„So lasset uns ... den Staub von den Schuhen schütteln und sagen: Wir sind unschludig an Eurem Blut“. Richard A. Huthmacher

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„So lasset uns ... den Staub von den Schuhen schütteln und sagen: Wir sind unschludig an Eurem Blut“ - Richard A. Huthmacher

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anlässlich derer Zwingli, dem Ketzerei vorgeworfen wurde, seine Thesen erfolgreich gegen die klerikale Obrigkeit zu verteidigen wusste – wurden die kirchlichen Fastengebote aufgehoben; eine ähnliche (symbolische) Bedeutung für die Reformation in der Schweiz hatte nur noch das Zürcher Nachtmahl, das – nach dem Verständnis sowie im Geiste von Erasmus – 1525 gefeiert wurde und zum Bruch der zwinglischen mit der lutherischen Bewegung führte.

      Wiewohl es nach Vieler Meinung nur Spitzfindigkeiten waren, „ob nun Christus beim Abendmahl in der Gemeinde persönlich anwesend ist, wie Luther glaubte, oder das Abendmahl eine rein symbolische Bekenntnishandlung ist, wie Zwingli dachte“.

      „Doch an jenen Glaubensfragen scheiterte schließlich Philipps [i.e.: Landgraf Philipps von Hessen] Plan einer Anti-Papst-Allianz von den Schweizer Alpen quer durch Deutschland bis zur Ostsee. Bei einem viertägigen Religionsgespräch im Oktober 1529 in Marburg beharrten sowohl Luther als auch Zwingli auf ihren Positionen, die Reformation war nun gespalten.“

      Anders als Luther ging Zwingli (ähnlich Thomas Münzer) seinen Weg – den des Aufbegehrens, des Widerstands und der offenen Revolte – konsequent zu Ende: In der Schlacht bei Kappel (1531) wurde Zwingli festgenommen, getötet und gevierteilt (oder andersherum in der Reihenfolge, manche Chronisten sprechen auch schlicht davon, man habe ihn in Stücke gehauen), anschließend wurde der Leichnam verbrannt; der Tod des einen, sprich: Zwinglis, gibt dem andern, dice: Luther, Recht. „Denn wer das Schwert nimmt, der soll durchs Schwert umkommen“ (Matthäus 26,52), erlaubte sich der Wittenberger, sinnigerweise und voll des ihm eigenen Mitgefühls, anzumerken.

      Derart schändlich endet das Leben Zwinglis, das so hoffnungsfroh begann; nie hielt er die menschliche Vernunft für eine „Hure“ (wie Luther dies tat: „Ebenso verderbt wie die menschliche Natur sei der Menschen Verstand; deshalb könne die Vernunft ´keine gerechten Urteile … fällen´. Damit gibt es … bei Luther … keine vernünftige Begründung … für … Norm und Gesetz … [Diese] können reinste Willkür, purer Despotismus sein. Sie brauchen keine innere Begründung in der Vernunft des Menschen … So entmündigt Luther … [diesen, den Mensch], indem er sein edelstes Organ, die Vernunft, verketzert und die Philosophie zur ´Hure´ herabwürdigt. Damit desavouiert er am Ende aber auch seine eigene Lehre … Denn eine vernünftige Begründung … [ebenso] seiner Lehre … [wie] seiner Verdikte gegen andere [Lehren] kann es … nicht … geben, da … die Vernunft … keine Rolle spielen darf. Ist sie doch … bei allem … Erkennen heillos fehl am Platz“).

      [Anmerkung des Herausgebers: Geschieht solches nicht gleichermaßen anno Domini 2020, wenn ein Erkältungs-Virus zur Pestilenz erklärt wird und ein Test, der einschlägigen Viren aufspüren soll, gleichermaßen Papayas, Kamele, Ziegenböcke, Tee oder Wasser, kurzum: alles, was (oder auch nicht) kreucht und fleucht, schlichtweg alle RNA-Nukleinsäure-Partikel nachweist, die nicht bis drei auf einen Baum flüchten können? Hat menschliche Vernunft, mithin, ein halbes Jahrtausend gebraucht, um hinter lutherische Irrationalität zurückzufallen?]

      Im Gegensatz zu Luther bewunderte Zwingli die Humanisten Erasmus von Rotterdam und Pico della Mirandola („Viele nennen ihn nur Pico. Er hat vor mehr als 500 Jahren das humanistische Denken geprägt. Im Vorfeld der Reformation sah Pico della Mirandola im Menschen ´ein großes Wunder´, während Theologen wie Luther von der Erbsünde sprachen …“).

      Und Zwingli glaubte an die Kraft des freien Willens. Im Gegensatz zu Luther, der ausführt: „Der freie Wille ist nichts als ein Pferd, das vom Satan geritten wird ...“ Und mit gespaltener Zunge formulierte: „Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemandem untertan. Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan.“ Wohingegen selbst die Scholastiker resp. Thomas von Aquin behauptete(n): „Totius libertatis radix est in ratione constituta“: Grundlage aller Freiheit ist die Vernunft.

