Taunusschuld. Osvin Nöller

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Taunusschuld - Osvin Nöller Gramberg-Reihe

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Mitte zwanzig. ­Melanie erkannte Sarah Schwenke und Felix ­Hummer, die zum Ermittlerteam gehörten, und grüßte sie mit einem Kopfnicken. Falls sie überrascht waren, ­Melanie hier anzutreffen, ließen sie es sich zumindest nicht anmerken. ­Schubert gab ihnen die Anweisung, die anderen Zeugen zu befragen.

      ­Jühlich schien bewusstlos zu sein, als er auf eine Trage gehoben wurde. Der Notarzt legte ihm eine Infusionsflasche auf die Brust, sah dabei kurz auf den Monitor des daneben liegenden EKG-Geräts. Zwei Sanitäter fuhren den Verletzten hinaus.

      Die zuvor kollabierte Angestellte hatte sich anscheinend etwas erholt. Sie saß mit einem Glas Wasser in der Hand leichenblass auf einem Stuhl, während die zweite Mitarbeiterin ihnen entgegenkam.

      „Ich heiße Maike Erler“, stellte sie sich vor.

      ­Schubert nannte die Namen des Teams und ließ sich den Überfall von ihr schildern. Die Aussage deckte sich inhaltlich mit ­Melanies, war allerdings nicht ganz so präzise.

      „Sie sagten, Herr ­Jühlich öffnete eine Schublade“, hakte ­Sandro nach. „Können Sie sich einen Grund dafür vorstellen ? Wenn ich Sie recht verstanden habe, gab der Täter keine Befehle. Was ist denn dort drin ?“

      „Nur der Schlüssel für das Büro“, erklärte Erler. „Es ist immer abgeschlossen, weil sich da ein Tresor und die wertvollsten Schmuckstücke befinden. Gerade gestern erst sind neue Diamanten eingetroffen.“

      ­Melanie überlegte. Der Typ hatte zwar erkennbar mit der Waffe auf die hintere Tür gezeigt, aber nichts gesagt. Warum hatte der Juwelier, quasi in vorauseilendem Gehorsam, dort aufschließen wollen ?

      ­Schubert runzelte ebenfalls die Stirn.

      „Öffnen Sie bitte den Raum“, bat ­Sandro die Angestellte.

      ­Hummer gesellte sich zu ihnen. „Die Angaben der Zeugen des Überfalls sind mager“, erklärte er.

      Die Mitarbeiterin holte den Schlüssel aus der Schublade und ging voraus.

      Es handelte sich um eine Kombination aus Büro und Tresorraum. Dominiert wurde alles von einem deckenhohen Panzerschrank, dessen Tür angelehnt war. Außerdem war an der linken Wand eine Arbeitsplatte befestigt, auf der unterschiedliche Schmuckstücke lagen. Ergänzt wurde die Einrichtung durch einen Schreibtisch, einen Büroschrank und ein Regal, auf dem Ordner und einige Fotos standen.

      ­Schubert drehte sich langsam im Kreis, er schien dabei jede Einzelheit aufzusaugen. „Sind die Diamanten im Safe ? Dürfen wir die einmal sehen ?“

      Erler zögerte. Schließlich ging sie auf den Tresor zu und zog die schwere Tür weiter auf. In verschiedenen Fächern lagen rote Ledermäppchen, deren Anzahl ­Melanie auf dreißig bis vierzig schätzte.

      ­Schubert ergriff ein Mäppchen und öffnete es. Ein kleiner Edelstein funkelte darin. Unter ihm steckte eine mit Stempel und Unterschrift versehene Urkunde.

      Er wandte sich der Mitarbeiterin zu. „Wie viel ist so einer wert ?“

      Sie nahm ihm die Mappe aus der Hand und blickte auf das Zertifikat. Es war, als spräche sie zu sich selbst. „Ein in Tropfenform geschliffener Diamant von der Reinheit fl, was so viel wie absolut lupenrein bedeutet. Klassifizierung D, demnach hochfein weiß. Ein Karat.“ Sie ging zu dem auf dem Schreibtisch stehenden Computer und machte ein paar Eingaben. „Der Stein wird derzeit auf rund 20.000 Euro taxiert.“

      ­Schubert riss die Augen auf und zeigte auf den Panzerschrank. „Die anderen dort sind genauso wertvoll ?“

      Erler nickte. „Vermutlich, müsste man jetzt aber einzeln nachsehen.“

      In ­Melanies Magen entwickelte sich ein flaues Gefühl. In diesem Raum lagerte ein Vermögen, das dem Täter in die Hände gefallen wäre, hätte er sich nicht so dilettantisch verhalten.

