Verfluchtes Taunusblut. Osvin Nöller
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Читать онлайн книгу Verfluchtes Taunusblut - Osvin Nöller страница 14
Der Mann lachte. „Klar. Das ist der Große Feldberg, mit 879 Metern die höchste Erhebung im Taunus. Auf seinem Plateau stehen ein Aussichtsturm und Sendeanlagen.“ Er schien stolz darüber zu sein, sein Heimatkundewissen ausbreiten zu dürfen. Sie hörte die letzten Worte wie aus weiter Entfernung, ihr Herz pochte plötzlich bis zum Hals. Das war der Ort, an dem ihr Vater gestorben war! Flüsternd bedankte sie sich bei dem Arbeiter, der sie irritiert ansah, und ging in aller Ruhe an das andere Ende des Hofes, wo sie sich auf eine Bank setzte.
Langsam beruhigte sie sich. Spontan nahm sie ihr Handy und rief Kai an. Sie erzählte ihm von ihrer Begegnung mit Julia und dem Termin bei ihrer Mutter. Außerdem berichtete sie von dem Besuch der Polizei. Ihr Mann gab sich am Telefon versöhnlicher und stellte eine Reihe von Fragen. Gleichwohl wurde Diana das Gefühl nicht los, dass er noch immer nicht mit ihrem Handeln einverstanden war. Sie glaubte vielmehr, dass er keine Lust mehr verspürte, mit ihr zu streiten, weil er erkannt hatte, dass sie sich von ihrem Vorhaben, ihre Familie zu treffen, ohnehin nicht abhalten ließe.
Als sie aufgelegt hatte, sah sie kurz auf die Uhr und bemerkte, dass Biggi Sprechstunde hatte. Diesen Anruf musste sie verschieben.
Sie seufzte und erhob sich. Ihr Weg führte durch die Straße Am Schulberg bergauf in die Fußgängerzone und später am Kurhaus vorbei zurück zum Hotel, wo sie sich vor den Eingang setzte und eine Tasse Kaffee gönnte.
Ihr Herzschlag beschleunigte sich und in ihrem Magen stellte sich ein flaues Gefühl ein. Sie grübelte, wie die anstehende Begegnung werden würde. Sie war gespannt, ob sie eine zufriedenstellende Antwort auf die entscheidende Frage bekäme: Warum hatte ihre Mutter sie weggegeben?
Wenn das Gespräch negativ verliefe, stände sie auf und ginge. Dann führe sie morgen nach Celle. Sie war vierzig Jahre ohne diese Familie ausgekommen!
Sie wusste, dass sie sich etwas vormachte, denn der Schweiß auf dem Rücken strafte sie Lügen!
***
Julia holte Diana Viertel vor sechs in einem weißen Opel Corsa mit der Aufschrift BioGenüsse – Leben Sie gesund vor dem Hoteleingang ab.
Wenige Minuten später bogen sie in der Nähe des Schlosses in die Tannenwaldallee ab. Wer wohnte in den herrschaftlichen Häusern mit deren riesigen Grundstücken?
Weiter ging es linkerseits in eine schmale Straße. Kurz darauf bremste Julia vor einem eisernen, zweiflügeligen Tor. Eine mehr als zwei Meter hohe Hecke verdeckte den Einblick in das Anwesen. Sie nahm einen Funksender. Sofort glitten die Tore im Zeitlupentempo auf.
Diana stieß einen überraschten Schrei aus, als die lange Auffahrt auftauchte. Das war unzweifelhaft die Villa auf dem Foto, das ihr Renate Hubert in Celle gegeben hatte.
Ihre Zwillingsschwester lachte. „Sieht dekadent aus, nicht wahr?“
„Entschuldige, ich hatte mit so etwas nicht gerechnet.“ Dianas Blut geriet in Wallung. War das hier ihre Welt?
Julia parkte das Auto auf einem geschotterten Streifen, sie stiegen aus. Diana folgte ihrer Schwester zum rechten Gebäude. Diese öffnete die Haustür, sie betraten die Eingangshalle. Als ihr die Dimension des Raums bewusst wurde, wäre Diana um ein Haar auf dem Absatz umgekehrt und weggelaufen. Im Vergleich zu ihrem, von den Großeltern geerbten, Fachwerkhaus, handelte es hierbei um ein Schloss! Julia ging auf eine breite dunkle Holztür zu, durch die sie in das Wohnzimmer eintraten.
Man musste nicht Medizin studiert haben, um zu erkennen, dass die weißhaarige Frau, die in einem Sessel neben dem Kamin saß, dem Tode geweiht war und unter Schmerzen litt. Im krassen Gegensatz dazu leuchteten die flink hin und her schweifenden Augen. Diana zitterte ein wenig und ihr Mund wurde dermaßen trocken, als ob sie die letzten Stunden in einer Wüste ohne Wasser verbracht habe.
