Henkersmahl. Bärbel Böcker
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Читать онлайн книгу Henkersmahl - Bärbel Böcker страница 12
»Das riecht ja fantastisch.« Florian kräuselte die Nase. Er und seine Mutter gingen hinüber zum Esstisch und nahmen Platz.
»Möchten Sie das übernehmen?« Anna hielt der Hausherrin eine Weinflasche hin und sah sie fragend an.
Florians Mutter studierte das Etikett, nickte zufrieden und schenkte ein. Anna verschwand Richtung Küche.
»Nimmst du keine Kartoffeln?« Marie-Louise sah Florian erstaunt an. »Oder hast du etwa Angst, die zu essen? Sie sind garantiert einwandfrei. Hat unser Gärtner selbst gezogen.« Sie lächelte. »In seinem Garten, nicht in meinem.«
»Ich werde mich mit dem Roastbeef begnügen, danke Mutter. Die Linie.« Florian schluckte.
»Willst du nicht wenigstens einmal probieren?«
»Nein, wirklich nicht.« Florian nahm sich fest vor, im Kampf gegen die Pfunde nun endlich auch mit dem Joggen zu beginnen.
Seine Mutter breitete ihre Serviette auf ihrem Schoß aus. Florian spürte, dass etwas nicht stimmte, sah von seiner Gabel und dem Stückchen Roastbeef auf, das er sich gerade in den Mund schieben wollte, und sagte schuldbewusst: »Sorry.« Er schickte sich umständlich an, seine Serviette ebenfalls auf dem Schoß zu platzieren. »Ich lerne es einfach nicht.«
Marie-Louise Halstaff goss sich ungerührt noch etwas Sauce über ihr Fleisch. Während sie sich ganz auf die Bewegung konzentrierte, veränderte sich ihr Gesichtsausdruck. Sie zog die dunkel nachgezogenen Augenbrauen zusammen und sinnierte. »Für mich wäre es fatal, wenn ich krank werden würde, denn ich werde nächste Woche wieder drehen.« Gespannt, wie er auf diese Mitteilung reagieren würde, beobachtete sie ihren Sohn.
»Tatsächlich? Ich freue mich für dich. Was denn?« Florians Augen weiteten sich. Er fand die Nachricht fantastisch. Seine Mutter hatte sich lange genug hauptsächlich mit ihrem Aussehen beschäftigt und war in den letzten Monaten mehr auf Filmbällen denn in Filmen zu sehen gewesen. Alternde Schauspielerinnen waren einfach nicht mehr so gefragt, auch wenn sie einmal große Stars gewesen waren.
»Einen Fernsehfilm«, antwortete Marie-Louise. »Ich spiele eine Ehefrau, die nach 20 Ehejahren feststellt, dass ihr Mann ein Verhältnis hat. Mit einem Mann.«
»Auch schön.« Florian legte sein Besteck auf den Teller und lehnte sich zurück. »Hast du das Gefühl, es könnte hilfreich sein, dass du als Ehefrau völlig unerfahren bist?« Die bissige Ironie seiner Frage war nicht zu überhören gewesen.
Marie-Louise drehte das Glas zwischen ihren Händen. »Ach was. Aber ich kann mir gut vorstellen, wie grässlich es sein muss, mit einem Mann zusammenzuwohnen.«
»Ja, du.« Florian machte eine wegwerfende Handbewegung und sagte: »Aber ich will mich nicht schon wieder aufregen.«
Seine Mutter hob den Kopf: »Das ist auch besser so.« Vorwurfsvoll fügte sie hinzu: »Wir haben das Thema doch schon 1.000 Mal diskutiert.«
»Trotzdem will ich wissen, wer mein Vater ist.« Florians Stimme war lauter geworden.
Marie-Louise sah ihn mit großen Augen an, schwieg aber einen Moment, bevor sie erwiderte: »Ich finde, wir sollten das Thema nun endlich ad acta legen.« Sie seufzte. »Wie oft soll ich dir noch sagen, dass die Romanze, die ich mit deinem Vater hatte, nur von kurzer Dauer war. Er war ein Frauenheld, unzuverlässig und nicht mal besonders klug.«
»Das hast du mir zigmal erzählt«, versetzte Florian.
