Fabelmacht Bundle. Kathrin Lange

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Fabelmacht Bundle - Kathrin Lange

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Drei Musketieren, hielten Händchen. Maréchal lächelte die beiden an und steckte sein Notizbuch fort. Die Frau ließ ihren Blick an den Buchrücken entlanggleiten. Der Reihe nach zog sie ein Buch nach dem anderen hervor, bis sie bei einem ganz besonderen angekommen war. Es war eine kostbare Ausgabe aus den 20er-Jahren des letzten Jahrhunderts: Die Blumen des Bösen von Charles Baudelaire.

      »Mögen Sie Baudelaire?«, fragte Maréchal.

      Sie schaute von ihrer Lektüre auf. Sie hatte ihre Augen tiefschwarz umrandet, was ihr ein etwas eulenhaftes Aussehen gab. Statt auf seine Frage zu antworten, zitierte sie: »Er ist ein literarisches Schreckgespenst, das immer aussieht, als wäre es einer unterirdischen Höhle entstiegen.«

      Maréchals Mundwinkel hoben sich zu einem Lächeln. »Le Figaro«, sagte er und vollendete das Zitat: »Irgendwo im Dunkeln hält er – als Drohung – Bücher versteckt, die gar nicht existieren.«

      Die junge Frau lachte. »Ich liebe diesen Mann!« Sie drehte das Buch um und warf einen Blick auf den mit dünnem Bleistift in die hintere Klappe geschriebenen Preis. Ihre Miene verdüsterte sich. »Aber ich fürchte, ich kann mir das nicht leisten.« Sie stellte die Ausgabe wieder an ihren Platz.

      Maréchal unterdrückte sein Bedauern. Das Buch hätte gut zu dieser jungen Frau gepasst. »Warten Sie!«, sagte er, als die Frau und ihr Begleiter schon Anstalten machten weiterzugehen. Er zog sein Notizbuch wieder hervor, schrieb ein paar Gedichtzeilen auf eine leere Seite, riss sie heraus und reichte sie der Frau.

      Die warf einen Blick darauf. »Das ist aber nicht Baudelaire.«

      Maréchal schüttelte den Kopf. »Es stammt von einem ganz und gar unbekannten Dichter.«

      Die Frau las seine Verse aufmerksam durch, dann sah sie ihm direkt in die Augen. »Unbekannt vielleicht«, sagte sie. »Aber keinesfalls ohne Talent. Ich danke Ihnen.« Sie steckte den Zettel sorgsam ein, dann nahm sie wieder die Hand ihres Begleiters, der die ganze Zeit geduldig gewartet hatte.

      »Was hast du da bloß wieder geschrieben?« Maréchals Standnachbar Jean, Buchhändler und knapp an die sechzig wie er selbst, stellte die Frage, kaum dass die beiden jungen Leute außer Hörweite waren.

      »Nichts«, sagte Maréchal. Jean hielt ihn schon seit Jahren für einen komischen Kauz. Und er hatte ganz recht damit. »Ich wünsche den beiden einfach alles Glück der Welt.«

      Er streckte sich und blickte sich lächelnd um. Doch im nächsten Moment durchfuhr es ihn, als habe eine ganze Horde Geister mit kalten Händen in sein Genick gefasst. Ihn fröstelte. Er starrte auf einen alten Mann in einem farblos grauen Mantel, der gegenüber auf der anderen Straßenseite zwischen den Häusern aufgetaucht war und direkt auf ihn zuhielt.

      »Maréchal?« Jean sah ihn beunruhigt an. »Was ist los? Du bist plötzlich ganz blass geworden.«

      Maréchal schüttelte rasch den Kopf. »Ich habe nur gedacht, ich hätte jemanden gesehen. Passt du einen Augenblick auf meinen Stand auf, bitte?«

      Jean nickte und da überquerte Maréchal auch schon die breite Straße, die den Fluss säumte, für dessen Schönheit er jetzt keinen Blick mehr hatte.

      Der alte Mann mit dem grauen Mantel war im Schatten eines Cafés stehen geblieben und sah ihm entgegen. Das Gefühl, dass Geister ihn mit kalten Fingern berührten, verstärkte sich noch einmal, als Maréchal vor ihn hintrat.

      Der Alte rieb sich die Schläfen mit den Fingerspitzen beider Hände, als habe er starke Kopfschmerzen. Dann seufzte er und obwohl Maréchal ihn noch nie zuvor gesehen hatte, wusste er plötzlich, was kommen würde.

      »Es geht los, nicht wahr?«, flüsterte er.

