Taunusschuld. Osvin Nöller

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Taunusschuld - Osvin Nöller Gramberg-Reihe

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„Ich bin mir sicher, wenn der Schuss nicht gefallen wäre, hätte ­Jühlich das Büro ohne Aufforderung aufgeschlossen und die Steine freiwillig herausgerückt.“

      Siggi verschränkte die Hände im Nacken. „Glaubst du, er wollte den Juwelier erschießen ?“

      „Nein“, erklärte sie bestimmt. „Der Typ war völlig überfordert und ist über den Einkaufswagen gestolpert, wodurch sich der Schuss gelöst hat. Das war so nicht geplant. Außerdem war im Laden irgendetwas anders, als er es erwartet hat. Er ist kurz nach dem Betreten des Ladens mit einem Mal total abgedreht.“ Sie nahm einen Schluck von der Kräuterlimonade.

      „Wird ein Junkie auf Dope gewesen sein“, warf Katja ein.

      ­Melanie schüttelte erneut den Kopf. „Das denke ich nicht. Ich wette, ­Jühlich wusste, dass der Überfall stattfinden würde, und wollte dem Täter die Steine geben ! Wenn ihr mich fragt, war das ein geplanter Versicherungsbetrug. Versicherungssumme kassieren und gleichzeitig die Diamanten verkaufen ! Nur die Kugel kam unverhofft dazwischen !“

      Siggis Blick verriet ihr, dass er noch nicht überzeugt war. „Bisschen viel Aufwand, findest du nicht ? Ein fingierter Einbruch wäre viel einfacher gewesen. Hast du deine Gedanken der Kripo mitgeteilt ?“

      „Dazu war keine Zeit. Ich bin morgen wegen meiner Aussage im Präsidium. Bin gespannt, was die Herrschaften herausgefunden haben.“

      Er lachte. „Was für ein Glück, dass ­Schubert und ­Kimmerle ermitteln. Übertreib es aber nicht damit, den beiden auf den Nerv zu gehen.“

      ­Melanie verzog das Gesicht.

      Er wechselte plötzlich das Thema. „Sag mal, wie geht es deiner Schwester ? Hattest du nicht gestern den Termin mit dem Arzt im Pflegeheim ?“

      „Unverändert. Dr. Voigt kann sich nach wie vor nicht erklären, warum Anja im Wachkoma liegt, obwohl ihr Gehirn anscheinend tadellos arbeitet. Das einzig Neue ist, dass sie von einem anderen Pfleger betreut wird, der vor ein paar Tagen im Heim begonnen hat. Er scheint nett und kompetent zu sein.“

      Katja legte die Hand auf ­Melanies Arm. „Wenigstens etwas. Gibt es denn eine realistische Chance, dass sie aufwacht ?“

      ­Melanie zuckte mit den Schultern. „Der Arzt sagt, Hoffnung gäbe es immer, allerdings wird es mit jedem Tag, der vergeht, schwieriger. Das hat er zwar nicht direkt gesagt, ist mir aber klar.“

      „Du musst daran glauben !“, beschwor Katja sie eindringlich.

      „Wenn es so einfach wäre ! Das Attentat geschah am 17. Mai. Das sind jetzt sechs Monate.“

      Ihr Smartphone meldete eine eingehende Nachricht. Sie schaltete das Display an, registrierte eine unbekannte Rufnummer und las. Das Blut schien ihr in den Adern zu gefrieren.

WA-S15

      ***

      Im Verkaufsraum des Juweliergeschäfts wimmelte es von Mitarbeitern der Kriminaltechnik in weißen Overalls. ­Martin ­Schubert hatte die beim Überfall anwesenden Personen mit der Aufforderung entlassen, am darauffolgenden Tag in die Polizeidirektion in der Saalburgstraße zu kommen, um eine schriftliche Aussage zu machen. Die Mitarbeiterin, die den Schwächeanfall erlitten hatte, war mit einem Rettungswagen in die Hochtaunus-Kliniken gebracht worden. Einzig Maike Erler war geblieben.

      „Sagen Sie, gab es heute irgendetwas Besonderes ?“, erkundigte sich ­Martin, während er am Schreibtisch im Büro lehnte. Neben ihm stand ­Sandro. „Es ist wichtig. Lassen Sie sich Zeit und überlegen Sie.“ Er schätzte die Angestellte auf Ende dreißig.

