Das große Buch der Berlin-Krimis 2017 - Romane und Erzählungen auf 1000 Seiten. Alfred Bekker
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Читать онлайн книгу Das große Buch der Berlin-Krimis 2017 - Romane und Erzählungen auf 1000 Seiten - Alfred Bekker страница 31
Maximal eine halbe Stunde hatte er für diese Ruhephase eingeplant. Mehr war nicht gut, so hatte der alte Mann irgendwo mal gelesen.
Abu-Khalil stellte sich immer einen Wecker, weil er genau wusste, dass er sonst den ganzen restlichen Tag verschlafen würde. Sein Blutdruck war nämlich extrem niedrig.
Irgendwann erwachte Abu-Khalil. Aber diesmal nicht wie gewohnt durch das Schrillen des Weckers, sondern weil er ein Gewicht auf seiner Brust fühlte.
Er öffnete die Augen – und schrie laut auf.
Blitzartig schnellte er hoch und sein sonst so niedriger Blutdruck jagte innerhalb einer Sekunde in ungewohnte Höhen. Blut rann ihm zwischen den Händen hindurch. Rot hatte es sein Hemd durchtränkt.
Ein fratzenhaft wirkender Schädel rollte ihm von der Brust herab auf den Boden und zog eine Spur aus Blut und Hirnmasse über den Teppich, bevor er liegen blieb.
„Eigentlich müsste es ein Schafskopf sein, wenn man die Tradition wirklich befolgen wollte“, sagte eine harte, durchdringende Stimme.
Tom Abu-Khalil sah in die kalten Augen von Artur Titow, der breitbeinig dastand, grinsend und von zwei Leibwächtern flankiert.
Er wandte sich an die beiden Männer. „Ihr könnt gehen, Jungs.“
Die beiden knurrten etwas Unverständliches zur Bestätigung und verließen den Raum. Artur Titow trat etwas näher und stieg über den blutigen Kopf hinweg. „Der Schlachter Benito hatte leider nur Schweinsköpfe. Schaffleisch scheint irgendwie zur Zeit aus der Mode gekommen zu sein.“
„Was wollen Sie von mir?“
„Was will man denn von einem Verräter?“ Artur Titow verzog das Gesicht. „Wie viel gibt dir das BKA für deine Spitzeldienste?“
„Was heißt hier...“
„Willst du es etwa abstreiten?“
„Was tust du hier? Ich glaube nicht, dass das im Sinne deines Onkels ist...“
„Ach, Onkel Vladi. Der interessiert sich doch mehr für die Musik, als dafür, die Organisation zusammen zu halten und zu tun, was dafür notwendig ist. Wenn du dich so gut mit ihm verstehst, singt er vielleicht deine Totenmesse.“
„Wir können doch über alles reden. Da wird es bestimmt eine Einigung geben.“
„Sicher“, nickte Artur Titow. „Du könntest etwas für mich tun.“
„Was?“
„Es geht um Roswitha Delgado.“
Tom Abu-Khalil atmete schwer. Er war bleich wie die Wand geworden und seine Augen flackerten unruhig.
„Was soll ich tun ?“, fragte er.
34
Jürgen Carnavaro und Olli betraten Friedhelms Snack Bar an der Pratnowitzer Straße.
Tom Abu-Khalil saß in sich zusammengesunken in der hintersten Ecke.
Jürgen blickte sich zunächst eingehend im Raum. Es waren kaum Gäste da.
Während Olli im Eingangsbereich Platz nahm, ging Jürgen an Abu-Khalils Tisch und setzte sich zu ihm.
„Was gibt es, Herr Abu-Khalil?“
„Sie sollten den veganen Hot Dog hier probieren. Ist sogar hallal, also auch für Muslime! Nirgends gibt es besseren“, sagte Abu-Khalil. „Ich selber bin leider magenkrank und muss solche Sachen meiden...“
“Das tut mir leid”, sagte Jürgen.
“Außerdem muss man von diesen Sachen furchtbar pupsen. Aber wenn Sie heute sowieso keine Verabredung mehr haben sollten...”
Abu-Khalil grinste.
Jürgen runzelte die Stirn. „Wissen Sie, wie spät es ist?“, fragte er. „Eine Viertelstunde und wir haben Mitternacht. Wenn Sie mich schon aus dem Bett klingeln, weil Sie angeblich eine Top-Information haben, dann hoffe ich für Sie, dass das nicht nur heiße Luft ist, weil ich dann nämlich ziemlich sauer werde.“
Tom Abu-Khalils Lächeln wirkte schwach. Unterhalb seines linken Auges zuckte es. Seine knorrigen Finger umfassten einen Becher mit Mineralwasser.
„Immer mit der Ruhe, Herr Carnavaro.“
„Ich höre!“
„Es geht um den Delgado-Fall. Ich habe da ein paar Neuigkeiten für Sie, die Sie brennend interessieren dürften...“
„Bitte!“
„Jemand aus dem engsten Umkreis von Vladi Gruschenko hat mich angesprochen.“
„Zufällig Artur Titow?“
„Ich kann nicht darüber reden, wer das war. Noch nicht. Und für das, was er gesagt hat, gibt es auch keinerlei gerichtsverwertbare Beweise. Aber andererseits stufe ich diese Quelle als absolut vertrauenswürdig ein und würde darauf wetten, dass deren Aussagen der Wahrheit entsprechen.“
„Dann schießen Sie mal los.“
„Roswitha Delgado hat ihre Finger dick in den Geschäften ihres Bruders gehabt. Die Immobilienfirma ihres Mannes war in Wahrheit nichts weiter als eine geschickt getarnte Geldwaschanlage.“
„Herr Abu-Khalil, da Sie ja selbst gesagt haben, dass Sie für diese Anschuldigungen keinerlei Beweise haben.“
„Gerald Witz hieß ihr Mann, nicht wahr?“
„Und wenn schon...“
„Er starb angeblich bei einem Autounfall. Aber ich kenne jetzt die tatsächliche Version der Geschichte.“
„Und die wäre?“
„Roswitha hatte sich geschäftlich und privat mit ihm auseinander gelebt.“
„So was soll vorkommen.“
„Ja, aber die altbekannte Story hat in diesem Fall noch eine andere Dimension. Gerald Wirtz war die Geldwäsche-Nummer wohl inzwischen zu heiß geworden. Er wollte sich daraus zurückziehen. Da ist Roswitha zu ihrem Bruder gegangen und der hat jemanden besorgt,