Spur ins andere Kontinuum: Weg in die Galaxis. Antje Ippensen

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Spur ins andere Kontinuum: Weg in die Galaxis - Antje Ippensen

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andere wiederum war das erste Raumerlebnis geradezu berauschend, wirkte wie eine Droge, was dazu führte, dass man es immer wieder und wieder genießen wollte.

      Zur letzteren Sorte von Raumfahrern gehörte Marge Kimazu, die für die Überwachung des Kombischirms zuständig war. Trotz ihrer Jugend besaß sie bereits beträchtliche Erfahrung, und obwohl dies erst ihr dritter Flug in den Diensten der Corporation war, unterschied sie sich kaum noch von sogenannten alten Hasen, und es gab so leicht nichts, was die Halbjapanerin aus der Fassung bringen konnte. Auch durch einen unverständlichen Auftrag verlor sie nicht gleich ihre Gelassenheit.

      So kam es auch, dass sie sich an Bord des Kugelraumers am Besten mit dem Funkleitoffizier Ben Silverman verstand, mit dem sie zum ersten Male zusammenarbeitete. Er war nicht nur in etwa gleichaltrig – Mitte Zwanzig, also ein Küken wie sie –, sondern teilte auch Marge Kimazus ruhige Einstellung, auch wenn er in privaten Gesprächen manchmal zu wilden Übertreibungen neigte.

      Marge musste oft darüber lachen; sie besaß überhaupt einen Sinn für Humor, der ihr vieles erleichterte.

      Es ist schon eigenartig, sinnierte sie in diesem Augenblick, wie wir Menschen dazu neigen, uns stets im Brennpunkt des Geschehens zu sehen. Das Weltall besitzt gigantische Dimensionen, und trotzdem denkt man: Es dehnt sich um UNS herum aus – dabei sind wir doch nur Staubkörner im All ... Wir gehen immer von uns aus, und unser jeweiliges Raumfahrzeug erscheint wie ein Symbol für das aufgeblähte menschliche Ego.

      Wobei dieser Gedankengang gerade auf den Kugelraumer besonders gut zutraf. Denn im Vergleich zu den meisten anderen Raumschiffen der HFL-Corporation war die fremdartige fliegende Kugel riesig. Trotzdem war und blieb das Kugelschiff ein Exot – aus mehreren Gründen.

      Marges Mandelaugen wanderten zum Kommandositz hinüber. Gabrielle da Locca saß ernst und schweigsam, mit einer verschlossenen, abweisenden Miene in ihrem Kontursessel. Hin und wieder warf sie einen Blick auf eine Berichtfolie in der Ablageschale zu ihrer Linken.

      Sie weiß schon, was sie tut, dachte Marge Kimazu, die zum zweiten Mal mit Gabrielle da Locca flog. Im Unterschied zu vielen anderen Besatzungsmitgliedern hatte sie nicht nur Respekt vor ihr, sondern bewunderte sie ganz offen. Dafür gab es mindestens zwei Gründe: Zum einen waren da Gabrielle da Loccas technisches Verständnis und ihr Erfindungsreichtum, gepaart mit einer enormen Arbeitsleistung: Marge Kimazu gehörte zu den wenigen Eingeweihten, die von einem Projekt wussten, an dem Gabrielle da Locca beteiligt war. Wann immer es möglich war, korrespondierte sie mit der Corporation-Ingenieurin Luisa dos Santos oder traf sich mit ihr zu intensiven Klausuren. Die beiden hochqualifizierten Frauen tüftelten an einer Weiterentwicklung des DaCern-Triebwerks. Mehr wusste Marge nicht darüber, und auch diese wenigen Informationen behielt sie für sich. Die hübsche Halbasiatin war keine Plaudertasche.

      Neben ihrer Bewunderung gab es noch einen weiteren Aspekt: Marge kannte die freundliche Seite ihrer Kommandantin, die von dieser zur Zeit so hartnäckig unterdrückt wurde. Während der letzten Reise hatten die beiden Frauen in fröhlicher Runde verbracht, in der sich rangniedere und ranghöhere Besatzungsmitglieder zwanglos mit Kartenspielen wie Skat und Bridge zerstreuten. Gabrielle da Locca war weit davon entfernt gewesen, den Captain herauszukehren; sie spielte nicht gerade sehr geschickt und konnte sich darüber jedes Mal ausschütten vor Lachen. Ja, sie war alles andere als eine Spielverderberin. Trotz der Spielrunden jedoch blieb Gabrielle da Loccas Autorität stets unangetastet.

