„So lasset uns ... den Staub von den Schuhen schütteln und sagen: Wir sind unschludig an Eurem Blut“. Richard A. Huthmacher

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу „So lasset uns ... den Staub von den Schuhen schütteln und sagen: Wir sind unschludig an Eurem Blut“ - Richard A. Huthmacher страница 25

„So lasset uns ... den Staub von den Schuhen schütteln und sagen: Wir sind unschludig an Eurem Blut“ - Richard A. Huthmacher

Скачать книгу

geprägte) Reformation landesherrlicher Territorien; die (zwinglianisch und calvinistisch dominierte) Reformation der Schweizer und oberdeutschen Städte; und die radikale Form, auch ´linker Flügel der Reformation´ genannt in den beiden grundlegenden Varianten der sozial-politischen Revolution eines Müntzer oder des Rückzugs aus der Welt wie beim Gros der Täufer.

      Martin Luther, der Vorkämpfer, ist einer der Großen, gewiss – und dennoch nicht ´der´ Reformator, sondern einer von zahlreichen Reformatoren, ebenso wie es viele Reformationen oder reformatorische Strömungen gab und nicht die eine Reformation. In Wellen breitete sie sich aus, zuerst die Rebellion unter Luther, die soziale Revolution von Müntzer bis Münster [Täuferreich von Münster], dann die städtische Reformation bei Zwingli und die Restauration unter den Fürsten bei Melanchthon, schließlich die Reglementierung des bürgerlichen Lebens bei Calvin. Die weltweite Ausbreitung gelang dann durch die Mission und durch die Verfolgten, die die neue Lehre in andere Länder trugen.“

      Während es im feudalen Landrecht ein ständisch gegliedertes Recht gab (Adel und Klerus konnten nur von ihresgleichen vor Gericht gezogen werden), galten nach Stadtrecht alle Bewohner als gleich und frei. Es gab jeweils ein Stadtrecht, das gleichermaßen für alle galt („Legalitätsprinzip“); von ihrer Rechtsgebungsbefugnis machten die Städte auch regen Gebrauch.

      Indes: Trotz ihrer (rechtlichen, formalen und realen) Autonomie drohte den Freien und Reichsstädten ständig, von einem Territorialstaat unterworfen zu werden (so wurde beispielsweise 1486 die Reichsstadt Regensburg vom Herzog von Bayern annektiert).

      Deshalb mussten die (Freien und Reichs-)Städte nach außen wehrhaft und im Inneren (ideologisch) gefestigt sein, um gegen die Macht der Landesfürsten bestehen zu können – insofern spielte die Religion als verbindendes Glied eine nicht zu unterschätzendes Rolle. Zumal auch innerstädtische Interessenkonflikte, beispielsweise die zwischen Bürgertum und (Handwerker-)Zünften, nicht selten beträchtlich waren: Allein zwischen 1509 und 1514 kam es deshalb in fast zwanzig Städten zu schweren Unruhen.

      Die Territorialherren ihrerseits erzielten zunehmend Einnahmen aus fortschreitender Kommerzialisierung und Industrialisierung (Handelsmonopole und Berg[werks]regale); durch Abtretung letzterer verschafften sie sich Kredite bei den großen Handelshäusern, namentlich bei den Fuggern, um damit ihre eigene, vom Kaiser unabhängige Reichs- und Kirchenpolitik zu betreiben und ggf. auch gegen die Freien und Reichsstädte Kriege zu führen.

      Dieser „frühneuzeitlichen Staat“ bezeichnete sich nunmehr selbst – und zum ersten Mal in einem offiziellen Reichsdokument 1486 (Landfriedensordnung des Reichstags von Frankfurt) – als „Heiliges Römisches Reich deutscher Nation“: Einerseits wurde die imperiale Reichsidee zu Beginn des 16. Jhd. neu belebt: „Imperiale Vorstellungen und Ansprüche, die seit dem hohen Mittelalter für das Oberhaupt des Reichs zur Verfügung standen, wurden auf einmal, im Abstand von mehr als 200 Jahren, wiedererweckt.“

      Andrerseits spielte der Nationalisierungsgedanke, wie er in der Begrifflichkeit „deutscher Nation“ zum Ausdruck kommt, als Abgrenzung gegenüber dem Papsttum und somit in der Reformation eine wichtige Rolle.

      Fünf Adelsfamilien beherrschten das Deutsche Reich; es waren dies die habsburgische Großdynastie, die Wittelsbacher (Bayern und Kurpfalz), die Welfen (Niedersachsen), die Hohenzollern (schwäbische Stammgebiete, Mark Brandenburg, die beiden Erzbistümer Mainz und Magdeburg, somit zwei der sieben Kurfürstentümer des Reichs) und die Wettiner.

