Taunusgier. Osvin Nöller
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„Da war ich. Die glauben, er hält sich irgendwo bei bester Gesundheit auf. Aber Jan würde nie einfach abhauen. Gewöhnlich ruft er unsere Mutter mindestens zweimal pro Woche an. Wir haben seit drei Monaten nichts mehr von ihm gehört. Seine Freundin behauptet, er sei abgehauen, ohne ein Wort zu sagen.“
„Aha. Von wo aus hat er sich zuletzt gemeldet? Wo lebt er?“ Einerseits schien ihr Besucher besorgt, andererseits irritierte sie irgendetwas an dessen Auftreten.
„Er wohnte in Bad Homburg. Das ist eine Kurstadt im Taunus.“
Sie nickte. „Ich kenne die Stadt. Ich habe mal ein Seminar in Frankfurt besucht und da übernachtet.“ Warum erzählte sie ihm das? Sie seufzte. „Herr Wolter, es tut mir leid, ich kann Ihren Auftrag nicht annehmen.“
Er erstarrte und die Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen.
„Ich bearbeite nur Fälle in Hamburg und Umgebung. Das Rhein-Main-Gebiet ist entschieden zu weit entfernt.“
„Hören Sie bitte, Sie müssen ihn suchen!“ Sein plötzliches Flehen war eine zusätzliche Facette, die den diffusen Auftritt immer rätselhafter erscheinen ließ. „Ist der Vorschuss zu niedrig? Sagen Sie mir Ihre Konditionen! Helfen Sie mir!“
Melanie überlegte. Das Geld reizte sie kolossal, da die Startmonate in der Selbstständigkeit alles andere als üppig verlaufen waren.
Ihr Besucher schien ihr Zögern zu bemerken. „Ich mache Ihnen einen Vorschlag.“ Er legte eine Visitenkarte auf den Tisch. „Denken Sie darüber nach und rufen Sie mich bis morgen Abend an. Ich möchte betonen, dass ich Sie unbedingt engagieren will! Wolfgang Schuldt hat gesagt, dass Sie die Beste für diesen Job sind!“ Er stand auf.
Ein erneuter Schauer überlief sie. Ausgerechnet Schuldt! „Woher kennen Sie ihn?“
„Er ist der Lebensgefährte meiner Mutter.“ An der Bürotür blieb er stehen. „Ich erwarte Ihren Anruf. Einen schönen Tag noch!“
Mit schnellen Schritten verließ Pascal Wolter das Büro.
Ein Jahr zuvor
„Vergiss es! Ich nehme die Kündigung nicht an!“ Polizeidirektor Wolfgang Schuldt schob den Brief, den Melanie auf den Tisch gelegt hatte, zurück. Er deutete auf das Holster mit der Walther PPK, den Polizeiausweis und die Metallmarke, die daneben lagen.
„Nimm deinen Kram und geh zum Team. Sie erwarten ihre Leiterin bereits sehnsüchtig!“
Sie wunderte sich, wie beherrscht sie blieb, obwohl es in ihr brodelte wie in einem Topf mit kochendem Wasser. „Wolfgang, du verstehst mich anscheinend nicht! Das hier ist kein Jux! Es ist vorbei! Ich kann das nicht mehr. Nicht nachdem, was passiert ist! Mir stehen zweiundvierzig Tage Urlaub und der Ausgleich unzähliger Überstunden zu. Heute ist mein letzter Tag!“ Sie gab sich Mühe, ihn anzufunkeln.
Die Blitze schienen anzukommen. „Mel, mir ist klar, dass du eine schwere Zeit hinter dir hast. Mir liegt aber eine blitzsaubere Dienstfähigkeitsbescheinigung vor, ausdrücklich für die Verwendung beim mobilen Einsatzkommando sowie als Führungskraft. Ich habe mir den Bericht zigmal durchgelesen. Er ist absolut perfekt! Nicht der kleinste Makel. Dr. Randke schwärmt geradezu von dir!“ Er machte eine kurze Pause. „Wir brauchen dich!“
„Danke, das ehrt mich! Ist in der Realität dummerweise nicht so, wie es aussieht. Ich hab immerhin den Tod des Mannes verursacht, mit dem ich ein gemeinsames Leben verbringen wollte. Zudem hätte ich beinahe ein Kind totgefahren, weil ich unachtsam war. Ich habe die Regeln verletzt und dafür die schreckliche Quittung bekommen. Außerdem leide ich nach wie vor unter Albträumen.“ Sie holte Luft. „Okay, nicht mehr jede Nacht, sondern, wenn ich Glück hab, nur ein- bis zweimal im Monat. Was für ein Wahnsinnserfolg! Wolfgang, der Dienst im MEK ist keine Option! Ich wäre eine unberechenbare Gefahr für sämtliche Kollegen, die Vertrauen zu mir haben! Ein anderer Job kommt auch nicht in Frage. Da würde ich unglücklich werden. Versteh das doch.“ Sie erhob sich. „So, genug der Rede, akzeptiere die Kündigung. Ich geh zur Mannschaft und informiere sie.“ Es war, als sei eine unerträgliche Last von ihr abgefallen.