      ***

      ­Melanie schloss am frühen Nachmittag den Hintereingang zur Gaststätte Zum Silbernen Bein auf. Auch wenn die Wirtschaft noch geschlossen war, hielten sich Katja und Siggi bestimmt dort auf.

      Sie blieb im Treppenhaus stehen, als die Anspannung der letzten Stunden von ihr ein wenig abfiel und sich ihre Gedanken verselbständigten. Es war schön, die beiden als Freunde zu haben. Der Oberstaatsanwalt a. D. und die angeheiratete Nichte seiner Schwester, eine nun sesshaft gewordene Weltenbummlerin, waren die einzigen Hinterbliebenen einer Familie mit einer bedrückenden Vergangenheit. ­Melanie hatte sie im Verlauf von Ermittlungen kennengelernt, als sie in die Familiengeschichte eintauchen und schreckliche Geheimnisse aufdecken musste. Die gemeinsamen Erlebnisse hatten sie überraschenderweise regelrecht zusammengeschweißt.

      ­Melanie war Katja unendlich dankbar, dass sie ihr das Angebot gemacht hatte, eine leerstehende Wohnung im angrenzenden Haus zu beziehen und dort ihre Privatdetektei einzurichten. So bekam sie die Chance, mit Hamburg, der Stadt, in der sie so viel Leid und Frust erlebt hatte, abzuschließen. Sie hatte endlich ein Zuhause, in dem sie sich wohl fühlte. Zum ersten Mal seit Jahren. Sie seufzte und betrat den Gastraum.

      Siggi strahlte sie an. „Mel, schön, dich zu sehen.“ Er umarmte sie und gab ihr einen Kuss auf die Wange.

      „Hi. Du wirst nicht glauben, was mir heute passiert ist.“

      Er verengte die dunklen Augen zu schmalen Schlitzen und zupfte den schlohweißen Vollbart, der ihm zusammen mit den gepflegten wallenden Haaren, das charismatische Aussehen eines Grandseigneurs verlieh.

      Mit einer Kopfbewegung deutete er auf einen der derben Holztische. „Lass uns hinsetzen und warten, bis Katja aus dem Keller kommt. Sie müsste gleich da sein.“

      Sein Verhalten zeigte ihr, wie gut er sie kannte und dass er längst bemerkt hatte, wie stark sie etwas beschäftigen musste. War das noch der Siegfried Graf zu Biebenau, den sie während seines selbstgewählten Obdachlosendaseins kennengelernt hatte ? Ihm war der Sprung zurück in die Zivilisation perfekt gelungen. Er genoss die neue Rolle als Teilhaber der Gaststätte sichtlich. In wenigen Wochen wurde er einundsechzig, kaum zu glauben. Er war für sie eine Art väterlicher Freund geworden, mit dem sie über alles sprechen konnte. Er sah in ihr vielleicht so etwas wie eine Tochter, zumal er seine vor rund sechzehn Jahren auf tragische Weise verloren hatte.

      „Aha, wir haben Besuch“, holte sie Katja aus ihren Gedanken. Sie stellte eine Flasche Almdudler und ein Glas auf den Tisch. „Was gibt es Neues in der unfreundlichen Welt ?“

      ­Melanie bedankte sich für das Getränk und berichtete mit hastigen Worten von dem Überfall und der Begegnung mit ­Schubert und ­Sandro. Die Wirtsleute hörten konzentriert zu. Katja spielte mit ihrem Nasenpiercing und drehte dann eine Strähne ihrer langen schwarzen Haare um einen Finger. „Ich habe davon in Facebook gelesen. Da warst du dabei ? Krass.“

      „Hab ich mir nicht ausgesucht“, entgegnete ­Melanie grinsend. Sie wurde wieder ernst. „Irgendetwas hat da übrigens nicht gestimmt !“

      Siggi kratzte sich am Kopf. „Wie kommst du darauf ? Meinst du was Konkretes oder spricht gerade dein Bauch ?“

      „Überleg mal: Da erscheint ein dilettantischer Typ ausgerechnet einen Tag, nachdem Diamanten im Wert von zig Tausenden geliefert werden. Er spricht keinen Ton, worauf der Juwelier nichts Besseres zu tun hat, als nach dem Schlüssel zu dem Raum zu greifen, in dem sich die Klunker befinden. Das passt doch hinten und vorne nicht ! Warum wartet er nicht ab, was der Täter von ihm fordert, und lässt ihn vielleicht nur die Vitrinen

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