„So lasset uns ... den Staub von den Schuhen schütteln und sagen: Wir sind unschludig an Eurem Blut“. Richard A. Huthmacher

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„So lasset uns ... den Staub von den Schuhen schütteln und sagen: Wir sind unschludig an Eurem Blut“ - Richard A. Huthmacher

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geht es in gewaltigen Schritten seinem vollen Erblühen entgegen …“

      Dieser Mythus wie Mythos war sowohl den Deutschen Christen als auch den Nationalsozialisten Programm und Verpflichtung; er ist die Lüge, aus dem das hinlänglich bekannte Ungeheuer kroch.

      Festzuhalten gilt: Es handelt sich beim Judenhass Martin Luthers nicht „nur“ um „eine dunkle Seite“ des Reformators oder auch der Reformation in toto, vielmehr sind Antijudaismus und Antisemitismus konstituierend für Luthers Welt- und Menschenbild und Grundlage der Judenverfolgung und -vernichtung im Nationalsozialismus. Hitler wurde durch den Einfluss Luthers zum Antisemiten. „… [E]inige Theologen nennen Luther später stolz den ... ´ersten Nationalsozialisten´. Der Reformator aus Wittenberg hat entscheidenden Anteil an der Vorgeschichte des Holocaust in Deutschland.“

      Es ist ein Treppenwitz der Geschichte, dass ausgerech-net Martin Luther – Unterstaatssekretär im Auswärtigen Amt des deutschenReiches – von 1940-43 als Leiter der Abteilung D für die Zusammenarbeit mit dem Reichssicherheitshauptamt sowie für das Ressort D III und somit für „Judenfrage“ und „Rassenpolitik“ verantwortlich war; derart schloss sich ein Bogen über ein halbes Jahrtausend hinweg: Lutherscher Geist durchwehte ein halbes Millenium, bis er im Deutschland der Nationalsozialisten einen Sturm entfachte, der alles hinwegfegte, was ihm in die Quere kam.

      „SO GEBET DEM KAISER, WAS DES KAISERS IST, UND GOTT, WAS GOTTES IST“

      Liebe Maria!

      Im Folgenden würde ich mich gerne mit einem der „Großen“ der deutschen Geschichte befassen, dessen Denken und Wirken vor einem halben Jahrtausend für die „deutsche“ Geschichte von überragender Bedeutung ist. Bis heute. Wenn auch auf andere Art als uns kundgetan. Will meinen: Weisgemacht.

      Festzuhalten gilt: Unter Berufung auf die „Heilige Schrift“ walzte Luther rigoros nieder, was ihm im Wege stand: „Ego quidem credo me debere Domino hoc obsequium iatrandi contra philosophiam et suadendi ad Sacram Scripturam“: In der Tat glaube ich, dem Herrn den Gehorsam zu schulden, gegen die Philosophie zu wüten und zur Heiligen Schrift zu bekehren.

      „Von Gott und vor Gott gerechtfertigt zu werden, ist für Luther … nicht nur die zentrale soteriologische [heils- und erlösungsgeschichtliche] …, sondern sie ist – … umfassender und grundsätzlicher – auch die zentrale anthropologische Aussage. Daher lautet Luthers theologi- sche Definition des Menschen: ´Hominem iustificari fide´ – allein durch den Glauben ist und wird der Mensch gerechtfertigt. Und gottgefällig.“

      In diesem Sinne schuf Luther das Fundament einer neuen Glaubensrichtung. Und lehrte die Menschen vornehmlich eins: die Angst. Luthers Antwort auf eben diese Angst lautete: „Ich armes, verworfenes Menschlein muss mich … lediglich zur Einsicht durchringen, dass Gott sich meiner erbarmt, gerade weil ich erbärmlich bin.“

      Und weil die menschliche Natur durch und durch verderbt sei, schrieb er, zudem: „Sündige tapfer, aber tapferer glaube!“ Folgerichtig ist das Menschenbild Luthers düster; der Mensch selbst könne zu seinem Heil nicht beitragen, insofern sei sein Wille unfrei: „Der freie Wille ist nichts als ein Pferd, das vom Satan geritten wird; es kann nicht befreit werden, wenn nicht durch Gottes Finger der Teufel hinausgeworfen wird.“

      In Anbetracht solch lutherisch-soteriologischer Vorstellungen – der Mensch kann sein Heil nur in Gottes Erbarmen finden, insofern ist sein Wille unfrei – müsste man eher „Von der [Un-]Freyheyt eyniß Christen menschen“ sprechen. Luther selbst führt mit gespaltener Zunge aus: „Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemandem untertan. Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan.“

