteres und auf noch Eines, konnten die Menschen nur noch versuchen ihre Habe vor den Flammen zu retten. Und dann standen sie vor dem Nichts, hatten ihren ganzen Besitz verloren.
Die Überlebenden verliessen das Dorf und zerstreuten sich in alle Winde.
Und niemand interessierte sich dafür. Für die Polizei waren die vielen Todesfälle eine zufällige Anhäufung von Schicksalsschlägen und der Brand ein normales Unglück. Das Ganze wurde zu den Akten gelegt und San Sebastian von der Landkarte getilgt.
Herbi
Herbi steckte in der Klemme. Und es war allein seine Schuld. Die Vorbereitungen hatten schon Wochen in Anspruch genommen und als er losziehen wollte stellte er fest, dass sein Pass demnächst ablaufen würde.
„Das darf doch nicht wahr sein“, rief er laut aus und knallte das rote Büchlein auf den Boden.
Ohne gültigen Pass würde man nicht einfach umgehend ausgewiesen, sondern landete erst einmal im Gefängnis. Und dann liessen sich die Behörden Zeit, und es konnten Wochen ins Land gehen bis sich jemand um ihn kümmern würde.
„Dann eben zurück in die „Heimat“, das würde auch eine Weile dauern, würde ihn viel Geld kosten, war aber der einfachste Weg zu einem gültigen Pass zu kommen. Er wollte nicht in der Botschaft nachfragen ob sie seinen Pass verlängern könnten. Wenn niemand wusste, wo er sich aufhielt, ging er damit auch Ärger aus dem Weg. Es gab genug Leute die sich gerne mit ihm unterhalten hätten.
Er würde zuerst ins Nachbarland reisen und von da in die Schweiz fliegen. Die Rückreise würde dann über ein weiteres Nachbarland erfolgen. Möglichst wenig Spuren hinterlassen, damit war er immer gut gefahren.
Er hob das Büchlein auf und begann zu packen.
Viel hatte er nicht zu verstauen und zwei Tage später sass er im Flugzeug, zurück in seine „Heimat“, zurück in die Schweiz.
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Um sich die Wartezeit zu verkürzen sass Herbi in seinem Lieblingslokal und dachte über seine nächsten Schritte nach. Warten war nicht seine Stärke.
„Hallo Herbi, lange nicht gesehen.“
Sie setzte sich zu ihm an den Tisch unter den Platanen.
„Zwei Bier, grosse“ rief sie dem Kellner zu der sich daraufhin umdrehte und im Haus verschwand.
„Ich habe lange nach dir gesucht, du bist nicht einfach zu finden.“
Überrascht starrte der Mann die Besucherin an, dann leuchteten seine Augen auf.
Andrea!
Er fühlte sich um Jahre zurückversetzt.
„Ich glaube es nicht, du hier! Schön dich wieder zu sehen, es muss eine Ewigkeit her sein.“
„Fast zehn Jahre, beim letzten Klassentreffen, auch hier im Platanenhof. Immer noch dein Stammlokal?“
„Ja, immer noch, wenn ich wieder mal hier bin. Bin viel unterwegs.“
„Das