„Mein Kind, herzlich willkommen. Lass mich dich ansehen.“ Barbara streckte die Hände aus.
Diana blieb stehen, saß dort doch eine Wildfremde, die so tat, als ob ihre Tochter aus einem Kurzurlaub komme. Dennoch fühlte sie, dass sich ihre Mutter ehrlich über ihr Erscheinen freute, und begrüßte sie.
„Nehmt Platz, Mädchen.“ Die Kranke zeigte auf den zweiten Sessel und ein Sofa. „Gießt euch Kaffee ein und esst von dem Kuchen. Wir haben eine Menge zu erzählen.“ Auch die feste Stimme passte nicht zu ihrem äußeren Erscheinungsbild.
Sie schaute Diana an, während Julia die Tassen füllte. „Ich bin froh, dass du gekommen bist, und kann mir vorstellen, wie du dich fühlen musst. Ich weiß, dass ich eine Erklärung schuldig bin!“
Barbara trank einen Schluck. „Euer Vater und ich haben in unserer Jugend ein wildes Leben geführt. Ich liebte ihn abgöttisch. Die kleine Studentin aus einfachen Verhältnissen, wie ich es war, und er, der Unternehmersohn. Einmal haben wir nicht aufgepasst. Ich vergaß die Pille. Da war ich neunzehn. Kurz zuvor hatte ich das Studium begonnen. Seine Eltern, die mich von Anfang an abwiesen, gebärdeten sich fuchsteufelswild. Sie forderten die Abtreibung! Was ich strikt ablehnte! Karl-Heinz stand zunächst auf der Seite der Alten. Es stellte sich heraus, dass ich Zwillinge erwartete. Daraufhin kam es zu einer schrecklichen Erpressung: Der Vater verlangte, dass ich zumindest ein Kind zur Adoption freigeben müsse. Ansonsten werde Karl-Heinz die Vaterschaft leugnen und alle juristischen Hebel in Bewegung setzen, dass ich nie wieder einen Fuß auf den Boden bekäme. Ich war geschockt und verzweifelt!“ Sie nahm vorsichtig die Tasse und trank einen Schluck.
Diana hörte gebannt zu, ihr Herz begann zu rasen.
Die Mutter fuhr fort. „Einerseits wusste ich, dass Lautrup senior das richtige Netzwerk besaß und ich keine Chance gegen ihn gehabt hätte. Anderseits liebte ich Karl-Heinz trotz seines Verhaltens. Naiv, wie ich war, sah ich in ihm den Schlüssel, in eine unbeschwerte Welt einzutreten. Letztlich willigte ich ein, dich, Diana, wegzugeben.“
„Warum sie“, fragte Julia.
Barbara zögerte. „Du wurdest zuerst geboren. Das hat den Ausschlag gegeben,“ flüsterte sie.
Die Geschichte hörte sich unwirklich an. Die Ausführungen klangen sachlich und dennoch spürte Diana, dass sich ihre Mutter sehr beherrschen musste, denn einige Male bebte ihre Stimme. Sie war sicherlich nicht derart gefasst und geradlinig, wie sie vorgab!
Was Diana vor allem schockte, war der Umstand, dass ihr Schicksal an zwanzig Minuten gehangen hatte! Unglaublich!
Julia schien ähnlich irritiert zu sein. „Wie ging es weiter?“
„Wir heirateten und ich zog in die Familie ein. Damit begann die härteste Zeit in meinem Leben. Der Vater war nicht nur ein Patriarch, wie er im Bilderbuch stand, sondern behandelte mich wie den letzten Dreck. Karl-Heinz versuchte, mir beizustehen, war ihm gegenüber aber viel zu schwach. Ich schwor mir, stark zu sein und Widerstand zu leisten. Ich wollte verhindern, eine sklavische Ehefrau und Schwiegertochter zu werden. Dieser Kampf, den ich neben dem Studium führte und der mir einige Erniedrigungen bescherte, dauerte ein Jahr.“
Ihr brutaler Gesichtsausdruck spiegelte Hass wider. Was mochte passiert sein?
Urplötzlich wurden Barbaras Züge weich. „Ich hatte unsagbares Glück. Das Scheusal starb plötzlich während eines Urlaubs. Wir bekamen unsere Chance!“
Die Zwillinge starrten ihre Mutter an. Diana war nicht fähig zu sprechen. Die geschilderten Erlebnisse trafen sie bis ins Mark.
„Davon