      Luther „löste“ den Konflikt, indem er seine weltlichen Herren, also die Fürsten und den Adel, aufforderte, die „Mordischen und Reubischen Rotten der Bawren“ – die sich, wohlgemerkt, auf Luthers Worte: „Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemandem untertan“ beriefen –, Luther also „löste“ die Dichotomie von vermeintlicher geistiger Freiheit und bedingungsloser gesellschaftlicher Unterordnung, indem er die gedungenen Mörderbanden aus Landsknechten und sonstigem käuflichem Gesindel aufforderte, die geschundenen Leibeigenen – die ein wenig Menschlichkeit, ein Quäntchen soziale Gerechtigkeit, gar etwas wie Menschenwürde forderten – rücksichtslos zu massa-krieren: „[M]an soll sie zerschmeißen, würgen, stechen, heimlich und öffentlich, wer da kann, wie man einen tollen Hund erschlagen muss.“

      „Die grausame Schrift Wider die räuberischen Horden der Bauern, in der er die Herrschenden zum Massenmord aufruft – sie wäre gar nicht mehr nötig gewesen. Die Vernichtung hatte schon ihren Lauf genommen …

      ´Ich habe alle Bauern erschlagen!´, bekennt er, und im gleichen Atemzug: ´Gott hat es mir befohlen.´ Sein Körper straft seine Rechtfertigung Lügen. Drehschwindel, Ohrensausen, Kopfschmerzen, Übelkeit, Ohnmachten, alle nur denkbaren Malaisen des Leibes.“

      LUTHER UND DIE VERNUNFT – DER REFORMATOR ALS TREUER DIENER SEINER HERREN

      Liebster!

      Als Theologin und Philosophin kann ich Deinen Ausführungen nur beipflichten und diese wie folgt ergänzen:

      Gegen Erasmus von Rotterdam wütete Luther fast gleichermaßen heftig wie gegen Thomas Müntzer: „Ebenso wie Erasmus habe ich auch Müntzer getötet; sein Tod liegt auf meinem Hals“.

      Die Vernunft (die sich im Humanismus der Renaissance und in Gestalt des Erasmus Bahn brach) galt nicht viel bei Luther – die eigentliche Wahrheit bleibe ihr verschlossen, sie könne nicht zur Erkenntnis Gottes gelangen, als Erkenntnisprinzip (principium cognoscendi) sei sie ebenso blind (caeca) wie verblendet (excaecata). Vor dem Sündenfall (Adams und Evas) sei die Vernunft von allen Gottesgaben die größte, sei geradezu göttlich gewesen. Durch den Sündenfall jedoch hätten die Menschen die Vernunft verloren, könnten nun nicht mehr erkennen, „quae Deus vult et praecipit“ (was Gott will und vorschreibt): Die Vernunft sei von der Dienerin göttlichen Geistes zu einem lästerlichen Weibsstück, zur „Teufels- hure“ und zur „Teufelsbraut“ pervertiert. „Widersacherin Gottes“ sei sie, die Vernunft, und vermittele allenfalls „blinde Finsternisse“; sie gehe in die Irre und Leere, sei „lauter nichts. Ja, was soll mir´s dann, wenn´s nichts ist? Ja, es ist nichts, wenn du deine fünf Sinne drum fragst und deine Vernunft und deine Weisheit zu Rate nimmst.“

      Es sei der Vernunft „Natur und Eigenschaft“, gegen Gott, gegen Gottes Willen zu sein. Die Vernunft könne den Widerspruch zwischen dem, was Gott vorsehe, und dem, was der Mensch wolle, nicht ertragen („neque capere neque ferre“); es gebe „kain faerlicher ding“ als die Vernunft des Herrschers („domina ratio“); selbst die sündigsten Gedanken gebe sie, die Vernunft, als die reine Wahrheit („ipsa veritas“) aus.

      Epistemologisch (erkenntnistheoretisch) versage die Vernunft: nicht nur in Bezug auf Gott, sondern auch hinsichtlich der irdischen Realität. Das Erkenntnisvermögen des Menschen sei entstellt, pervertiert, auch weltliche Angelegenheiten betreffend wisse die Vernunft nicht, „quid aut de quo loquatur“ (was und worüber sie spricht). Sie sei Gefangene ihrer eigenen (vermeintlichen) Klugheit, begreife sich fälschlicherweise als Maßstab aller Dinge, könne somit auch nicht als oberste weltliche Instanz gelten.

      Ebenso wie die Vernunft verteufelt Luther die Philosophie (deren Aufgabe bekanntlich ist, Welt und menschliche Existenz zu ergründen und zu verstehen); Philosophen könnten nie zur Wahrheit gelangen.

      Die „Klassiker“ der antiken Philosophie – namentlich Aristoteles – finden in Luther einen hasserfüllten

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