„So lasset uns ... den Staub von den Schuhen schütteln und sagen: Wir sind unschludig an Eurem Blut“. Richard A. Huthmacher

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„So lasset uns ... den Staub von den Schuhen schütteln und sagen: Wir sind unschludig an Eurem Blut“ - Richard A. Huthmacher

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Luther kritisiert, jedenfalls nicht … der, den wir … aus seinen Werken kennen … Warum … [sollten] aristotelische Lehrstück[e] i[m] Gegensatz zur Heiligen Schrift [stehen]?“ Und: Im Widerspruch zu Aristoteles hält Luther die Seele durchaus für sterblich; wäre sie tatsächlich unsterblich, müsste es unendlich viele Seelen geben: „Es gäbe also etwas aktual Unendliches, was Luther … für unmöglich hält.“

      Auch die Scholastiker zogen den Zorn Luthers auf sich; Thomas von Aquin hatte, die Willensfreiheit betreffend (und den nachträglichen Unmut Luthers auf sich lenkend), erklärt: „Totius libertatis radix est in ratione constituta“: Grundlage aller Freiheit ist die Vernunft.

      Luther wütete: Die Scholastiker sähen nicht die Sünde und übersähen, dass die Vernunft „plena ignorationis Dei et aversionis a voluntate Dei“, also voller Unkenntnis Gottes und voll der Abneigung gegen den Willen Gottes sei. Das scholastische Axiom, man könne ohne Aristoteles nicht Theologe werden, konterte er mit den Worten: „Error est, dicere: sine Aristotele non fit theologus; immo theologus non fit, nisi id fiat sine Aristotele“: Es ist ein Irrtum, zu behaupten, ohne Aristoteles werde keiner Theologe; in der Tat, Theologe wird man nicht, wenn es denn nicht ohne Aristoteles geschehen mag.

      Philosophie, so Luther, usurpiere die Theologie und führe zu einem „chaos errorum“ und zur „cogitatio metaphysica“, also zu einem Durcheinander von Irrtümern und zu (inhaltsleeren) metaphysischen Überlegungen; Philosophie habe sich ergo nur dem Sichtbaren, Theologie habe sich dem Unsichtbaren zu widmen. Auch wenn die Philosophen „laudem et gloriam liberi arbitrii“ (das Lob und den Ruhm des freien Willens) preisen, sei es mehr als befremdlich zu glauben, Gott sei in seinen Entscheidungen unfrei gegenüber dem menschlichen Willen.

      Die Vernunft könne den Widerspruch zwischen menschlicher und göttlicher Absicht weder verstehen noch ertragen, pervertiere ggf. den göttliche Willen zu eigenem Zweck und Nutzen. Wer menschlicher Vernunft folge, stürze in leere und sündige Gedanken, halte die Vernunft gar für die Wahrheit.

      Indes, und mehr noch: Nicht nur „in divinis“, also hinsichtlich des Göttlichen, in Bezug auf Seins-, Sinn- und Wertprinzipien, entwertete Luther die Vernunft; auch irdische Realität betreffend sei sie ohne Belang, wisse sie nicht, worüber sie spreche, sei sie durch ihre vermeintliche Weisheit be- und in derselben gefangen.

      Letztendlich lehrte Luther nichts anderes als einen kruden Irrationalismus: Offensichtlich hasste und entwertete er die menschliche Vernunft, stand damit im Widerspruch zum Gedankengut von Renaissance und Humanismus, war mehr dem „finsteren“ Mittelalter als der Wertschätzung des Menschen in der (beginnenden) Neuzeit verhaftet.

      Luthers Unfreiheit eines Christenmenschen spielte den Fürsten seiner Zeit, spielte auch seinem Schutzherrn Friedrich „dem Weisen“, spielte all denen, die das Volk, die Bauern (nicht nur in den blutigen Kriegen gegen dieselben) unterdrückten, in die Karten; die Herrschenden jener Zeit stellten ihn unter ihren Schutz, weil sie erkannten, dass Luther „ihr“ Mann und nicht der des Volkes und der Menschlichkeit war.

      Realiter jedenfalls bestand die Freiheit eines Christenmenschen gemäß lutherischer Ordnungsvorstellung im absoluten Gehorsam gegenüber der Obrigkeit, wie rational oder irrational, wie moralisch oder verwerflich diese auch handelte.

      Mithin: Luther war ein demagogisch agitierender Anti-Philosoph. Par excellence. Er war „ein Unglück von einem Mönch“, wie Nietzsche ihn nannte.