      Wie ein im Zeitraffer ablaufender Filmstreifen flackerte diese Erinnerung jetzt an Marges geistigem Auge vorüber, während sie verstohlen das Profil der Kommandantin musterte. Gabrielle da Loccas Körper war ohne Zweifel angespannt, und sie saß sehr gerade im Sessel, so dass sie schlanker wirkte, als sie tatsächlich war. In Wirklichkeit besaß ihre Gestalt üppige Rundungen; sie war schon als mollige Frau zu bezeichnen. Wenn es notwendig war, konnte sie sich allerdings ungeheuer flink bewegen, wie Marge auch schon erfahren hatte. Die halblangen schwarzen Haare mit den roten Strähnchen trug die Kommandantin seit einiger Zeit hochgesteckt, was sie größer erscheinen ließ als ihre 1,77 m.

      Es war Marge Kimazu unmöglich, aus diesem strengen Profil herauszulesen, was Gabrielle da Locca gerade durch den Kopf ging. Ben Silverman hatte von seinem Funkleitstand sicher die bessere Position, um Beobachtungen zu machen; wenn er aufblickte, konnte er das Gesicht der Kommandantin sehen und ...

      »Zustand des KSS?«, fragte Gabrielle da Locca plötzlich knapp und schroff.

      Jetzt war Marge ebenfalls in der Lage, ihr in die Augen zu sehen, denn der Kopf der Kommandantin schnellte in ihre Richtung. »Einwandfrei, Captain!«, erwiderte sie ebenso knapp und wie aus der Strahlpistole geschossen. Sie brauchte nicht einmal einen Kontrollblick auf ihre Geräte zu werfen, denn genau das hatte sie schon vor wenigen Sekunden routinemäßig getan und die blinkenden Anzeigen überprüft. Der Energieschirm, der den Kugelraumer vor jeder terranischen Ortungstechnik bewahrte, war tadellos in Schuss.

      Sie flogen verdunkelt – und zwar bereits seit dem Start.

      Von Anfang an hatte man Marge Kimazu und ihren Mitarbeitern eingeschärft, wie wichtig es war, dass der Schirm nicht einmal für eine Nanosekunde ausfiel. Sie fanden es alle reichlich überflüssig, dass sie zusätzlich auch noch von der Kommandantin persönlich pausenlos darauf hingewiesen wurden. Marge Kimazus drei Untergebene rollten jedes Mal heimlich mit den Augen, wenn die scharfe Frage kam. Sie selbst konnte besser damit umgehen – dabei half ihr auch ihre asiatische Mentalität – obwohl sie auch hoffte, dass die Kommandantin etwas mehr Vertrauen in ihre Leute zeigen würde. Die Crew war schließlich sorgfältig ausgesucht worden. Gesiebt und nochmals gesiebt. Loyalitätstests und Persönlichkeitsüberprüfungen hatten praktisch nicht mehr aufgehört in der Vorbereitungsphase der Mission.

      Und trotzdem, das wusste Marge, gab es immer ein paar Leute, die sich durch alle Tests durchmogelten und später – absichtlich oder unabsichtlich – für Probleme sorgten.

      Absolute Sicherheit existierte nun einmal nicht. Der Mensch ist und bleibt die größte Schwachstelle ... wer hatte das noch gesagt?

      Und sie hatten noch ein gutes Stück Arbeit vor sich – die Mission würde mehrere Monate in Anspruch nehmen. Sie hatten noch nicht einmal ein Drittel der Strecke zurückgelegt, und schon waren Unmut und Irritation unter der Besatzung derart stark angewachsen, dass die Möglichkeit einer Meuterei nicht ganz so abwegig war.

      Die Halbjapanerin konnte das teilweise nachvollziehen. Wer für die Corporation arbeitete, war zwar daran gewöhnt zu gehorchen – aber auf keinen Fall ganz tumb und ohne sich Gedanken zu machen. Als Soldaten, die einfach nur blinde Befehle ausführten, sah sich das Personal keinesfalls – dafür war man durchweg zu hochqualifiziert und hatte Denken gelernt.

      Und nun ein solcher Auftrag, der der gesamten bisherigen Corporation-Politik krass widersprach! Die Besatzungsmitglieder hatten nichts dagegen, Geheimnisträger zu sein, das war es nicht – und sie waren lange darauf vorbereitet worden, dass dies eine Top Secret Mission war –, aber sie wollten gern die Zusammenhänge durchschauen und den Hintergrund verstehen. Dass dies hier nicht gegeben war, verringerte die allgemeine Motivation und steigerte den Unmut.

      Vielleicht wäre es besser gewesen, ging es Marge durch den Kopf, wenn die Chefs uns irgendeine erfundene Geschichte aufgetischt hätten, damit wir das Ganze hier besser schlucken ... Wahrscheinlich würden sie alle zur rechten Zeit das Wesentliche erfahren.

      Zur Zeit verlief der Unterlichtflug des Kugelraumers ruhig und ohne Zwischenfälle, und Captain da Locca widmete sich schweigend ihren Berechnungen, deren Inhalt sie zweifellos auch unter Verschluss halten würde. Ganz zu Anfang hatte es ein paar Schwierigkeiten mit dem nachträglich eingebauten DaCern-Triebwerk gegeben, die jetzt aber zum Glück beseitigt waren.

      Von

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