„… Gesetz und Freiheit ohne Gewalt“: „Die höchste Form der Ordnung“. Richard A. Huthmacher

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„… Gesetz und Freiheit ohne Gewalt“: „Die höchste Form der Ordnung“ - Richard A. Huthmacher

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zu tauschen; zur Vergabe von Krediten seien ´Volksbanken´ zu errichten.“

      Zwar waren seine Ideen in der „alten“ (namentlich in Frankreich und Großbritannien) wie in der „neuen Welt“ (also in Amerika) durchaus verbreitet, aber nicht fundamental-kritisch und (dadurch) wirkmächtig genug, um die kapitalistische Wirtschaftsordnung grundlegend und nachhaltig zu hinterfragen, insbesondere auch, weil (marxsche) Kategorien wie der Interessengegensatz von Arbeit und Kapital und das Klassen-System nicht (hinreichend) berücksichtigt wurden.

      Letztlich postulierte sein (ökonomischer) Mutualismus ein „Genossenschaftswesen ohne Bürokratie, Kapitalismus und Profit“ (Kleiner Leitfaden zum Anarchismus, http://www.anarchismus.de/allgemeines/a-leitfaden.htm, abgerufen am 12.10. 2019).

       Ausführungen zu Fußnote 65:

      Mackay, John Henry: Die Anarchisten: Kulturgemälde aus dem Ende des 19. Jhd. Verlag der Neuen Gesellschaft, Berlin-Fichtenau, Neue Ausgabe, 5. Aufl., 1924, Kapitel 1, Einleitung:

      „Auf keinem Gebiet des sozialen Lebens herrscht heute eine heillosere Verworrenheit, eine naivere Oberflächlichkeit, eine gefahdrohendere Unkenntniß, als auf dem des Anarchismus. Die Aussprache des Wortes schon ist wie das Schwenken eines rothen Tuches – in blinder Wuth stürzen die Meisten auf dasselbe los, ohne sich Zeit zu ruhiger Prüfung und Ueberlegung zu lassen. Sie werden auch dieses Werk zerfetzen, ohne es verstanden zu haben.

      Das neunzehnte Jahrhundert hat die Idee der Anarchie geboren. In seinen vierziger Jahren wurde der Grenzstein zwischen der alten Welt der Knechtschaft und der neuen der Freiheit gesetzt. Denn es war in diesem Jahrzehnt, daß P. J. Proudhon die titanische Arbeit seines Lebens mit: ´Qu'est-ce que la propriété?´ (1840) begann und Max Stirner sein unsterbliches Werk: ´Der Einzige und sein Eigenthum´ (1845) schrieb.

      Sie konnte vergraben werden unter dem Staube zeitweiligen Rückschrittes der Kultur. Aber sie ist unvergänglich …

      Seit zehn Jahren kämpft in Boston, Mass., mein Freund Benj. R. Tucker mit der unbesieglichen Waffe seiner ´Liberty´ für Anarchie in der neuen Welt. Oft habe ich in den einsamen Stunden meiner Kämpfe meinen Blick auf das funkelnde Licht gerichtet, das von dort aus die Nächte zu erhellen beginnt …

      Als ich vor nun drei Jahren die Gedichte meines ´Sturm´ der Öffentlichkeit übergab, begrüßten mich freundliche Stimmen als den ´ersten Sänger der Anarchie´.

      Ich bin stolz auf diesen Namen.“

       Ausführungen zu Fußnote 70:

      „Sie agitieren bei wilden Streiks, besetzen Wohnungen, stürmen Rathäuser, und einige berauben Banken. Ihr Ziel ist eine brüderliche Gesellschaft, eine idyllische Welt. Sie nennen sich Maoisten, Trotzkisten oder Kommunisten. Man nennt sie Chaoten. Sie sind Anarchisten. Aber sie faszinieren die Jugend und infizieren Parteien.

      Die Richter sind ´Schweine´ (Horst Mahler) oder ´fette Ratten´ (Andreas Baader). Des Richters böse Pflicht ist, laut Gudrun Ensslin, Menschen ´zu vernichten´ oder, laut Manfred Grashof, sie ´fertigzumachen´. Mit dem Gesetz sollen die Richter sich ´den Arsch wischen´. Der Anblick von Polizisten ist für Heinrich Jansen nicht zu ertragen. weil er ´sonst kotzen müßte´. Das am häufigsten von Baader verwendete Wort ist ´Scheiße´. Mit seiner zweiten Lieblingsvokabel ´ungeheuer´ ergibt sich eine Art von anarchistischer General-Formel für die ´Gesellschaft von heute: ungeheure Scheiße´. Die Schmutz-Sprache der Anarchisten beschreibt die Gesellschaft als durch und durch böse und entfremdet – eben als beschissen. Sie bezieht ihre Rechtfertigung aus der Vorstellung, es gäbe eine andere, entweder vergangene oder zukünftige Gesellschaftsordnung, die durch und durch gut ist – eine Welt des völligen Friedens, der völligen Freiheit, der völligen Gerechtigkeit und des gleichen Glücks für alle …

