Die Stunde der Apachen: 12 Romane einer großen Western-Saga. Pete Hackett
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Der Krieger spuckte aus. »Worte sind Schall und Rauch, Nantan. Man hat dem roten Volk lange genug Sand in die Augen gestreut. Friede wird erst sein, wenn der letzte Weiße tot ist.«
Whitlock zog die Unterlippe zwischen die Zähne und kaute darauf herum. »Fürchtest du, dass ich in Victorios Lager reiten und ihn töten könnte?«
»Es wäre auch dein Tod.«
»Na siehst du. Sehe ich aus wie ein Selbstmörder?«
»Victorio wird dich töten lassen.«
»Darauf lasse ich es ankommen.«
»Mir scheint, du bist sehr mutig.«
»Ich will Frieden.«
»Enju, Nantan, ich glaube dir. Wir bringen dich zu Victorio. Sei dir klar, dass du offenen Auges in dein Verderben rennst.«
»Warten wir es ab. Victorio ist ein vernünftiger Mann. Er wird sich meinen Worten zugänglich erweisen.«
Whitlock verspürte eine Art von Triumph in sich. Er war Victorio so nahe wie nie zuvor seit seinem Aufbruch in Tularosa. Angst spürte er nicht. Tief in seinem Innersten war er davon überzeugt, dass Victorio kein blindwütiger Mörder war, dass dem Häuptling der herrschende Zustand ebenso wenig gefiel wie den vielen Menschen im Land, die sich nach Ruhe und Frieden sehnten.
*
Die mexikanischen Soldaten hatten sich zu beiden Seiten der Schlucht verborgen. Die beiden Ausgänge waren abgesperrt. Der Morgen graute.
Die Squaws im Lager der Apachen entzündeten Feuer. Sie holten Wasser von dem kleinen Creek, der sich durch die Schlucht sein Bett gegraben hatte. In Seilcorrals befanden sich die Reittiere der Krieger. Einige Schafe und Ziegen liefen frei in der Schlucht herum. Ein Hund bellte. Ein anderer stimmte ein.
Die Soldaten hatten in der Nacht Stellung bezogen. Die Apachen waren arglos. Erst am Vorabend war eine Gruppe Krieger zurückgekommen. Sie hatten eine Hazienda überfallen, die Bewohner getötet und einige Dutzend Rinder abgetrieben.
Ihrer Spur war die Patrouille gefolgt. Die Scouts hatten das Lager der Apachen gefunden. Es befand sich in der Sierra Amargosa. Im Schutz der Nacht hatten sie das Lager umzingelt.
Vögel begannen zu zwitschern. Die Krieger krochen aus ihren provisorischen Unterkünften und Tipis, von denen es allerdings nur wenige gab. Sie dehnten und reckten sich – und sie waren arglos.
Es wurde hell. Die Sonne stand im Osten. Kinder spielten. Hunde tollten durch das Lager. Die Kochfeuer brannten. Frauen versahen die tägliche Arbeit. Einige alte Männer hockten vor den behelfsmäßigen Unterkünften am Boden und rauchten Pfeife.
Und dann fiel ein Schuss.
Es war der Auftakt zu einer blutigen Tragödie. Die Soldaten rings um das Lager eröffneten das Feuer. Die beiden Gruppen, die die Zugänge zur Schlucht besetzt hielten, rückten vor. Squaws packten ihre Kinder und ergriffen die Flucht. Alte humpelten hinter ihnen her. Schreie der Angst, des Entsetzens und der Verzweiflung wurden laut. Kinder fingen zu weinen an. Die Krieger holten ihre Waffen, soweit sie nicht schon unter den ersten Salven zusammengebrochen waren.
Soldaten sprengten brüllend, schießend und säbelschwingend zur Mitte des Lagers und trieben die vom Grauen geschüttelten Menschen zusammen. Die ersten Zweighütten und Tipis gingen in Flammen auf. Die Soldaten trieben ihre Pferde hin und her, verfolgten Flüchtende und hieben und schossen sie nieder. Sie befanden sich in einem wahren Blutrausch und waren nur vom Willen zum Töten beseelt. Rauchschwaden zogen davon; dunkel, dichtgeballt, wie Signale von Untergang und Verderben. Staub wogte und vermischte sich mit dem Rauch.
