Einäugige Killer: 5 klassische Krimis. Cedric Balmore
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Читать онлайн книгу Einäugige Killer: 5 klassische Krimis - Cedric Balmore страница 18
»Als ich bei Ihnen aufkreuzte und Ihnen erklärte, daß Parrish gefährdet sei, fuhren Sie her, um ihn zu warnen.«
»Verdammt noch mal, das war ich ihm schuldig«, sagte das Mädchen. Ihre kraftlose, ausgelaugte Stimme stand in seltsamem Kontrast zu ihren Worten. Sie wandte dem Toten den Rücken zu, um ihn nicht ansehen zu müssen.
»Hat er etwas von dem Mädchen gesagt?« fragte ich.
»Er hat kein Mädchen erwähnt«, meinte Brokat-Lilly. »Meinen Sie, ich hätte auch nur den kleinen Finger für ihn krumm gemacht, wenn er mit einer anderen Puppe unterwegs gewesen wäre?«
»Er war heute in der 5. Avenue. Wer hat ihn hingeschickt?« fragte ich.
»Ich will weg von hier«, murmelte Brokat-Lilly mit starr werdendem Blick. »Lassen Sie mich ’raus!«
»Einverstanden«, sagte ich. »Setzen wir uns in meinen Wagen.«
Brokat-Lilly gehorchte ohne Widerspruch. Als ich die Mordkommission verständigte, schaute mich das Mädchen erschreckt an. Sie wartete, bis ich den Anruf beendet hatte, und fragte dann: »Wieso Mordkommission? Er hat es doch selbst getan. Es war doch Selbstmord!«
»Das bezweifle ich«, sagte ich. »Es sollte nur so aussehen.«
Brokat-Lilly biß sich auf die Unterlippe. »Geben Sie mir eine Zigarette«, sagte sie. Ich tat ihr den Gefallen und reichte ihr Feuer. Das Mädchen inhalierte tief und mit zurückgelegtem Kopf. »Wer war es?« fragte sie dann scharf.
»Einer von denen, die ihn zur 5. Avenue schickten«, sagte ich. »Wer war es?«
»Ich weiß es nicht, ehrlich nicht!« sagte Brokat-Lilly. Die Tränen hatten ihr dickes Make-up aufgeweicht und verwaschen. Sie klaubte sich einen Tabakkrümel von der Lippe. »Männer!« fuhr sie bitter und verächtlich fort. »Die nehmen, was sie kriegen: Geld, Liebe, Vertrauen. Und was bieten sie einem dafür? Nichts! Frauen sind für sie Geschöpfe zweiter Ordnung, die weiht man nicht in seine Sorgen und Geheimnisse ein. Als ob ich es mir jemals hätte einfallen lassen, einen Freund zu verpfeifen. Aber das kümmert sie nicht. Sie sind groß im Nehmen, aber sie kneifen, wenn es zum Geben kommt. Hugh war genauso. Um keinen Deut besser. Ach, zum Teufel mit ihm. Er hat keine Träne verdient.«
»Dessen bin ich keineswegs sicher«, sagte ich. »Jeder, der wie Hugh Parrish endet, verdient unser Mitleid.«
»Das können Sie sich sparen. Fangen Sie lieber seinen Mörder — falls es wirklich einen gibt«, sagte Brokat-Lilly.
»Ich bin schon dabei. Wen haben Sie von Hugh Parrish’ Versteck unterrichtet? Der Mörder kann nur von Ihnen erfahren haben, wo Parrish untergeschlüpft war.«
»Ich habe mit niemandem darüber gesprochen«, versicherte das Mädchen.
Ich dachte an die Lebensmittelkiste in der zweiten Etage. Hugh Parrish konnte das Zeug unmöglich so rasch beschafft haben. »Wer wohnte vor ihm da oben?« fragte ich.
»Der Penner, den ich vorhin erwähnte. Er benutzt das Quartier in unregelmäßigen Abständen — wenn er gerade mal in New York ist. Ich weiß nicht, wo er sich jetzt auf hält. Ich kenne nicht mal seinen richtigen Namen.«
»Setzen Sie sich in Ihren Wagen und warten Sie daä Eintreffen der Mordkommission ab«, sagte ich. Brokat-Lilly gehorchte schweigend. Ich stieg aus und betrat die Wäscherei.