      Freilich waren nicht alle Anarchisten so optimistisch wie die CNT [„´Das Verbrechen ist mithin für fast alle Anarchisten eine ´Krankheit´ oder die ´logische Folge der sozialen Ungerechtigkeit´, wie es die anarchistische Confederación National del Trabajo (CNT) 1936 ausdrückte“: a.a.O.], die hoffte, das Verbrechen zugleich mit der Armut abschaffen zu können. Der bekannteste amerikanische Anarchist des vorigen Jahrhunderts, Benjamin R. Tucker (geboren 1854), wollte den Schutz von Person und Eigentum, ´solange er notwendig sein mag´, durch kommunale Selbstschutzverbände bewirken, also nach der Art der Cowboys.

      Im übrigen meinte Tucker, daß ´alle Versuche, das Laster zu unterdrücken, als an und für sich verbrecherisch´ anzusehen seien. Es sei ´das Recht des Trunkenbolds, des Spielers, des Wüstlings und der Dirne, ihr eigenes Leben zu führen´. Ob auch des Mörders, ließ er offen …

      Noch weiter ging Michail Bakunin (1814 bis 1876), der schrieb, daß alle Menschen das Recht hätten, sich zu welchem Zweck auch immer zu ´assoziieren´ – ´selbst mit dem Ziel der gegenseitigen Korruption und der Ausbeutung der Harmlosen und Dummen, vorausgesetzt, daß diese nicht minderjährig sind´. Er wollte also sogar Verbrecher-Assoziationen zulassen. Jedermann habe die Freiheit, entweder ´ehrlich zu leben´ oder durch ´schimpfliche Ausbeutung´ …

      Proudhons Sittenstrenge ist unter Anarchisten ein Sonderfall. William Godwin, der Anarchist der ersten Stunde, hielt den Geschlechtsverkehr für ´eine individuelle Angelegenheit´. Benjamin R. Tucker propagierte ´das Recht irgendeines Mannes und irgendeiner Frau, oder irgendeiner Anzahl von Männern und Frauen, sich auf so lange oder so kurze Zeitdauer zu lieben, wie sie können, wollen oder mögen´.

      Dutschke meinte, die Frau könne sich für einen Mann oder zwei entscheiden. Cohn-Bendit schrieb: ´Sage nein zur Familie.´ Peter Brückner, der hannoversche Psychologie-Professor, hält die moderne Familie für neurotisiert, Herbert Marcuse sieht in ihr einen Herd von ´Brutalität, Grausamkeit und Aggression´“ (DER SPIEGEL 37/1973 vom 10.09.1973, S. 152-160: Anarchismus: Aufstand der Basis).

      Der Schreiberling des Artikels ist namentlich nicht benannt; man sollte ihm, unbekannterweise, posthum, ein Denkmal setzen. Für Volksverhetzung. Für Hassrede. Und wie das Neusprech der Herrschenden heutzutage sonst noch heißt.

      Mehr noch: Man sieht resp. liest, dass Lesen bildet. Den SPIEGEL lesen indes eher weniger. Bildet. Oder gar nicht. Bildet. Allenfalls ver-bildet: Eine freundliche Umschreibung von „verblödet“, zumindest „zu verblöden versucht“.

      Jedenfalls erstaunt es, mit welcher Dummheit und Dreistigkeit das „Sturmgeschütz der Demokratie“ [wohlgemerkt: 1947 durch Gnade der Briten und mit deren Lizenz gegründet: „So wurden wir angefangen“ – Rudolf Augstein über den SPIEGEL-Beginn, https://www.spiegel.de/geschichte/rudolf-augstein-so-wurden-wir-angefangen-70-jahre-spiegel-a-1131352.html, Abruf am 12.10.2019], mit welcher Dummheit und Dreistigkeit – wohlgemerkt 1973, zur Zeit der RAF – DER SPIEGEL den Bürger zu indoktrinieren versucht.

      Wie er die hoch-komplexe anarchistische Bewegung auf einige Schlagworte und Feindbilder reduziert: Anarchisten fressen kleine Kinder, lieben es, im Rudel zu bum… und wollen unsere heißgeliebte Demokratie abschaffen. Sollen sie doch „rüber machen“. In die Ostzone. Die DDR.

      Die zu diesem Zeitpunkt noch sechzehn lange Jahre bestehen sollte. Bis sie schließlich – nicht zuletzt an solcher Feindpropaganda – zerbrach. Wiewohl sie, die DDR, mit Anarchie wahrlich nichts am Hut hatte. Allenfalls im letzten Jahr ihres (formalen) Bestehens.

      Indes: Zu diesem Zeitpunkt war sie längst nicht mehr die DDR. Sondern nur noch ein Beutestück des Kapitalismus´. Der für eine kurze Zeit – das lange Jahr der Anarchie – auch emanzipatorische tentative Gesellschaftsformen zuließ. In der Gewissheit, dass diese schnell wieder verschwinden

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