Die Stunde der Apachen: 12 Romane einer großen Western-Saga. Pete Hackett
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Читать онлайн книгу Die Stunde der Apachen: 12 Romane einer großen Western-Saga - Pete Hackett страница 49
Whitlock ritt nach Westen. Er spürte Durst. Das Gefühl wurde nach und nach übermächtig. Und dann begann das Pferd zu lahmen, das er ritt. Whitlock saß ab und untersuchte den Huf. Das Tier hatte sich einen spitzen Stein in die Hornsohle eingetreten. Es schnaubte und setzte den Huf nicht auf den Boden. Whitlock holte den Stein heraus. Hoch über ihm schwebten Geier. Er führte das Tier. Aber schon bald brannten ihm die Füße. Er stieg auf das Reservepferd. Das Schlucken bereitete ihm Mühe. Seine Speicheldrüsen waren versiegt. Seine Mundhöhle war trocken, seine Lippen wurden rissig.
Es hatte alles keinen Sinn mehr. Der Lieutenant wandte sich nach Norden. Als das Pferd, auf dem er saß, von selbst anhielt, stieg er ab. Die Tiere wollten nicht mehr. Nirgendwo gab es Schatten. Whitlock hob das Gesicht und blickte zum ungetrübten Himmel hinauf. Die Geier waren ihm gefolgt. Vor ihm lag eine staubige Ebene mit riesigen Saguaro Kakteen. Whitlock führte die Pferde zu einem der riesigen, stacheligen Gewächse, holte sein Messer aus der Satteltasche und schnitt ein Stück Fruchtfleisch aus dem Stamm der Pflanze. Es war feucht. Der Mann nahm sein Halstuch ab, breitete es am Boden aus und presste den Saft aus dem Fleisch des Kaktus. Das Tuch fing ihn auf und saugte sich voll. Als der Stoff feucht genug war, rieb Whitlock damit die Nasen der Pferde ab. Es brachte den Tieren momentane Linderung, stillte aber ihren Durst nicht.
Whitlock kaute etwas von dem Fleisch des Kaktus. Es schmeckte bitter, die Feuchtigkeit vertrieb die Trockenheit in seinem Mund, er spuckte es aus und schon wenig später war der alte Zustand wieder hergestellt. Er schob sich einen kleinen Kiesel in den Mund, lutschte ihn wie ein Bonbon, und hoffte so die Tätigkeit seiner Speicheldrüsen wieder anzuregen.
Vergeblich.
Alles in ihm schrie nach Wasser.
Die Sonne stand im Südwesten. Weit vor sich sah Whitlock Staub, mehr Staub, als dass ihn nur der Wind aufgewirbelt haben konnte. Die Staubwolke näherte sich ihm. Er bog nach Osten ab, stellte seine Pferde zwischen den Hügeln ab und stieg auf eine der Anhöhen, legte sich flach auf den Bauch und harrte der Dinge, die kamen.
Es waren fünf berittene Indianer. Sie hatten sich farbige Tücher um die Köpfe gewunden. Ihre Kleidung bestand aus Leinenhosen und –hemden und kniehohen Mokassins, bewaffnet waren sie mit Gewehren. Sie bewegten sich nach Süden. Das Sonnenlicht brach sich auf den Stahlteilen ihrer Gewehre. Wahrscheinlich folgten sie der Fährte der Patrouille, die Whitlock vor einigen Stunden begegnet war. Der Lieutenant begriff, dass Victorios Späher überall im Land unterwegs waren.
Er ließ die Apachen vorüberziehen und folgte wieder der Nordroute. Irgendwo musste es doch Wasser geben in diesem verdammten Land.
Dann stand die Sonne wie ein Fanal über dem Horizont im Westen. Die Schatten waren lang. Unerschütterlich zog der Lieutenant nach Norden. Schließlich war die Sonne versunken. Sie färbte mit ihrem Widerschein den Himmel purpurn. Rötlicher Schein hatte sich auf das Land gelegt. Es war noch immer heiß. Der Boden strahlte die Hitze zurück. Die Luft schien zu kochen. Einige Wolken zogen am Westhimmel entlang. Nach Norden hin verfärbte sich das intensive Rot zu einem schwefligen Gelb. Die Schatten lösten sich auf.
Whitlock zog auf der Spur der Apachen, die er gesehen hatte, allerdings folgte er ihnen nicht, sondern er ritt in die Richtung, aus der sie gekommen waren.
Und dann stieß Whitlock auf ein Wasserloch. Eine spiegelglatte Fläche Wassers, auf der sich ein feiner Staubfilm gebildet hatte. Felsen umgaben die Tinaja. Die Spuren von Kriechtieren waren auszumachen. Pferdespuren zeigten Whitlock an, dass sich die Krieger hier ebenfalls mit Wasser versorgt hatten. Das Wasser war also genießbar.
