Des Rates Schreiber - Chemnitzer Annalen. Gerd vom Steinbach
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„Ich habe zwar komisch geträumt, aber nichts Schlechtes“, flüstert er ihr ins Ohr. „Der Rudolf aus dem Rudolflied war ich und habe die weise Hildburga gegen die junge Ariela eingetauscht, aus der dann meine Martha wurde und dann bin ich aufgewacht.“
In der Dunkelheit der nächtlichen Hütte leuchten sacht die großen Augen Elisabeths. „Vielleicht hat die Mutter Mechthild recht und du bist früher der Rudolf aus der Sage gewesen. Das wäre toll, oder?“
Sie kann Ruprechts Lächeln nicht sehen, doch nimmt sie es an der Klangfarbe seiner Stimme wahr. „Das mag alles sein, aber wir wissen es nicht und werden es wohl auch nie erfahren. Aber jetzt müssen wir schlafen, also ab auf dein Lager!“
Entschlossen zieht er ihr die Decke weg und sie huscht eilig in der Finsternis davon.
So herrlich wie sich der gestrige Tag verabschiedet hat, genauso jungfräulich rein zeigt sich der Himmel des neuen Morgens. Die Nacht brachte kaum Abkühlung und so stellen sich die Bürger der Stadt nur wenig erfrischt und kaum ausgeruht den Erfordernissen von heute. Solche warmen Nächte sind an sich selten vor Sankt Johannis und passen eigentlich eher in den August, aber in diesem Jahr scheint alles ein wenig anders zu sein.
Im Hause des Tischlermeisters Prescher herrscht geschäftiges Treiben. Um den Tag zu verschönen und die Trägheit aus den Gliedern der Familienmitglieder zu vertreiben, hat die Hausfrau beschlossen, dass das Frühstück heute im Garten eingenommen wird. Die allgemeine Zustimmung drückt sich nun in der gemeinschaftlichen Vorbereitung aus. Schnell haben der Vater und Paul mit breiten Bohlen auf zwei Holzböcken die Tafel gerichtet. Während die Mutter das weiße Leinen auf dem Tisch glatt streicht, tragen die Töchter bereits die Teller, Schüsseln, Becher und Krüge heran. Ruprecht, der in diesem Gewusel eher ein Hindernis für die anderen wäre, öffnet inzwischen weit die Fenster der Stube und der Werkstatt, um die abgestandene Luft mit all den Ausdünstungen zu vertreiben, denen die intensiven Gerüche der Kräuter unter der Decke längst nicht mehr beizukommen vermögen.
Es ist nur wenig Zeit vergangen, seit Mutter die Idee offenbarte, da sitzt die Familie einträchtig im Garten. Der Vater spricht das Tischgebet, begleitet vom Gesang der Vögel und vom Summen der Insekten im Blumenbeet. Im zarten Hauch des Windes legt sich der Duft der Pfingstrosen wie ein Seidentuch über die Hungrigen und liebkost die strapazierten Städternasen.
„So sollten wir öfter essen, mein Schatz“, bemerkt der Hausherr und wirft seinem Weib einen liebevollen Blick zu. Die jedoch lächelt keck und bemerkt weise: „Würden wir das öfter tun, dann wäre so ein Mahl im Freien nichts Besonderes mehr und der Mehraufwand wäre nur noch eine Belastung. Also lassen wir die Variante als Ausnahme, die dem heutigen Tage angemessen ist.“
„Mein Gott, Mutter, was drückst du dich heute gewählt aus. Willst du gar eine vornehme Dame werden?“ Johanna kann ihre Verwunderung nicht verbergen. Elisabeth, deren Geist noch ein wenig wendiger scheint, tritt der Schwester gegen die Wade. „Denke mit, Hannel! Wenn die Eltern gestern mit Roselers gesprochen haben und die Mutter den Tag heute als etwas Besonderes bezeichnet hat, dann kann das nur was heißen, na?“
„Gut überlegt, du schlaue Maid!“, lobt der Vater Elisabeth. „Ich bin gestern mit dem alten Roseler übereingekommen, dass der Ruprecht die Martha heiratet. Die Roselerin hat zu eurer Mutter gar gesagt, dass sie schon lange darauf warten, dass der Ruprecht um Marthas Hand anhält.“
„Im Nachhinein kann man vieles erzählen“, brummt Paul dazwischen. Wie ich die alte Tratschtante kenne, hätte sie über die Unmoral der Jugend gewettert so wie Ruprecht das Maul vor ihrer Tür aufgemacht hätte und das die Tradition gebietet, dass die Eltern erst verhandeln, zu welchem Preis die Kinder verschachert werden.“
„Nun halte mal die Luft an, Junge!“, mahnt der Tischlermeister. „So schlimm ist die Hedwig Roseler nicht. Ihr Mann ist sehr maulfaul und so spricht sie eben mit den Nachbarinnen, stimmt es, Mutter?“
Die Prescherin schmunzelt fröhlich. „Ihr seid beide im Recht. Sie tratscht für ihr Leben gern und hat normalerweise niemanden im Hause, der ihr antwortet. So kam ich eigentlich gestern nur dazu, einen schönen Abend zu wünschen und dann, mich zu verabschieden. Die restliche Zeit hat sie gesprochen. Von Martha habe ich nur das Surren des Spinnrades gehört.“
„Und feiern wir heute die Verlobung?“, meldet sich neugierig Johanna zu Wort. „Da müssen wir uns sputen. Heute in der Früh war der Himmel blutrot und ihr wisst ja: Morgenrot – Schlechtwetter droht!“
„Nun mal langsam mit den jungen Pferden!“, wendet Ruprecht ein. „Es freut mich ungemein, wenn sich so eins zum anderen fügt, aber ich wäre gern auch mit einbezogen worden. Darf ich wenigstens erfahren, was die zwei Väter beschlossen haben?“
So ernst Ruprecht das Anliegen auch ist – und ganz sicher nicht unbegründet – sorgt es doch für allgemeine Heiterkeit.