      Der alte Mann nickte. »Das Mädchen. Sie kommt gerade auf dem Gare de l’Est an.« Er machte eine Pause.

      »Wer sind Sie?«, fragte Maréchal. Er hatte am ganzen Körper Gänsehaut.

      Der Alte antwortete ihm nicht. Stattdessen sagte er: »Nicholas’ Geschichte. Sie beginnt.«

      Mila verließ den Bahnsteig und blieb mitten in der Haupthalle stehen. Hier war es nicht weniger laut als bei den Zügen. Das Dach bestand aus einem Gewirr von Metallstreben, die ein Glasgewölbe stützten und für einen starken Hall sorgten. An jeder zweiten Querstrebe über ihrem Kopf hingen große Plakate, die den neuesten Liebesfilm eines berühmten amerikanischen Schnulzenautors ankündigten. Ein Mann war darauf zu sehen, der eine Frau auf den Armen durch eine ziemlich dramatische Nebelwolke trug.

      Milas Blick wanderte weiter zu den Sonnenstrahlen, die schräg durch das Glasdach hereinfielen und dessen Stahlgerippe weichzeichneten. Die achteckige Jugendstiluhr an einem der Marmorbögen zeigte kurz vor halb drei. Auf dem großformatigen Gemälde war eine Zugszene abgebildet, die auf den ersten Blick heiter wirkte. Bis Mila erkannte, dass es eine Abschiedsszene war. Sie wandte den Blick davon ab. Aus einem der kleinen Geschäfte ganz in der Nähe wehte der Geruch von Crêpes zu ihr herüber. Von irgendwoher kam Gesang. Jemand gab ein altes Edith-Piaf-Lied zum Besten. Es klang ziemlich schief, aber irgendwie sympathisch.

      Mila wandte sich wieder dem lichtdurchfluteten Glasdach zu. Sie kniff die Augen zusammen. Wenn sie den geschäftigen Lärm des Bahnhofs, die ständigen Lautsprecherdurchsagen mit ihren nervigen Jingles, das Stimmengewirr und auch das Kreischen von Zugbremsen ausblendete, wirkte der Ort fast magisch. Plötzlich hatte sie das Bedürfnis, darüber zu schreiben, und sie wunderte sich, wie stark es war. Sie griff nach dem Schultergurt ihrer Umhängetasche und zog ihr Notizbuch hervor.

      »Haben Sie einen Euro für mich?«

      Mila blickte auf. Eine Frau von unbestimmbarem Alter hatte sich vor ihr aufgebaut. Sie trug ein buntes Tuch über grauen Locken, die aussahen wie Stahlwolle. Sie roch auch nach Stahlwolle, jedoch seltsamerweise vermischt mit dem Geruch von edlem Körperpuder. Gehüllt war die Frau in mehrere lange und ziemlich schmutzige Röcke. Darüber trug sie eine Wolljacke, die mehr aus Löchern als aus Garn bestand. Die Farbe konnte man nicht mehr erkennen, so verblasst war das Teil. Hellblau, tippte Mila. Vielleicht auch lila.

      »Haben Sie einen Euro für mich?«, wiederholte die Frau mit einem freundlichen Lächeln. Ihre Fingernägel waren so schmutzig, dass es aussah, als seien die Trauerränder Teil ihres Körpers, genau wie ihre schlanke Nase oder die hellblauen, forschenden Augen.

      Mila nickte. Da war etwas an dieser Frau, ein unbewusst wahrnehmbarer Widerspruch, der sie faszinierte. »Natürlich.« Sie klemmte ihr Notizbuch unter den Arm, kramte ihr Portemonnaie aus der Tasche und suchte ein Zwei-Euro-Stück heraus. »Reicht das?«

      Die Frau hielt die Hand auf. Quer über ihre Finger liefen alte, wulstig aussehende Narben. Es sah aus, als habe die Frau sich vor langer Zeit einmal beinahe die obersten Fingerglieder abgeschnitten. »Vielen Dank für Ihre Großzügigkeit«, sagte die Frau und ließ die Münze in den Falten ihres Rockes verschwinden. Und dann tat sie etwas sehr Unheimliches.

      Sie beugte sich über Mila, als müsse sie an ihr schnuppern. »Armes Ding!«, murmelte sie.

      Mila fühlte sich schlagartig unwohl. Was, wenn die Alte auf ihr Portemonnaie aus war?

      »Was meinen Sie damit?« Ihre Sorge schien in ihrer Stimme mitzuschwingen, denn die Alte lächelte sie beruhigend an.

      »Von mir droht Ihnen keine Gefahr.«

      Mila konnte nicht anders. Sie musste fragen: »Sondern?«

      Da

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