Taunusschuld. Osvin Nöller
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Sie betrat den Flur ihrer Wohnung, hängte ihre Strickjacke auf einen Bügel an die Garderobe, schlüpfte aus den Sneakers und schob diese unter ein Schuhregal. Auf Strümpfen lief sie in die Küche, öffnete den Kühlschrank, um eine Flasche Almdudler herauszunehmen. Den Deckel entfernte sie mit dem an der Kühlschranktür befestigten Öffner.
Ihr nächster Weg führte sie ins Wohnzimmer, in dem die Möbelstücke völlig verschieden waren, aber trotzdem zusammenpassten. Erbstücke und Teile vom Flohmarkt ergänzten sich in ihren Augen prima, hier fühlte sie sich wohl.
Sie ließ sich aufs braune Stoffsofa fallen und stutzte, als sie das Kontrolllicht ihres privaten Laptops entdeckte. Er befand sich im Standby-Modus, obwohl sie davon überzeugt war, ihn am gestrigen Abend ausgeschaltet auf dem Couchtisch zurückgelassen zu haben. Melanies Haut kribbelte plötzlich, ein sicheres Zeichen der einsetzenden Alarmbereitschaft.
Ihr fiel nichts Ungewöhnliches auf. Sie öffnete ihr Postfach und las einige unbedeutende Mails, um anschließend das Notebook auszuschalten.
Das Gefühl, dass jemand in der Wohnung gewesen sein könnte oder sogar noch anwesend war, wollte nicht verschwinden. Sie horchte. Bis auf das Surren der Zeitschaltuhr, an die eine Stehlampe angeschlossen war, herrschte totale Stille.
Sie schlich zurück in den Flur und schob die angelehnte Schlafzimmertür vorsichtig auf. Alles war wie immer. Dennoch stieß sie die Tür bis zum Anschlag auf, um sicherzugehen, dass sich dahinter niemand versteckte. Auch im Bad und dem anderen Zimmer gab es keinerlei Hinweise, dass sich hier eine Person aufgehalten hatte. Allmählich löste sich die Anspannung.
In diesem Moment hörte sie das Signal einer eingehenden Mitteilung auf ihrem Smartphone. Sie hatte es im Wohnzimmer auf dem Couchtisch zurückgelassen.
Die Nummer des Absenders verursachte bei ihr sofort Gänsehaut.
***
Pascal Wolter saß in der Justizvollzugsanstalt Hamburg-Winterhude in seiner Zelle, tippte die Worte „Es geht los“ in ein Smartphone und schaltete es aus. Schnell steckte er es in die Hosentasche. Er nahm das Tablet vom Tisch und verstaute es unter dem Anstaltshemd im Hosenbund.
Die Gedanken umkreisten eine Person: Melanie Gramberg! Die Frau, die dafür verantwortlich war, dass er vermutlich nie wieder frei sein würde. Alles, was ihm blieb, war der Versuch, das Leben im Gefängnis so angenehm wie möglich zu gestalten. Glücklicherweise war ihm das bisher gelungen, auch wenn ihn das sehr viel Geld kostete.
Rachegelüste hatten sich bei ihm eingebrannt, schrien unentwegt danach, endlich befriedigt zu werden. Sein Plan war perfekt, da war er sich sicher. Er würde die Gramberg zunächst quälen, bis sie den Verstand verlor, um sie am Ende auszulöschen. Die Vorkehrungen waren getroffen, der Startschuss gegeben. Seine Helfer standen bereit. Wahrscheinlich brachte ihm das Vergnügen eine zusätzliche Strafe ein. Das war ihm egal, was sollte ihm schon passieren? Mehr als lebenslänglich mit anschließender Sicherungsverwahrung war nicht möglich! Es war ihm klar, dass das Urteil im demnächst anstehenden Prozess nur so lauten konnte.
Es klopfte, der Riegel der Zellentür wurde zurückgeschoben. Zwei Justizbeamte betraten die Zelle.
„Es geht los. Ihr Anwalt erwartet Sie im Besucherraum.“ Der Ältere hielt ihm Handschellen entgegen.