„Ach du Ärmster“, die Mutter antwortet in glucksender Sprechweise, „mir scheint, dich geht es am ehesten etwas an und dennoch hält man dich ahnungslos!“ Eilig wischt sie die Lachtränen aus den Augenwinkeln. „Entschuldige, wir wollten dich nicht übergehen.“
Der Vater erachtet es für angemessen, höchstselbst über den autoritären Ratschluss der Familienoberhäupter aufzuklären. „Also, der Michael Roseler und ich, wir sind übereingekommen, dass du die Martha heiraten wirst. Ein Problem bleibt dabei, wovon ihr leben wollt. Als Tischler wirst du es nimmer zum Meister bringen bei deinem Ungeschick. Also bliebe die Schuhmacherei, aber davon verstehst du gleich gar nichts. Nun hat der Roseler gute Verbindungen zum Rat und er will versuchen, dich als Stadtschreiber unterzubringen. Zu irgendetwas muss Mutters Mühe nutze sein und so hat sie dir das Schreiben nicht umsonst beigebracht.“
Mit großen Augen blickt Ruprecht seinen Vater an. Er wird also tatsächlich nicht die Werkstatt erben! Wenngleich er selbst seine Zweifel an der Eignung zum Tischlermeister hatte, ist ihm die Verkündigung als Fakt höchst widerwärtig.
Paul bemerkt wohl, was in seinem Bruder vor sich geht. „Nimm es hin wie ein Mann, Großer. Du weißt, dass der Vater recht hat. Ich will dir nichts wegnehmen, aber als Tischler habe ich die besseren Aussichten auf den Meisterbrief.“
Der Prescher nickt zu den Worten seines Zweitgeborenen. „So habe ich es mir auch überlegt. Um dir aber eine gewisse Sicherheit zu geben, erhältst du Zeit deines Lebens einen Anteil am Gewinn der Tischlerei. Der wird zwar nicht als Lebensunterhalt reichen, aber als Schreiber verdienst du auch.“
Langsam, als sei es eine bittere Medizin, schluckt Ruprecht die Enttäuschung hinunter. Er weiß um die Tatsachen und er wird nicht mittellos dastehen. Ganz im Übrigen ist der Stand des Schreibers sehr geachtet.
„Stadtschreiber zu sein ist eine besondere Ehre!“, wirft die Mutter ein. „Dabei kannst du nebenbei den Schulmeister unterstützen, soweit der dies zulässt. Immerhin könnte er dagegen sein, weil du das Rechnen und Schreiben nach alter Tradition bei mir gelernt hast, aber vielleicht sieht er das nicht so verbissen und dann wirst du irgendwann der Schulmeister sein?“
Ruprecht winkt entsetzt ab. „Bleib mir nur damit vom Leib! Ich werde mich doch nicht mit den verwöhnten Bälgern der Pfeffersäcke herumschlagen, deren wohlgestaltete Mütter sich weder das Rechnen noch das Schreiben je zu eigen machten, weil sie nur mit ihren Gulden protzen und ansonsten das Geld zum Fenster hinauswerfen.“
„Nun halte die Luft an, Sohn!“, knurrt der Vater böse. „Nicht jeder Händler schwelgt im Geld und deren Weiber sind zumeist sehr ehrbar! Nimm dir den