Hinter dem Tresen des kleinen Vorraums stand eine knochige bebrillte Frau. Sie war damit beschäftigt, einen Stapel Bettlaken zu zählen. Ich stellte mich vor und wies mich aus.
»Haben Sie gesehen, wie Hugh Parrish das Haus betrat?« erkundigte ich mich.
»Wer ist Hugh Parrish?«
Ich beschrieb ihr sein Aussehen.
Sie schüttelte den Kopf. »Das Haus steht seit Wochen leer«, sagte sie. »Ich kümmere mich nicht um die Leute, die manchmal ’reingehen. Es sind sehr unerfreuliche Typen. Penner. Ich kann nicht jedesmal die Polizei rufen, wenn einer aufkreuzt. Die meisten sind harmlos. Warum soll ich mich auf regen? In zwei Wochen ziehen wir um. Das Haus wird abgerissen.«
Ich blickte über die Schulter zur Tür. »Von Ihrem Platz aus können Sie genau sehen, wer das Haus betritt und verläßt. Versuchen Sie sich bitte zu erinnern, wer innerhalb der letzten Dreiviertelstunde hier gewesen ist.«
»Ich habe meine Arbeit«, meinte sie. »Ich kann nicht fortwährend nach draußen schauen. Ich würde Ihnen gern helfen — aber ich habe niemanden gesehen. Was ist denn passiert?«
»Ein Mann wurde ermordet — in der zweiten Etage.«
Der spitze Adamsapfel der Frau glitt auf und nieder. »Ermordet«, murmelte sie. »Lieber Himmel, und ich habe nichts ahnend hier unten gearbeitet…«
Ich machte kehrt und ging hinaus. Ich hatte einen säuerlichen Geschmack im Mund. Brokat-Lilly saß mit geschlossenen Augen in ihrem Metropolitan und bewegte murmelnd ihre Lippen. Ich betrat das Haus und begann damit, jede einzelne Wohnung zu durchsuchen. Die meisten ließen erkennen, daß sie nachts von Pennern und Stadtstreichem benutzt wurden. Leere Flaschen und Bierdosen machten klar, daß es recht fröhliche Nächte gewesen waren.
Zuletzt betrat ich erneut den Raum in der zweiten Etage, in dem der tote Hugh Parrish hing. Sein Gesicht zeigte weder Kratz- noch Kampfspuren, die Kleidung war nicht derangiert. Selbstmord? Ich glaubte nicht an diese Theorie, obwohl sie sich offenkundig anbot. Hugh Parrish war auf der Flucht gewesen und hatte sich vor der drohenden Verhaftung fürchten müssen, aber er hatte gewiß nicht zu denen gehört, die zur Panik oder zu Kurzschlußhandlungen neigten.
Warum war er auf diese Weise umgebracht worden? Die Tatsache, daß man ihn aufgehängt hatte, ließ sich damit erklären, daß die Polizei und die Mordkommission an einen Selbstmord glauben sollten. Aber wer hatte einen Grund gehabt, Hugh Parrish aus dem Weg zu räumen?
Ich verließ die Wohnung und ging ins Erdgeschoß. Mir fiel ein, daß das Haus einen Keller haben mußte. Der Ordnung halber stieg ich in ihn hinab. Dabei mußte ich feststellen, daß der Strom bereits abgedreht worden war. Ich knipste mein Feuerzeug an. Vor mir lag ein langer schmutziger Gang, von dem zu beiden Seiten Lattenrosttüren abzweigten. Die meisten von ihnen waren auf der Innenseite mit alten Säcken verhängt.
Irgendwo tropfte Wasser auf den Boden. Die Wäschereimaschinen sorgten für ein konstantes Brummgeräusch und eine kaum wahrnehmbare Vibration der Mauer.
Ich öffnete die erste Tür zu meiner Linken. Der Kellerboden war mit Unrat bedeckt. Dicke Spinnweben am Eingang machten deutlich, daß der Keller seit Monaten nicht mehr betreten worden war. Ich ging zur nächsten Tür und traf die gleiche Feststellung. Als ich die dritte Tür öffnete, prallte ich zurück. Mir war zumute, als erhielt ich einen Faustschlag ins Gesicht.
Die hochgedrehte Flamme meines Gasfeuerzeugs traf auf ein Paar große, grünlich leuchtende Augen. Ich blickte in das Gesicht von Lala Price.
Das Bildnis der Ermordeten
Das Bild hing mir genau gegenüber. Es war