Fabelmacht Bundle. Kathrin Lange

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Fabelmacht Bundle - Kathrin Lange

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er ihr behutsam den Puppenkörper und den Kopf wegnahm, schluchzte sie noch einmal und zog die Nase hoch. »Emmy war schon ganz doll kaputt. Aber jetzt ist der Kopf ganz ab …« In ihren Augen schimmerte kindliche Verzweiflung.

      »Schon gut«, sagte er. Er sah sich um. »Wo ist denn deine Mama?«

      »Eis kaufen«, antwortete sie mit einem tiefen, schmerzvollen Seufzen. »Ich wollte Emmy doch nur die Tauben da zeigen …« Mit ihrer Kinderhand wies sie auf einen Schwarm der grauen Vögel, die hier überall herumhüpften. »Und dann war der Kopf einfach ab«, schniefte sie.

      Nicholas schaute hinüber zum Kiosk. Die Mutter der Kleinen stand in der Schlange und unterhielt sich mit einem älteren Mann. Gleich dahinter wartete Nicholas’ Freund Luc, der für sie beide Kaffee holen wollte.

      Nicholas blickte wieder auf die beiden kaputten Puppenhälften. Sollte er? Noch während er sich das fragte, tastete seine Hand schon in der Tasche seines schwarzen Mantels herum. Ihm war klar, dass er gegen die Regeln verstieß, die sein Vater aufgestellt hatte, aber was machte es für einen Unterschied? Er wusste, welche Gefahren damit einhergingen. Gerade er wusste das. Trotzdem erlaubte er sich manchmal, bei solch kleineren Ereignissen die Fabelmacht zu benutzen. Es war, als versuchte er damit etwas wiedergutzumachen.

      Er zog einen silbernen Kugelschreiber und ein kleines schwarzes Notizbuch hervor.

      »Gleich geht es Emmy wieder gut«, versprach er der Kleinen. »Aber du darfst niemandem verraten, was ich jetzt tue. Einverstanden?«

      Mit ernsthaftem Blick nickte das Mädchen.

      »Wie heißt du?«, fragte Nicholas.

      »Marie-Claire.« Ihr ging auf, dass sie mit einem Fremden redete, und plötzlich verschloss sich ihr Gesicht.

      »Ein schöner Name.« Nicholas lächelte sie an. Es wirkte.

      Marie-Claire kicherte.

      Er schaute sich noch einmal rasch um. Mit Puppe und Notizbuch in der Hand drehte er Marie-Claire den Rücken zu und schlug dann das Notizbuch auf. Seine Bewegungen waren beiläufig. Er konnte es sich nicht leisten, dass jemand auf ihn aufmerksam wurde.

      »Was tust du denn da?«, fragte Marie-Claire. Sie kam um ihn herum. Neugierig starrte sie auf das schwarze Buch in seiner Hand, in das er rasch ein paar Sätze gekritzelt hatte. Aber er klappte es hastig zu, bevor die Kleine sah, dass die Buchstaben in einem schwachen Blau aufleuchteten.

      »Schau«, sagte er und gab Marie-Claire Emmy zurück.

      Marie-Claires Augen wurden riesengroß. »Er ist wieder dran!«, hauchte sie. Ungläubig starrte sie die Puppe an, schlenkerte sie. Der Kopf saß auf dem Körper und nichts wies mehr darauf hin, dass er kurz zuvor abgerissen gewesen war. Prüfend betrachtete sie den ehemals ausgefransten Hals. »Da sind keine Nähte«, bemerkte sie ziemlich altklug. »Wie hast du das gemacht?«

      Nicholas lächelte sie erneut an. »Ich bin ein Zauberer.«

      »Ich will das auch können!«

      »Ich fürchte, das geht nicht«, sagte Nicholas.

