„So lasset uns ... den Staub von den Schuhen schütteln und sagen: Wir sind unschludig an Eurem Blut“. Richard A. Huthmacher
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In Deutschland stellten sich die Reichsfürsten an die Spitze der reformatorischen Bewegung, wurden dadurch zu mächtigen Gegenspielern nicht nur des Papstes, sondern auch des Kaisers. (Die Macht des Kaisers und namentlich die des Papstes war – salopp formuliert – im Sturzflug begriffen; nach Karl V. wurde nie mehr ein Kaiser durch einen Papst gekrönt, nicht zuletzt als Folge der Reformation und ihrer Neuordnung der – seinerzeit aufs engste miteinander verbundenen – kirchlichen und weltlichen Machtverhältnisse und Herrschaftsstrukturen. Zudem wurde die Macht des Kaisers durch die Türken vor Wien und durch Franz I., König von Frankreich und Erzfeind Karls V., bedroht: „Da Franz I. 300.000 Gulden Bestechungssumme anbot, musste Karl V. mit Hilfe der Fugger eine weit höhere Summe aufbieten, um die Wahl des französischen Königs auf den deutschen Königsthron zu verhindern. Die sieben Kurfürsten entschieden sich bei der Königswahl in Frankfurt am Main am 28. Juni 1519 für den Habsburger Karl V.“)
Letztendlich kämpfte jeder (der „Großkopferten“) gegen jeden. Die Religion war im Grunde egal. Insofern und insoweit sie nicht zur ideologischen Begründung, zur Rechtfertigung der je eigenen Machtinteressen diente und als Puzzle zur „full spectrum dominance“ von Bedeutung war. Full spectrum dominance zu Land, zu See und im Himmel. Sprich: in den Köpfen, in den Herzen und in den Seelen der Menschen. Welche, letztere, die Herrschenden damals genauso für ihre Machtinteressen missbrauchten wie sie die Masse auch heutzutage für ihre geostrategischen „Spiele“ benutzen. Unter dem Deckmantel des „war on terror“. Gegen „das Böse“ in der Welt. Das – selbst-verständlich – immer von der machtpolitisch zu bekämpfenden Ideologie, will meinen: vom (weltlichen wie religiösen) Glauben der je Anderen repräsentiert wird.
„Landauf, landab gründeten Theologen, die Protz, Prunk und Bigotterie des Kirchenestablishments gründlich satt hatten, revolutionäre Zellen. Und in Süd- und Mitteldeutschland erhoben sich die Bauern.
Doch als die Fürsten die Bauernaufstände niederschlugen und radikale Theologen folterten und hinrichteten, hatte die lutherische Reformation ihre zarten revolutionären Wurzeln bereits gekappt. Nicht im Bündnis mit den Beherrschten breitete sich die Reformation aus, sondern in einer Allianz mit den Herrschern. Die Kritik an Papst und römischer Kurie wurde ein wichtiges Instrument realpolitischer Machtspiele deutscher Fürsten …
Adlige wie der Kurfürst von Sachsen und der Landgraf von Hessen verstanden es trefflich, die Religion für ihre politischen Ambitionen nutzbar zu machen. Und mitunter hatte die Hinwendung deutscher Fürsten zur lutherischen Reformation schlicht finanzielle Gründe. Die Teilnahme an Kriegen, die der Kaiser führte, riss Löcher in die Kassen der Fürstentümer, auch ein standesgemäßes Leben bei Hofe kostete den einen oder anderen Taler. Erst als Lutheraner konnten die Fürsten ungeniert Bistümer und Klöster enteignen und das Kircheneigentum an sich bringen.“
Im Gegensatz zu Luther gestand Zwingli dem (Christen-)Menschen ein Widerstandsrecht gegen tyrannische Obere und Obrigkeit zu und versuchte, den christlichen Glauben mit weltlichem Handeln zu vereinen, um eine gerechte Gesellschaft zu schaffen: „Von Anfang an kam Zwingli von der politischen Frage her zur Glaubenserkenntnis, um dann vom Glauben aus wieder Politik zu treiben.“