      Weshalb Luther wütete: Die Scholastiker sähen nicht die Sünde und übersähen, dass die Vernunft „plena ignorationis Dei et aversionis a voluntate Dei“, also voller Unkenntnis Gottes und voll der Abneigung gegen den Willen Gottes sei. Das scholastische Axiom, man könne ohne Aristoteles nicht Theologe werden, konterte er mit den Worten: „Error est, dicere: sine Aristotele non fit theologus; immo theologus non fit, nisi id fiat sine Aristotele“: Es ist ein Irrtum, zu behaupten, ohne Aristoteles werde keiner Theologe; in der Tat, Theologe wird man nicht, es sei denn ohne Aristoteles.

      Philosophie, so Luther, usurpiere die Theologie und führe zu einem „chaos errorum“ und zur „cogitatio metaphysica“, also zu einem Durcheinander von Irrtümern und zu (inhaltsleeren) metaphysischen Überlegungen; Philosophie habe sich ergo nur dem Sichtbaren, Theologie habe sich dem Unsichtbaren zu widmen. Auch wenn die Philosophen „laudem et gloriam liberi arbitrii“ (das Lob und den Ruhm des freien Willens) preisen, sei es mehr als befremdlich zu glauben, Gott sei in seinen Entscheidungen unfrei gegenüber dem menschlichen Willen.

      Gott habe zwei Seiten: eine rationale, geoffenbarte, freundliche und eine nicht offen zu Tage liegende, die gleichwohl sein inneres Wesen ausmache. So Luther. Und gleichermaßen habe Gott zwei Willen: einen gepredigten, somit offenbarten, einen zugewandten und gnädigen; und die „voluntas occulta et metuenda“, „imperscrutabilis et ignoscibilis“ et „non requirenda, sed cum reverentia adoranda“, also einen verborgenen Willen, der zu fürchten, der unerforschlich und nicht erkennbar ist. Dem man nicht nachgrübeln, den man vielmehr ehrfürchtig anbeten solle.

      Dieser zweite sei der eigentliche Wille Gottes („voluntas maiestatis“), der frei, uneingeschränkt, ggf. willkürlich „homines deserat, induret, damnet“ (Menschen verlässt, sie verhärtet und verdammt), der „vel amat vel non amat“ (liebt oder nicht liebt), der den Tod des Sünders will („vult mortem peccatoris“), der – ohne Rücksicht auf das Tun oder Lassen des Menschen – dessen Tod und Verderben bewirkt („malum et mortem operatur“).

      Mithin lässt sich (mit den Worten Stefan Zweigs – Du weißt, Lieber, ich habe einiges über Zweig geschrieben), mithin lässt sich die Vorstellung eines freien Willens, mehr noch: das Gottesbild der Humanisten, das eines Erasmus´ und das eines Zwingli, gegen die einschlägigen Vorstellungen Luthers wie folgt abgrenzen:

      „Das Problem, das Erasmus zum Zentrum der Auseinandersetzung macht, ist ein ewiges jedweder Theologie: die Frage nach der Freiheit oder Unfreiheit des menschlichen Willens. Für Luthers augustinisch strenge Prädestinationslehre bleibt der Mensch ewig der Gefangene Gottes. Kein Jota freien Willens ist ihm zuteil, jede Tat, die er tut, ist Gott längst vorbewußt und von ihm vorgezeichnet; durch keine guten Werke, durch keine bona opera, durch keine Reue kann also sein Wille sich erheben und befreien aus dieser Verstrickung vorgelebter Schuld, einzig der Gnade Gottes ist es anheimgestellt, einen Menschen auf den rechten Weg zu führen. Eine moderne Auffassung würde übersetzen: wir seien in unserem Schicksal gänzlich von der Erbmasse, von der Konstellation beherrscht, nichts also vermöge der eigene Wille, sofern Gott nicht in uns will …

      Einer solchen Anschauung Luthers kann Erasmus, der Humanist, der in der irdischen Vernunft eine heilige und von Gott gegebene Macht erblickt, nicht beipflichten. Er, der unerschütterlich glaubt, daß nicht nur der einzelne Mensch, sondern die ganze Menschheit durch einen redlichen und geschulten Willen sich zu immer höherer Sittlichkeit zu entfalten vermöge, muß einem solchen starren und fast mohammedanischen Fatalismus im tiefsten widerstreben …“

      In seiner Schrift De libero arbitrio (Vom freien Willen, 1524, u.a. auf Drängen des Papstes entstanden) verwarf Erasmus Luthers Rechtfertigungslehre („sola gratia“: „aus Gnade allein“) und vertrat, wiewohl hie und da kritische reflektiert, die alten Positionen der Kirche: Indem der Mensch sich für das Gute und gut zu handeln entscheide, so Erasmus, entscheide er auch über Gottes Gnade.

      „Es war nicht Zwingli allein, der die Zürcher Reformation geprägt hat:

      Huldrych

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