Die Stunde der Apachen: 12 Romane einer großen Western-Saga. Pete Hackett
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Читать онлайн книгу Die Stunde der Apachen: 12 Romane einer großen Western-Saga - Pete Hackett страница 46
Auf dem Kamm eines Geröllhanges erschien ein Krieger. Mehr auf den Fersen seiner Mokassins schlitternd als laufend und verzweifelt mit den Armen rudernd, um das Gleichgewicht zu bewahren, kam er den Abhang herunter. Loser Untergrund kam unter ihm ins Rutschen, Steine sprangen vor ihm her in die Tiefe, und er musste alle Geschicklichkeit aufbieten, um nicht zu stürzen und von einer Gerölllawine mitgerissen zu werden.
Keuchend kam er unten an. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und aus den Augenhöhlen. Gehetzt schaute er sich um.
Er konnte Whitlock nirgends entdecken. Dieser war im Gewirr aus Fels und Dornengestrüpp verschwunden, als hätte es ihn nie gegeben.
Sein Gefährte pirschte um einen Fels. Der Krieger erschrak und richtete das Gewehr auf ihn. Im letzten Moment erkannte er seinen Verbündeten. Er bedeutete ihm, sich nach rechts zwischen die Felsen zu schlagen und verschwand nach links. Geduckt glitt er, jeden Schutz ausnutzend und unablässig um sich sichernd, im Schattenfeld eines der steinernen Riesen dahin. Es gab Spalten und Risse, an die er sich vorsichtig heranschob, in denen aber keine Gefahr für ihn lauerte.
Ein Schuss brüllte auf. Der Krieger blieb wie angenagelt stehen und drehte das Ohr in die Richtung, aus der er erklungen war. Die Echos antworteten, und in sie hinein peitschte hell eine Winchester.
Während der Apache sich wieder bewegte und an der rauen Wand entlangpirschte, kauerte Whitlock tief geduckt und flach atmend in einem klaffenden Riss.
Leise, huschende Schritte kamen näher. Whitlock sah den Gegner nicht, aber er wusste, aus welcher Richtung er heranpirschte. Der Lieutenant hielt das Gewehr fest gepackt. Vorsichtig spähte er über den Rand des Spalts, in dem er sich verkrochen hatte. Schweiß rann ihm in die Augen. Staub verklebte seine Poren. Seine Beinmuskulatur begann sich zu verspannen. Mit aller Macht spürte er die Erschöpfung nach den Strapazen der vergangenen Tage.
Als er den Krieger auftauchen sah, wartete er ab. Er wusste nicht, ob der andere in der Nähe steckte und er sich mit einem Schuss auf den Burschen, den er vor sich hatte, verriet. Whitlock entging nicht das Zögern des Apachen. Der Bursche war sich nicht sicher, ob er noch einen Schritt wagen konnte. Zwischen ihm und der Deckung eines wie von Riesenhand hingelegten Findlings auf der Sohle zwischen den Steilhängen betrug die Entfernung gut fünfzehn Schritte.
Whitlock verlor schließlich die Geduld. Er nahm einen Stein und schleuderte ihn über den Rand des Risses zwischen die Felsen. Der Indianer fiel prompt auf den plumpen Trick herein und reagierte ansatzlos. Er schnellte halb herum, duckte sich, um ein möglichst kleines Ziel zu bieten, und feuerte. Und jetzt ließ auch Whitlock seine Winchester sprechen. Er sah den Krieger hochtaumeln, registrierte sein Aufbrüllen, und kroch schnell in dem Spalt davon. Er hatte dem Apachen die Schulter zerschossen.
Atemlos erreichte einer der Krieger sein Pferd. Er leinte es los und warf sich in den Sattel. Plötzlich hatte er es höllisch eilig. Sein unsteter Blick sprang hin und her. Er war bereit, auf alles zu feuern, was sich bewegte. Wild hämmerte er dem Tier die Fersen in die Seiten. Das Pferd sprang mit einem harten Ruck an. Als es die Bodenbeschaffenheit zuließ, ließ der Krieger die Zügel schießen.
Der Hufschlag war weithin vernehmbar. Der Apache mit der zerschossenen Schulter tastete sich an einem Felsen entlang, presste seine Hand auf die stark blutende Wunde und der glühende Schmerz raubte ihm fast die Besinnung.
Auch Whitlock vernahm das sich schnell entfernende Hufgetrappel. Er presste die Lippen zusammen, sodass sie nur noch einen dünnen, blutleeren Strich bildeten. Das Pferd wurde nach Süden gejagt, in Richtung Grenze also. Whitlock richtete sich auf und rannte zurück. Plötzlich hatte er den verwundeten Apachen vor sich. Der Krieger klebte regelrecht mit dem Rücken an einem Felsen, die linke Hand auf die Schulterwunde pressend. Das Gewehr hielt er in der Rechten.