»Du könntest ihn vermutlich nicht ausstehen«, sagte seine Mutter und ergänzte mit Nachdruck: »Ich bin davon überzeugt.«
»Mein Urteil über ihn würde ich mir gern selbst bilden. Ich hoffe, dass ich irgendwann noch einmal die Gelegenheit dazu haben werde.« Florian setzte das Glas an die Lippen und leerte es in einem Zug. Voller Unbehagen dachte er an das letzte Gespräch mit seiner Therapeutin, die er zweimal wöchentlich aufsuchte, seit Katharina ihn verlassen hatte. Beim letzten Gespräch hatte ihn die Ahnung erfasst, dass es einen Zusammenhang zwischen seiner Sehnsucht nach dem Vater und seiner Unfähigkeit, eine Beziehung zu führen, geben könnte. Florian runzelte die Stirn. Freitag hatte er den nächsten Termin.
»Mit der Tatsache, dass er dich gezeugt hat, hat er seine Vaterpflichten meines Erachtens ausreichend erfüllt, oder hast du ihn etwa vermisst?« Marie-Louises Augen sprühten Funken.
»Nicht oft. Aber hin und wieder habe ich mir auf jeden Fall einen Vater gewünscht«, sagte Florian. Er dachte an früher. Die Väter im Fernsehen hatten für ihre Söhne Seifenkisten gebaut, waren mit ihnen angeln gegangen oder hatten ihnen gezeigt, wie man einen Drachen steigen lässt. Dinge, die Florian mit der Mutter nicht machen konnte, denn sie war häufig wegen Dreharbeiten außer Haus gewesen. Außerdem kann eine Mutter einen Vater einfach nicht ersetzen, dachte er.
Anna kam herein und fragte, ob sie mit dem Essen fertig seien. Sie war nicht sehr erfreut darüber, dass so viel übrig geblieben war.
Florian war dankbar für die Unterbrechung, denn er merkte, dass das Thema ihm mehr unter die Haut ging, als ihm lieb war.
Als emanzipierte Frau hatte seine Mutter irgendwann einmal die Entscheidung getroffen, ein Kind in die Welt zu setzen und es allein großzuziehen. Sämtliche Erinnerungen an Florians Vater hatte sie vernichtet. Es existierten keine Fotos, und Marie-Louise erwähnte nicht einmal seinen Namen. Sie hatte damals noch am Anfang ihrer Schauspielerkarriere gestanden, verdiente aber bereits sehr gut und konnte es sich leisten, ihr Kind auch ohne die finanzielle Unterstützung eines Mannes aufzuziehen. Bald nachdem sie sich von Florians Vater getrennt hatte, hatte sie ihn vergessen, das behauptete sie jedenfalls, und Verehrer hatte sie immer mehr als genug. Ihre gesellschaftlichen Kontakte zogen sich nicht zuletzt deswegen bis heute quer durch die Republik.
Florian fühlte sich auf einmal müde. Ihm war längst klar, dass er bei seiner Mutter mit der Frage nach dem Vater auf Granit biss und ärgerte sich darüber, dass er es trotzdem immer wieder probierte. Wenn er wirklich etwas über ihn in Erfahrung bringen wollte, musste er sich schon etwas anderes einfallen lassen.
Florian seufzte und folgte seiner Mutter hinüber zur Couch. Im Hintergrund spielte leise Musik, ein Violinkonzert von Mendelssohn Bartholdy. Anna kam herein und brachte mit dem Espresso auch das Telefon. Sie hielt Florians Mutter, die fragend aufschaute, den Hörer hin. »Frau Kilian ist am Apparat. Sie sagt, es sei dringend.«
»Dann geben Sie mal her.« Marie-Louise Halstaff nahm, etwas unwillig über die Störung, den Hörer entgegen.
Florian war gerade im Begriff, ein Stückchen braunen Zucker in die Tasse zu geben und horchte nun auf. Normalerweise rief niemand mehr nach 22 Uhr bei seiner Mutter an. Sie hasste es, so spät gestört zu werden, und eigentlich musste dies doch ihrer besten Freundin in jedem Fall bekannt sein. Die beiden kannten sich aus der gemeinsamen Schulzeit. Was konnte so dringend sein, dass sie sich um kurz nach halb elf hier meldete?
»Oh Gott, das ist ja furchtbar«, hörte Florian seine Mutter sagen. Sie sah auf einmal sehr blass aus und starrte Florian mit schreckgeweiteten Augen an.
»Marianne, um Himmels willen, wie konnte das passieren? Das darf doch nicht wahr sein!«
Florian spürte, wie Angst in ihm hochkroch.
Seine Mutter sackte in sich zusammen. Sie hörte ihrer Freundin am anderen Ende der Leitung einen Moment zu, bevor