M.E., Liebster, waren es nicht die unterschiedlichen Denkschulen Luthers (via moderna, neuere scholastische Richtung) bzw. Zwinglis (via antiqua sowie Humanismus), welche, wie immer wieder behauptet, die beiden Reformatoren trennten; vielmehr waren beide als Person derart unterschiedlich, dass sie nie und nimmer zusammenkommen konnten: „In sehr vielen Punkten zögerte der Wittenberger, die bestehenden Traditionen sofort zu ändern, behielt sie vielmehr bei und versuchte dies auch zu rechtfertigen [euphemistische Umschreibung für den Umstand, dass Luther die Interessen seiner Oberen bediente, insofern auch nicht das geringste Interesse hatte, dass die himmelschreiend ungerechten gesellschaftlich-sozialen Verhältnissen, dass die strukturellen Gewalt gegen die Masse des Volkes abgemildert oder gar aufgehoben wurden], während Zwingli meistens darauf drängte, sobald als möglich die bestehenden, der christlichen Lehre widersprechenden Verhältnisse zu ändern und zu einer biblischen Lehre und Praxis zurückzukehren.“
Indes: Auch Zwingli war alles andere als ein Heiliger: Er veranlasste, die (Wieder-) Täufer, auch Anabaptisten genannt (deren bekannteste heute die Mennoniten, die Amische und die Hutterer sind), aus Zürich zu vertreiben; manche der Täufer wurden gefoltert und im Limmat ertränkt. Erster Märtyrer der Wiedertäufer war Felix Manz, vormals Vertrauter Zwinglis, später mit diesem (dem er u.a. die Verschleppung des Reformationsprozesses vorwarf) im Dissens; zum endgültigen Bruch zwischen beiden kam es im Streit um Gläubigen- (Manz) vs. obligatorische Kindertaufe (Zwingli). Manz erhielt Predigtverbot, landete im Gefängnis, predigte und taufte nach seiner Entlassung weiter; Anfang 1527 wurde er zum Tod durch Ertränken verurteilt.
Das Täufertum war sicherlich der radikalste Teil der Reformation; es berief sich auf die Nachfolge Christi und die Kirche als Bruderschaft; Gewaltlosigkeit war ihr Credo, und ihr Wachstum war immens, insofern eine „Bedrohung“ für alle anderen reformatorischen Bewegungen. Die Wiedertäufer forderten weiterhin die Trennung von Kirche und Staat, mithin ein absolutes No-go für die herrschende Klasse, sowie die Gütergemeinschaft, waren insofern auch eine Art urkommunistischer Gemeinde. Die Verfolgung ihrer Gedanken dauerte über Jahrhunderte an, viele Täufer flohen nach Übersee, aber, beispielsweise, auch nach Russland: „Schon im 16. Jahrhundert wurden die sogenannten Anabaptisten verfolgt und hingerichtet – befeuert von theologischen Argumenten der Reformatoren Martin Luther und Philipp Melanchthon.“
Die anabaptistischen Urgemeinden grenzten sich durch ihre Besitz-, Eigentums-, Macht- und Herrschaftsvorstellungen von der/den ungleich größeren, stärkeren und mächtigeren Amtskirche(n) ab; sie repräsentierten sozusagen den kritischen Maßstab für das Verhältnis der Großkirche(n) zu Armut und Reichtum, zu Demut und Macht, zu brüderlicher Gemeinschaft vs. autoritärer Unterdrückung und postulierten ihrerseits ein gleichberechtigtes Zusammenleben in gegenseitiger Solidarität und ohne Ausbeutung des Menschen durch den Menschen – als Zeugnis für das (kommende) Reich Gottes.
Zu diesen (im Kern eher revolutionären als reformatorischen) Strömungen, die auf Gemeineigentum beharrten, gehörten die Taboriten in Nachfolge von Johannes Hus. Zu den Vertretern der urchristliche Gütergemeinschaften gehörte auch Hans Böhm, der Pauker von Niklashausen: „Die Mutter Gottes von Niklashausen habe ihm verkündet, predigte er, daß fortan kein Kaiser noch Fürst, noch Papst, noch andere geistliche oder weltliche Obrigkeit mehr sein sollte; ein jeder solle des andern Bruder sein, sein Brot mit seiner Hände Arbeit gewinnen und keiner mehr haben als der andere. Alle Zinsen, Gülten, Fronden, Zoll, Steuer und andre Abgaben und Leistungen sollten für ewig ab, und Wald, Wasser und Weide überall frei sein …“
„Im Sommer 1519 empfahl Luther Thomas Müntzer als Prediger für Zwickau. Dessen Auftreten und Wirken … polarisierte zwar, gab aber der Reformbewegung einen Schub. Bereits 1521 gestaltete der Pfarrer der Marienkirche, Nikolaus Hausmann, den Gottesdienst nach Lutherischen Vorstellungen. Allerdings griffen immer mehr radikale Ideen in Zwickau um sich und fanden ihre Anhänger. Einer der Wortführer war der Tuchweber Nikolaus Storch. Er hatte ´Visionen´ und nannte sie ´Inneres Wort´ … Auch der Tuchmacher Thomas Drechsel