Sofort verhielt Whitlock, krümmte sich nach vorn und riss den Karabiner an die Hüfte.
»Nicht schießen!«, schrie der Krieger mit kippender Stimme und ließ das Gewehr fallen. Er hatte es im Mimbres-Dialekt hervorgestoßen, aber Whitlock verstand ihn dennoch. Der Apache rutschte langsam am Felsen zu Boden und stöhnte gequält.
Whitlock näherte sich dem Krieger mit der gebührenden Vorsicht. Die Heimtücke im Blick des Apachen war nicht zu übersehen. Er konnte Whitlock nicht täuschen, auch wenn er sich gab wie ein vom Schmerz ausgehöhlter und vom Blutverlust geschwächter Haufen Elend.
»Du gehörst zu Victorio, nicht wahr?«, presste Whitlock hervor und stieß den Krieger mit dem Gewehrlauf an. Er drückte ihm die Mündung gegen die Brust. Blut quoll zwischen den Fingern des Apachen hervor. Unter seinem linken Auge zuckte ein Muskel.
»Wir werden euch alle töten!«, zischte der Apache in schlechtem Englisch.
»Man hat Victorio Unrecht getan«, sagte Whitlock geduldig. »Ich will mit dem Häuptling sprechen. Mein Name ist Whitlock. Warst du dabei, als ich euch von Fort Wingate nach Tularosa brachte?«
»Nein. Du bist weiß und mein Feind.«
»Bring mich ins Lager Victorios, mein Freund. Wie ist dein Name?«
»Low Dog. Geredet ist genug geworden. Ihr Weißen habt mit gespaltener Zunge gesprochen. Jetzt herrscht Krieg.«
In den Augen des Kriegers blitzte es auf. Wie eine Warnung vor drohendem Unheil registrierte Whitlock es, und er vernahm hinter sich ein Geräusch. Er benötigte nicht den Sekundenbruchteil zwischen Erkennen und Reagieren. Und das rettete ihm das Leben. Ansatzlos wirbelte er herum und warf sich zur Seite. Ein Gewehrkolben pfiff an seinem Kopf vorbei, streifte ihn schmerzhaft an der Schulter, und er schaute in das verzerrte Gesicht des Apachen, der den Schlag geführt hatte. Der Schlag hätte ihm den Schädel zertrümmern sollen.
Whitlocks Bein schnellte hoch und sein Fuß knallte in den Leib des Kriegers. Er brüllte auf, brach auf die Knie nieder, riss instinktiv die Arme mit dem Gewehr hoch, aber da traf ihn Whitlock schon mit dem Gewehrkolben von der Seite gegen den Kopf. Er brach zusammen.
Der Krieger mit der Schulterwunde warf sich auf den Lieutenant, umklammerte ihn von hinten mit beiden Armen und stöhnte vor Schmerzen. Whitlock rammte den Ellenbogen zurück, traf den Krieger in den Leib und dieser löste seine Umklammerung. Der Lieutenant schleuderte sich herum. Da griff der Bursche, der am Boden lag, mit beiden Händen zu und erwischte ihn am rechten Knöchel. Whitlock versuchte sein Bein aus der Umklammerung zu zerren, rammte den Gewehrkolben auf den Krieger hinunter und traf ihn zwischen den Schulterblättern. Die Hände des Apachen öffneten sich, Whitlocks Bein war frei. Der Lieutenant schlug mit dem Gewehrlauf nach dem Apachen mit der Schulterwunde. Der Krieger brach zusammen.
Der Lieutenant hob die Waffen seiner Gegner auf und schleuderte sie weit fort. Dann verband er die Wunden der beiden Apachen und flößte er ihnen etwas Wasser zwischen die Lippen. Sie waren wach. Unter halb gesenkten Lidern hervor beobachteten sie ihn. In ihren dunklen Augen glomm das Feuer einer nicht zu unterdrückenden Leidenschaft, da waren aber auch Unsicherheit und Unverständnis.
»Warum tötest du uns nicht?«, fragte einer der Krieger kehlig. Es war der mit der Schulterverletzung. Der andere hatte nur eine stark blutende Platzwunde am Kinn, die er sich zuzog, als ihn Whitlock mit dem Gewehr aus dem Sattel schlug. Der dritte der Krieger war tot.
»Was hätte ich davon?«, fragte Whitlock.
»Zwei tote Feinde mehr...«