Unaufgefordert hob Wolter die Hände nach vorne, um sich fesseln zu lassen. Normalerweise hätte man ihn durchsucht. Diese Prozedur hatte er längst mit überzeugenden Argumenten abgeschafft und dafür gesorgt, dass in solchen Fällen stets dieselben Wachhabenden erschienen.
Sie waren im Besucherraum allein mit einem Justizangestellten, ein Umstand, der ihnen sehr recht war. Zumal der Beamte die ganze Zeit mit seinem Handy spielte.
Wolter schob das Smartphone und das Tablet rasch über den Tisch. Rechtsanwalt Jakob Hengstler ließ die Gegenstände in seiner Aktentasche verschwinden.
„Verwahren Sie die gut. Ich kann sie bis auf Weiteres nicht gebrauchen. Vermutlich wird meine Zelle in den nächsten Tagen auseinandergenommen, sie sollte dann sauber sein. Ich sage Ihnen Bescheid, wenn ich wieder an die Außenwelt angebunden werden möchte.“
Hengstler nickte. „Ich möchte noch einmal betonen, dass das Risiko, aufzufliegen, praktisch bei hundert Prozent liegt. Außerdem wird man schnell merken, dass alles gefälscht ist. Die Gramberg wird das Schauspiel schnell beenden!“
Wolter grinste. „Mag sein. Sie wird aber ein paar heftige Tage haben. Außerdem bleibt immer was hängen.“ Er schaute kurz zum Aufpasser, der ihnen gerade den Rücken zukehrte. „Es wird der Anfang vom Ende der Schlampe sein“, flüsterte er.
Der Besucher hob die Augenbrauen. „Wie meinen Sie das?“
Wolter lachte. „So, wie ich es sage, aber Sie müssen nicht alles wissen, sondern nur das umsetzen, was ich in Auftrag gebe!“
***
„Herr Jühlich, zum letzten Mal“, Dr. Kaufmanns Stimme klang genervt, „ich halte es in meiner Funktion als Chefarzt dieser Klinik für brandgefährlich, wenn Sie das Krankenhaus in Ihrem Zustand verlassen. Eine Infektion oder eine plötzlich auftretende innere Blutung können Sie in akute Lebensgefahr bringen!“
Der Juwelier verzog das Gesicht und griff nach den Armlehnen des Rollstuhls. Es war der dritte Versuch, ihn davon abzuhalten, sich selbst zu entlassen. Natürlich wusste er, welches Risiko er einging. Es musste jedoch sein, denn er hatte noch einiges zu erledigen, bevor ihn die Polizei befragen würde. Bisher hatten die Ärzte eine Vernehmung untersagt. Das würde sich jetzt ändern.
Es war praktisch alles schiefgegangen, deshalb ging es nunmehr um Schadensbegrenzung. Zunächst galt es, ungestört Kontakt nach Antwerpen aufzunehmen.
„Das habe ich ihm auch gesagt, Herr Doktor“, mischte sich Michaela ein. „Er ist und bleibt ein Sturkopf! Dirk, willst du es dir nicht doch noch einmal überlegen?“
Es reichte ihm, er hob die Stimme. „Nein! Ich habe mich entschieden. Mein Geschäft wurde überfallen und ich muss mich darum kümmern.“ Er stieß seine Frau an. „Los jetzt, wir fahren.“
„Dann wünsche ich Ihnen baldige Genesung. Mehr kann ich nicht für Sie tun.“ Der Arzt blickte an ihm vorbei und gab Michaela mit einem kurzen Kopfnicken die Hand.
„Danke, Herr Doktor, es tut mir leid.“ Sie packte die Griffe des Rollstuhls und schob ihren Mann in Richtung Aufzug.
Dirk war es ganz recht, dass sie sauer war und nicht sprach. So konnte er ungestört nachdenken. Es war ein Fehler gewesen, den Jungen mit dem Überfall zu beauftragen. Wo hielt der sich überhaupt auf? Er musste ihn unbedingt finden, bevor das der Polizei gelang.
Die