      Stammland letzterer war Sachsen. „Der wirtschaftliche Reichtum, vor allem durch den Silberbergbau, ermöglichte den Wettinern eine relativ starke politische Einflußnahme und Unabhängigkeit im Reich. So wäre auch der Schutz vor Kaiser und Papst, den der sächsische Kurfürst Friedrich der Weise Martin Luther gewährte, ohne dieses wirtschaftliche, materielle Fundament kaum möglich gewesen.“

      In der Person Kaiser Karls V. herrschten die Habsburger unmittelbar über Spanien, Sardinien, Sizilien und Süditalien (Königreich Neapel), über die heutigen Benelux-Staaten, über Teile Nordfrankreichs, über ihr Stammland Österreich, über große Teile Südwestdeutschlands einschl. des Elsass´, nicht zuletzt über die spanischen Kolonien. Mittelbar herrschte Karl als römischer Kaiser und König (und damit als Reichsoberhaupt) über Deutschland sowie Ober- und Mittelitalien:

      „Noch nie hatte ein deutscher Kaiser so weite Gebiete regiert wie dieser Habsburger. Man konnte meinen, in der deutschen Kaisergeschichte sei plötzlich ein neues Zeitalter angebrochen.“

      Gleichwohl: Um 1517 überhaupt gewählt zu werden, musste Karl eine Reihe von Rechten an die Fürsten abgeben: „Juristisch gesehen war Karl V. nicht mächtiger, sondern schwächer als alle früheren deutschen Kaiser.“

      Der Papst hatte Luthers Landesherrn, Friedrich den Weisen, Kurfürst von Sachsen, als Kandidaten zur Königswahl (und Kaiserkrönung) vorgeschlagen; dieser lehnte dankend ab.

      In dieser Gemengelage, in welcher Papst, Kaiser und Fürsten, aber auch die Städte wie beschrieben zuvor die tragenden Rollen spielten, waren Konflikte vorprogrammiert. Unvermeidbar.

      Alle Beteiligten an diesem Spiel um Einfluss und Macht versuchten, sich so gut wie möglich zu positionieren. Dazu bedienten sie sich, in heutiger Diktion, ihrer think tanks. Leiter des wichtigsten Think Tank (desjenigen, der die Reformation im Sinne der Landesfürsten betrieb) war Luther, insofern und insoweit mehr homo politicus quam religionis.

      Die Städte hatten andere Vordenker, namentlich Zwingli und Calvin (s. zuvor). Und die Städte hatten andere Interessen. Als die Landesherren. Und Luther als deren Herold. Sie, die Städte, spielten eine wichtige Rolle bei der Um- und Durchsetzung der Reformation. Auch wenn erst die jüngere Forschung diese ihre Bedeutung erkannte:

      So wurde die Reformation ab 1520 auch in den Städten (namentlich in denen Süd-, Südwest- und Mitteldeutschlands) zu einer Massenbewegung; mit einer Verzögerung von (reichlich) einem Jahrzehnt folgten die norddeutschen Städte.

      In den Städten, die selbst über ihre Religionszugehörigkeit entscheiden konnten, war es meist der soziale und politische Druck „von unten“, der die Reformation beförderte; oft gaben die Stadt-Oberen diesem nach, um Unruhen zu vermeiden und ihre eigene Herrschaft nicht zu gefährden.

      „Nicht zu vergessen ist, daß die Reformation in den Städten ihren ursprünglichen Impuls von Luther bekommen hatte. Seit 1524 jedoch kam es zu einem Ringen zwischen lutherischem und zwinglianischem Einfluß. Hier ging es nicht nur um das Abendmahlverständnis. Es ging um mehr … Auf dem Reichstag zu Augsburg 1530 meldete sich auch die Gruppe zu Wort, die sich zwischen Luther und Zwingli stellte: die oberdeutschen Städte. Sie reichten ihr ´Confessio Tetrapolitana´ ein.

      Nach Luthers Tod gerieten die deutschen Städte des Westens mehr und mehr unter den Einfluß Calvins. Nürnberg bildete eine Ausnahme. Die Nürnberger sind nie dem Schmalkaldischen Bund beigetreten.“

      Vermittler der Reformation waren Prädikanten ([Hilfs-]Prediger) und Theologen, Stadtschreiber und Schulmeister, Ratsherren und Bürgermeister. („Faber nennt seine lutherischen Mitprädikanten: ´Mammonsknechte, grobe Simonisten [Simonie: Kauf/Verkauf von – geistlichen – Ämtern], … Bier-Amseln, Esel, gottlose Schelmen, Sodomiten …´ ´Jetzt darf Mancher wohl eine ganze Nacht sitzen und saufen bis am Morgen; dann tritt er auf die Kanzel und predigt und ist voll – nicht des heiligen Geistes, wohl aber des süßen Weines und plaudert daher, was ihm einfällt. Mancher ist so voll, wenn er taufen soll, daß er das Kindlein nicht halten kann und allerlei Aegerniß anrichtet´ … Die sogenannte lutherische Geistlichkeit ist also durch Luther´s Evangelium um kein Haar besser geworden, sondern böser und ärger in allen Stücken. Wir wollen dabei nicht in Abrede stellen, dass auch die katholische Kirche schlechte

Скачать книгу