In Schuldts Miene spiegelte sich mit einem Mal Entsetzen. „Es ist dir tatsächlich ernst damit. Ist das dein letztes Wort?“ Er sprang auf. „Du bist die Beste, die wir haben! Gehst immer voraus, zögerst nie. Warum gibst du auf? Das kann ich nicht glauben! Das Disziplinarverfahren wurde niedergeschlagen und die Klage von Eriks Eltern gegen dich abgewiesen. Du bist erst vierunddreißig und hast eine blendende Karriere vor dir. Weshalb willst du das alles wegschmeißen?“
„Das nennt man Vernunft, Wolfgang. Ich habe die Pflicht, euch, genauso wie mich, zu schützen.“ Sie streckte ihm die Hand entgegen. „Es würde mir viel bedeuten, wenn du bei meinem Abschiedsumtrunk dabei wärst!“
15. April
„Er hat deinen Namen von Schuldt?“ Fred Spiegel massierte den schwarzen Flaum auf seinem fast kahlen Schädel.
„Behauptete er. Wird schon stimmen. Warum sollte er das erfinden?“ Melanie sah sich um und atmete tief ein. Sie trank zwar keinen Alkohol, mochte aber den malzigen Geruch, der durch den Gastraum waberte.
Das Brauhaus Joh. Albrecht füllte sich allmählich, immer mehr Gäste passierten die Brücke über den angrenzenden Fleet und hielten auf den Eingang zu. Sie lächelte ihren Ex-Kollegen an. „Bevor ich es vergesse: Danke, dass du dir spontan Zeit genommen hast.“
„Wenn eine charmante Frau mich zum Mittagessen einlädt, lehne ich selten ab.“ Zwei dunkle Augen strahlten sie voller Wärme an.
Melanie wurde bewusst, dass er den letzten Kontakt zu ihrem früheren Umfeld darstellte, auch wenn sie sich nur alle paar Monate sahen. Irgendwie wurde es um sie immer einsamer, zumal sie selbst die bestehenden Freundschaften seit dem Unglück kaum pflegte.
„Passt zu Schuldt“, unterbrach er ihr Grübeln. „Er spricht nach wie vor von dir wie von einer Heiligen und nervt uns mit Lobgesängen über deine Fähigkeiten.“ Fred lachte. „Warum willst du den Auftrag nicht annehmen?“
Melanie zuckte mit den Schultern. „Habe bei dem Ganzen ein Störgefühl. Welcher seriöse Mensch schleppt Unsummen an Geld mit sich herum und bietet einer Privatdetektivin, die er vorher nie gesehen hat, einen derartigen Vorschuss an? Da ist was faul!“ Sie trank einen Schluck von der Kräuterlimonade.
Der Exkollege schüttelte sich theatralisch. „Gießt du die schreckliche Brühe immer noch literweise in dich rein?“ Unverhohlen musterte er sie. „Mir ist es schleierhaft, wie du dabei diese sensationelle Figur hältst.“
„Fleißig Sport treiben, mein Lieber. Jeden Tag Schwimmen und dreimal die Woche Krafttraining.“ Sie nippte erneut am Glas und blickte Fred direkt an. „Jetzt lenk nicht ab. Was sagst du zu dem Typ?“
„Ich gebe zu, das Ganze klingt ein wenig ungewöhnlich. Falls Schuldt ihn tatsächlich schickt, ist er allerdings vermutlich in Ordnung.“ Er zögerte. „Wenn es deine Nerven beruhigt, kann ich ja in den Computer schauen, ob es etwas zu den Brüdern gibt.“ Er schob sich ein Stück Brezel in den Mund.
Melanie formte die Lippen zu einem angedeuteten Kuss. „Danke! Du bist ein