      »Warum nicht?«

      »Schau mal, da kommt deine Mama!« Er stand auf, klopfte sich den Schmutz von den Knien, als die Frau mit einem Eis in der Hand den Kiosk verließ. »Du hast mir versprochen, ihr nichts zu verraten, weißt du noch?«

      Marie-Claire nickte ernsthaft, aber sie war höchstens fünf Jahre alt. Sie würde ihrer Mutter erzählen, dass ein großer, schwarz gekleideter Junge gekommen war und ihre kaputte Puppe wieder heilgezaubert hatte. Und es würde als kindliche Fantasie abgetan werden. Nicholas kramte ein zusammengefaltetes Stofftaschentuch aus der Tasche und wischte dem Kind damit die tränenverschmierten Wangen sauber. »So«, sagte er. »Jetzt ist alles wieder gut.«

      Die Mutter war in vielleicht zwanzig Metern Entfernung stehen geblieben und sah sich suchend nach Marie-Claire um. Dann entdeckte sie ihre Tochter auf dem Rasen und kam direkt auf sie und Nicholas zu. Dabei kam sie an einem Mann in einem Clownkostüm vorbei, der eine riesige Traube bunter Luftballons in der Hand hatte. Nicholas zuckte unwillkürlich zusammen, aber der Mann stand einfach da, ohne dass etwas geschah. Nur ein harmloser Luftballonverkäufer, wie es sie zu Hunderten in Paris gab. Kein Grund, in Panik zu geraten.

      Marie-Claire strahlte Nicholas an. »Danke!«, zwitscherte sie. Dann rannte sie ihrer Mutter in die Arme.

      Nicholas machte, dass er davonkam. Mit gesenktem Kopf ging er quer über den Rasen davon. Ein Blick über die Schulter zeigte ihm, dass Marie-Claire ihrer Mutter eine aufregende Geschichte erzählte. Er lächelte.

      Der Clown war bei einer Familie stehen geblieben und verhandelte mit dem Vater über den Preis für einen schreiend pinkfarbenen Ballon. Der Wind wehte eine schwache Melodie über den Rasen. Ballade pour Adeline.

      Nicholas fühlte seinen Pulschlag überdeutlich.

      Er drehte sich um, suchte den überfüllten Platz ab. Ein Straßenmusikant stand direkt neben den Eisenstreben des Turms und hatte ein Keyboard aufgebaut, auf dem er das Stück spielte. Und dann, als Nicholas sich wieder umwandte und zu dem Clown und der Familie zurückblickte, kam ein Skateboardfahrer vorbeigeschossen. Er blieb an einer Rasenkante hängen und stolperte dem Clown direkt in die Hacken. Der verlor das Gleichgewicht, ließ die Ballons los, die sich in einer riesigen, bunt schillernden Schar in den Himmel von Paris erhoben.

      Der Keyboardspieler hatte Ballade pour Adeline beendet. Für ein, zwei Sekunden war es merkwürdig still auf dem Platz, dann begann der Musiker ein neues Lied.

       Greensleeves.

      Und Nicholas wusste, dass das nie hätte passieren dürfen.

      »Hey, Nicholas, was ist los? Du bist kalkweiß!« Luc stand plötzlich neben ihm, sein bester Freund. Er war mehr als einen Kopf kleiner als Nicholas und kräftig gebaut. Seine Haare hatte er ganz kurz geschnitten, sodass sie wie ein dunkler Schatten auf seinem Schädel wirkten. Er hatte zwei Becher Kaffee dabei und mit einem davon deutete er auf Nicholas’ Gesicht.

      Nicholas’ Blick hing an der Luftballontraube, die mittlerweile nur noch ein kleiner bunter Punkt zwischen den Wolken war. Der Keyboardspieler hatte mittlerweile auch Greensleeves beendet und packte seine Sachen zusammen.

      »Nicholas?« Luc berührte ihn an der Schulter. »Was ist?«

      Da endlich riss sich Nicholas aus seiner Erstarrung. Er versuchte, Luft zu holen, aber es gelang ihm nur mit Mühe. »Es geht los«, keuchte er.

      Eine Frau schlenderte vorbei und als sie seine Erschütterung bemerkte, stockte ihr Schritt kurz. Luc stellte die beiden Kaffeebecher auf einer nahe liegenden Bank ab und nahm Nicholas’ Arm. »Komm. Setz dich erst mal.«

      Die Frau ging mit einem Ausdruck von Erleichterung weiter.

      Nicholas ließ sich von seinem Freund auf die Bank niederdrücken.

      »Was geht los?«, fragte Luc.

      Nicholas blinzelte. Ihm war plötzlich schwindelig, doch er riss sich zusammen. »Sie ist auf dem Weg hierher«, sagte er. Seine Stimme klang rau.

      »Wer?« Einen Moment lang war Luc irritiert, dann erschien ein Ausdruck von Begreifen auf seiner Miene. »Mila?«,

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