Die Soldaten trieben die wenigen Überlebenden davon. Stille senkte sich in die Schlucht – die absolute Stille des Todes...
Als am späten Nachmittag eine Gruppe von Apachen in die Schlucht kam und vor dem Bild des Grauens stand, hatte der Wind die Spur der Soldaten verweht. Die Feuer, die die Tipis und anderen Unterkünfte vernichtet hatten, waren ausgegangen. Schwärme von Fliegen hatte der Blutgeruch angezogen. Es gab kaum Überlebende.
Victorio sprach mit einem verwundeten alten Mann. »Sie kamen, kurz nachdem es Tag geworden war«, sagte der Alte. Schweiß rann über sein zerfurchtes Gesicht. Seine Lippen zuckten. »Plötzlich krachten Schüsse. Sie haben auf alles geschossen, was sich bewegte. Die wenigen Überlebenden haben sie mitgenommen. Uns, die verwundet sind und sterben werden, ließen sie liegen. Es ist schlimm. Die Weißen führen sogar Krieg gegen Frauen und Kinder.«
Victorio richtete sich auf. Unter den Toten waren auch seine Squaw und sein jüngerer Sohn. Sein Mund war schmal, eine harte Linie in seinem asiatisch anmutenden Gesicht. In seinen Augen spiegelte sich der unversöhnliche Hass wider. »Reitet in die Reservate, Krieger, und berichtet unseren Brüdern und Vettern von dem Massaker, das die mexikanischen Bastarde hier angerichtet haben. Fordert unsere Brüder und Vettern in White Mountain und Tularosa auf, sich zu uns zu gesellen. Es kann keinen Frieden mehr geben zwischen Weiß und Rot. Wir werden unsere toten Frauen und Kinder furchtbar rächen.«
Victorios Herz war kalt und tot. Er kannte nur noch ein Ziel. Blutige Rache...
*
Die beiden Krieger brachten Whitlock in die Schlucht. Der Magen drehte sich dem Lieutenant um, als ihm das Bild von Tod und Untergang mit furchtbarer Intensität in die Augen sprang. Seine Kehle trocknete schlagartig aus. Ein Ton kämpfte sich in ihm hoch, ein zittriger Laut des Entsetzens, der im Ansatz erstickte. Das Grauen wob in seinen Augen.
Die Apachen hatten ihre Toten nicht beerdigt. Um sie zu verbrennen fehlte es am nötigen Holz. Also hatten sie sie liegen lassen.
Verwesungsgeruch erfüllte den Platz zwischen den Felswänden. Aasgeier und Coyoten hatten den Leichen teilweise schon das Fleisch von den Knochen gerissen. Einige der Geier saß am Boden und drehten die hässlichen Köpfe in die Richtung der drei Reiter, die am Rande des Schauplatzes dieses Irrsinns brutaler Gewalt verharrten. Zwei der großen Vögel stritten sich um ein Stück Beute. Mit den Flügeln schlagend gingen sie zornig krächzend aufeinander los.
»Großer Gott!«, entrang es sich Whitlock. Er war angewidert, erschüttert, ergriffen, das Grauen würgte ihn. Eine ganze Gefühlswelt in den Augen ließ er seinen Blick über die Stätte des Todes gleiten. Und er fragte sich, wozu Menschen noch fähig waren.
Auch die Mienen der beiden Krieger zeigten Entsetzen. Einer von ihnen saß ab und ging zwischen den Toten herum. Seine Lippen bewegten sich, doch drangen keine Worte über sie. Dann kam der Apache zurück. »Ich habe meinen Vater gesehen.« Seine Stimme klang dumpf. »Er ist tot. Sie haben ihn erschlagen wie einen räudigen Hund.«
»Hast du Victorio gefunden?«, fragte Whitlock. »Ist auch er tot?«
»Nein. Der Häuptling