      Und Luther verfocht die Interessen seiner (weltlichen) Herren; derart, dass er „nach heutigem Rechtsverständnis ein Krimineller war, den der Staatsanwalt sofort verhaften ließe, wenn er seiner habhaft würde – wegen Volksverhetzung (§ 130 StGB), Anstiftung zum Mord (§§ 26, 211 StGB), Anstiftung zum Landfriedensbruch (§§ 26, 125 StGB) und Anstiftung zur schweren Brandstiftung (§§ 26, 306 StGB).“

      LUTHERS GOTTESBILD: „MONSTRÖS, UNGE-HEUERLICH, ZUTIEFST ERSCHRECKEND, ER-SCHÜTTERND UND ABSTOSSEND, UN-MENSCHLICH, IRRATIONAL UND ABSURD“

      Meine Liebe!

      Zudem gilt festzuhalten: „Die meisten Protestanten wissen es nicht, und die Theologen der Evangelisch-lutherischen, der Calvinistischen und der Zwinglianischen Kirche nebst deren zahlreichen Deviationen und Denominationen werden es ihnen … auch nicht sagen[:] … [D]as Gottesbild Luthers … ist … monströs, ungeheuerlich, zutiefst erschreckend, erschütternd und abstoßend, unmenschlich, irrational und absurd … Die Aufdeckung des haarsträubenden Gottesbildes Luthers würde auch die letzten Getreuen aus den Kirchen …treiben.“

      Geradezu sadistische Züge zeige er, Gott: „Er schlingt einen hinein und hat solche Lust daran, dass er aus seinem Eifer und Zorn dazu getrieben wird, die Bösen zu verzehren. Fängt das einmal an, dann hört er nicht mehr auf.“ „ … [S]o ist er ungerecht und hat viel mehr Sünde denn der Teufel, ja er ist erschrecklicher und grewlicher denn der Teufel, denn er handelt und gehet mit uns umb mit gewalt, plaget und martert uns …“ „Das ist denn das verzehrend fressige Feuer.“

      „Und wirst du sündigen, so wird er dich auffressen.“

      „Denn Gott ist ein Feuer, das verzehret, frisset und eifert, das ist, er bringt euch um wie das Feuer ein Haus verzehrt …“

      „Lehren [Lernen] soll man zwar von Gottes unausforschlichem und unbegreiflichem Willen; aber sich unterstehen, denselben zu begreifen, das ist sehr gefährlich und man bricht sich dabei den Hals.“

      „[I]ntolerabilis … humanae naturae“, untragbar für die menschliche Natur sei Gott, „mysteriis suis et iudiciis impervestigabilibus“, in seinen Geheimnissen und seinem Urteil nicht zu ergründen; seine Macht offenbare sich „in metuendis mirabilibus et iudiciis suis incomprehensibili- bus", will meinen: in seinen Wundern, die gleichermaßen zu fürchten, in seinen Ratschlüssen, die nicht weniger unbegreiflich seien.

      Ist hier etwa eine Nähe zur Willkür weltlicher Herrscher und deren – der Willkür wie der Herrscher – (pseudo-)intellektuelle Rechtfertigung zu erkennen – quod licet Iovi convenit principi non licet bovi: Was für Gott gilt geziemt sich für die Fürsten, aber nicht für das Volk.

      Rechtfertigt Luther gar deren, der Fürsten Herrschaft, will meinen: Tyrannei? Unter Berufung auf eine (vermeintlich resp. angeblich) höhere, ungleich größere, sehr viel umfassendere Macht (Gottes)?

      Ist Luther „nur“ ein angstgeplagter, von Zweifeln zerrissener, nach einem Ausweg aus seiner Verwirrung suchender Psychopath oder ein durchaus bewusst handelnder intellektueller Brandstifter? Oder beides?

      Fragen über Fragen. Zu deren Beantwortung. Liebste, unser Briefwechsel beitragen will – abweichend von der offiziösen Lesart, die von einem „Re-formator“ statt von einem „Re-stitutor“ (der alten in einer neuen, humanistisch-aufgeklärten Zeit) spricht: Bisweilen ist der Herren Dank der Herren Diener gewiss.

      Und weiterhin: Spielten Luther und die „Reformation“ an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit eine ähnliche Rolle wie die Französische Revolution und deren Ausgeburt, Napoleon, beim Übergang vom Feudalismus zum Bürgertum? Gebiert, mithin, jede Zeit resp. Zeitenwende die Ungeheuer, die sie verdient? Ungeheuer, die Not und Tod verursachen, obwohl sie (angeblich) für die „Freiheit eines Christenmenschen“ resp. für „liberté, égalité, fraternité“ angetreten sind.

      [Anmerkung des Herausgebers: Und gebären – derart, zwangsläufig und folgerichtig – nicht auch Kapitalismus und Neoliberalismus ihre eigenen Ungeheuer: einen Rotschild und einen Rockefeller, einen Gates und einen Sorros, einen Drosten und einen Tedros Adhanom, also neue Herren und deren Adlati,

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