Der Weiße ließ sich vom Pferd gleiten. Seine Beine wollten ihn kaum noch tragen. Auf allen Vieren kroch er zum Wasser. Und er wollte seinen Augen nicht trauen, als er das tote Kalb sah, das in dem Wasserloch lag. Die Apachen mussten es hineingeworfen haben. Es war untergegangen und so hatte es der Lieutenant nicht sogleich wahrgenommen. Er zuckte zurück, kam hoch und zerrte die Pferde vom Wasser weg. Der Kadaver machte das Wasser ungenießbar. Ein Laut der Enttäuschung brach aus Whitlocks Kehle.
Der rötliche Schein auf dem Land löste sich auf, der westliche Horizont verfärbte sich grau. Nach wie vor schwebten hoch über ihm die Aasgeier.
Du kannst hier nicht bleiben!, durchfuhr es den Lieutenant. Du musst weiter und die Nacht durchmarschieren. Vielleicht schaffst du es zum Rio Grande. Hier gehst du kläglich vor die Hunde ...
Unter Einsatz seines letzten Willens machte er sich wieder auf den Weg. Er war wieder auf das Pferd gestiegen, das sich einen Stein eingetreten hatte. Das Tier lahmte nicht mehr. Aber es hatte auch unter dem Wassermangel zu leiden.
Da stieg Brandgeruch in Whitlocks Nase. Er kam mit dem Wind von Westen. Der Mann hielt an und schnupperte. Ein Irrtum war ausgeschlossen. Er zog das Pferd herum. Das Tier stapfte in die neue Richtung. Der Geruch intensivierte sich, und dann sah der Mann am Rand einer weitläufigen Mulde im letzten Licht des Tages die niedergebrannte Farm. Dahinter erhoben sich Büsche. Der Gedanke, dass sie einen Fluss oder Bach säumten, beflügelte Whitlock.
Das Bild, das sich ihm bot, war an Brutalität kaum zu überbieten. Drei Männer waren an die Querstangen eines Corrals gefesselt. Sie standen da wie gekreuzigt. Ihre Beine waren eingeknickt. Nur die Stricke, mit denen ihre Arme an die Gatter gefesselt waren, hielten sie aufrecht. Die Apachen hatten ihnen die Kehlen durchgeschnitten.
Im Hof lag eine tote Frau auf dem Gesicht. Ein Stück weiter ein Junge. Alle waren skalpiert. Ein Laut, der sich anhörte wie trockenes Schluchzen, entrang sich Whitlock. Vergessen war die eigene Not.
Aschefetzen wirbelten. Das Feuer war längst erloschen. Kreuz und quer lagen verkohlte Balken und Bretter. Es war wohl tatsächlich so, dass die Apachen nur noch den niedrigsten Trieben gehorchten. Sie hatten die Weißen regelrecht abgeschlachtet. Etwas kroch in Whitlock hoch, breitete sich in ihm aus, legte sich wie ein eiserner Ring um seine Brust und ließ ihn hart und stoßweise atmen.
Seine Pferde waren zum Fluss gelaufen und soffen. Schnell nahm die Dunkelheit zu. Auch Tyler Whitlock löschte seinen Durst und wusch sich Staub und Schweiß aus dem Gesicht. Dann füllte er seine Wasserflasche.
Er blieb nicht an diesem Ort des Grauens. Um die Toten zu begraben hatte er kein Werkzeug. Da er annahm, dass der kleine Fluss irgendwo weiter nördlich in den Rio Grande mündete, folgte er ihm. Und immer wieder erstand das Bild der Ermordeten Farmer vor seinem geistigen Auge. Es hatte sich ihm unauslöschlich eingeprägt. Unmenschlicher Hass regierte im Land, ein Hass, der betroffen machte.
Whitlock dachte daran, wie gut sich alles entwickelt hatte. Victorio und seine Mimbres waren bereit gewesen, im Reservat bei Tularosa sesshaft zu werden, das Land zu bebauen, in Frieden zu leben. Aber ein unerbittliches Schicksal wollte es anders. Hass und tödliche Leidenschaft eskalierten. Was hier zum Ausbruch gekommen war, war mit normalen Maßstäben nicht mehr zu messen. Das war kein Krieg mehr, in dem es darum ging, irgendein Recht zu verteidigen oder ein solches durchzusetzen. Das war nur noch ein gegenseitiges Abschlachten und Vernichten, bar jeder Menschlichkeit, nur noch einem kreatürlichen Instinkt gehorchend, der den Tod des Gegners zum Ziel hatte.
Der Lieutenant versuchte, die Gedanken, die ihn beschäftigten, aus seinem Bewusstsein zu verbannen, diese Gedanken, an deren Ende etwas Dunkles, Unheilvolles stand. Wie sollte sich das alles noch entwickeln? Gab es eine Steigerung?
Dem eisigen Wind seiner bohrenden und quälenden Gedanken ausgesetzt zog Tyler Whitlock dahin. Und erst gegen Mitternacht hielt er an. Er suchte sich einen Platz zum Kampieren.