      Sie wirkte ruhig und schien nachzudenken. „Nicht wirklich. Vielleicht war ein bisschen viel los.“

      „Verhielt sich Herr ­Jühlich anders als sonst ?“ Ihm ging ­Melanie Grambergs Schilderung des Tathergangs nicht aus dem Kopf.

      „Nein, er war wie immer. Außer, dass er ziemlich sauer war, weil ­Simone zur Arbeit erschienen ist. Sie hat eine Grippe und ist noch krankgeschrieben.“

      „Sie sprechen von Ihrer Kollegin ­Simone ­Dörling ? Wie muss ich mir sauer vorstellen ?“, bohrte ­Martin weiter.

      Erler nickte. „Na, er hat sie angeblafft und wollte sie heimschicken. Es gab ein regelrechtes Wortgefecht. Das kenne ich bei denen gar nicht.“

      „Wie meinen Sie das ?“

      „Nun ja, wie soll ich es ausdrücken ?“ Sie wurde rot. „­Simone hat hier eine besondere Stellung.“

      ­Martin verschränkte die Arme und stellte sich auf, wodurch er mit ihr auf Augenhöhe kam. „Nun lassen Sie sich nicht jedes Wort aus der Nase ziehen !“, forderte er streng. „Haben die beiden was miteinander ? Ist es das ?“

      Sie trat einen Schritt zurück. „Das … das weiß ich nicht. Zumindest hatten sie mal eine Affäre. Von mir haben Sie das aber nicht !“ Ihre Augen begannen zu glänzen. „­Simone hat halt Narrenfreiheit. Er widerspricht ihr so gut wie nie.“ Jetzt liefen die ersten Tränen die Wangen hinunter.

      Wie er das hasste ! Weinende Frauen. Er bemühte sich, freundlich zu klingen. „Entschuldigen Sie, ich wollte Sie nicht einschüchtern. Es ist nur so, wir müssen uns ein möglichst umfassendes Bild machen. Wir sind bestimmt gleich fertig. Ist sicher alles ein bisschen viel für Sie. Gibt es eigentlich eine Ehefrau ?“

      Erler schnäuzte in ein Papiertaschentuch und nickte. „Ich habe versucht, sie zu anzurufen, konnte sie aber nicht erreichen.“

      „Kein Problem, das übernehmen wir.“

      Ein lauter Knall ließ ­Martin zusammenzucken und herumfahren.

      Felix ­Hummer bückte sich nach einem auf dem Boden liegenden Bilderrahmen. „Sorry, ist mir runtergefallen“, stammelte er, als er wieder hochkam.

      ­Martin ging hinüber und nahm ihm das Foto aus der Hand. „Hast Glück gehabt, dass der Rahmen noch ganz ist.“ Er pfiff durch die Zähne. „Na, das ist ja ein schnuckeliges Geschoss. Bisschen spezielle Farbgestaltung, sonst jedoch ein Traum.“ Das älter wirkende Bild zeigte einen knallgelben Sportwagen mit grünen Seitenstreifen. Neben dem Fahrzeug strahlte ein Mann in einem Overall in die Kamera.

      ­Sandro gesellte sich zu ihnen. „Was ist an dem so besonders ?“

      ­Martin rollte mit den Augen. „Die Frage kann nur von dir kommen. Das ist ein Lotus Europa S 1 ! Von dem gab es weltweit maximal 300 Exemplare“, dozierte er.

      Er ging zu Maike Erler und hielt ihr die Aufnahme entgegen. „Ist das Herr ­Jühlich ?“

      „Ja, in deutlich jüngeren Jahren.“

      „Wissen Sie, ob er das gute Stück noch besitzt ?“

      Sie zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Kenne den Wagen nur von dem Foto.“

      Er stellte den Rahmen zurück in das Regal und wandte sich an die Kollegen. „Wir packen hier alles ein, auch die geschäftlichen Ordner.“ Er zeigte zum Schreibtisch. „Und den Computer.“

      Erler räusperte sich. „Dürfen Sie das überhaupt ?

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