Die Königin der Tulpen. Christian Macharski
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„Da dürfte das Verhältnis zu seinem Vater ja nicht das beste sein, oder?“
Marlene zuckte die Schultern. „Der Hansi hatte ja keine Wahl, weil der Vater dem immer finanziell unterstützt hat. Der verdient mit sein kleiner Laden ja nicht so viel.“
„Und seit damals ist Hans-Peter Eidams alleinstehend?“
„Ja, ja. Seitdem ist der ein eingeschweißter Junggeselle. Der ist sogar der Vorsitzende vom Saffelener Junggesellenverein „Heiß wie Frittenfett e.V.“ Marlene sah auf die Uhr. „Um Gottes willen. Ich muss los. Um zwölf Uhr muss ich bei Billa sein.“
Auch Kommissar Kleinheinz sah auf die Uhr. „Ich muss dringend zurück aufs Revier. Den Bericht schreiben. Hier ist eine Karte mit meiner Handynummer, Herr Hastenrath. Rufen Sie mich jederzeit an, wenn Sie irgendwas Neues hören. Und ich warne Sie – fangen Sie nicht wieder hinter meinem Rücken an, auf eigene Faust zu ermitteln. Wir haben es hier ganz offen sichtlich mit einem gefährlichen Täter zu tun.“ Während er sich erhob, schob er die Visitenkarte über den Tisch. Will nahm sie und steckte sie in seine Hosentasche. „Und Ihnen, Frau Hastenrath, gute Erholung bei Ihrem Wellnesstrip.“ Er nickte ihr galant zu.
Marlene errötete leicht und fuhr sich verlegen mit der Hand durchs Haar. Wie Kleinheinz so dastand, wirkte er im matten Schein der Deckenlampe wie Sky Dumont in ihrer Lieblings-Rosamunde-Pilcher-Verfilmung „Blüte des Lebens“, nur jünger und sportlicher. Der Gedanke wurde aber schnell von Wills rasselndem Husten vertrieben, mit dem er den Kommissar zur Tür geleitete. Auf dem Treppenabsatz drehte dieser sich noch einmal um und sah den Landwirt besorgt an. „Eins versteh ich einfach nicht. Warum um alles in der Welt überfällt jemand so früh am Morgen einen Tante-Emma-Laden in Saffelen?“
„Vielleicht, weil der danach noch andere Termine hatte?“
Kleinheinz ignorierte die Antwort. „Irgendetwas stimmt hier nicht. Wenn jemand einen Raubüberfall auf ein Geschäft begeht, dann macht er das abends, wenn die Kasse voll ist und nicht morgens. Das macht einfach keinen Sinn.“ Grübelnd ging der Hauptkommissar zu seinem Wagen und ließ Hastenraths Will grußlos im Hauseingang zurück.
4
Samstag, 11. Juli, 11.58 Uhr
„Auf jede Tupperdose habe ich mit ein Eddingstift der Wochentag draufgeschrieben. Hier auf der Zettel kannst du dann nachlesen, was da drin ist. Zum Beispiel Montag ist Rinderbraten mit Kartoffelklöße und Blumenkohl. Daneben steht, wie lange du der Teller in die Mikrowelle stellst. Das ist ganz einfach. Genauso wie damals, als ich die Woche in Kur war.“ Billa Jackels ging bereits zum zweiten Mal den Ablauf der nächsten fünf Tage durch.
Josef Jackels saß zusammengekauert am Esszimmertisch und hörte angestrengt zu. Auf seiner Stirn hatten sich kleine Schweißperlen gebildet. Seine schwitzigen Hände wischte er zwischendurch immer wieder an seiner Strickjacke ab. Kraftlos sah er zu seiner Frau auf. „Müsst ihr denn ausgerechnet diese Woche im Wellnessurlaub fahren? Nächsten Samstag ist die große Hundertjahrfeier der Freiwilligen Feuerwehr Saffelen. Die sind jetzt schon das Festzelt am legen. Was ich da noch alles organisieren muss. Wir haben noch kein Toilettenwagen, weil gleichzeitig in Honsdorf und Brüggelchen Sommerfest ist, die Bier- und Schnapsbestellung muss noch mit der Zeltwirt abgestimmt werden, der Diskjockey hat noch nicht zugesagt, weil der an dem Tag eine wichtige Einführungsveranstaltung hat – ich glaub’, bei sein Urologe. Außerdem muss ich durch der Abend moderieren. Wie soll ich mich denn da noch um der Haushalt kümmern?“
„Josef!“ Billa stemmte energisch die Hände in die Hüften. „Jetzt übertreib doch nicht so. Die Anni kommt jeden zweiten Tag und erledigt das Putzen und der Abwasch. Deine Uniform ist gebügelt und die anderen Anziehsachen habe ich dir rausgelegt. Das Einzigste, was du machen musst, ist, einmal am Tag die Mikrowelle anstellen. Ansonsten hast du jede Menge Zeit, dich auf das Feuerwehrfest vorzubereiten. Außerdem konnten wir uns der Zeitpunkt für die Reise nicht aussuchen, weil es sich um ein Gewinn handelt.“
Josef seufzte laut. Es klingelte an der Haustür. Josef seufzte noch lauter.
Vor der Haustür stand eine aufgekratzte Marlene Hastenrath mit einer großen Reisetasche. Billa fiel ihr um den Hals. „Marlene. Ich freu mich so. Weißt du eigentlich, wann wir das letzte Mal zusammen weg waren?“
„1998. Da waren wir mit die Kegelfrauen in Bad Hönningen. Aber das war ja in dem Sinne kein Wellness urlaub.“ Sie kniff ein Auge. Beide lachten laut.
Im gleichen Moment schob sich Josef Jackels mit Leidensmiene und hängenden Schultern vorbei an den beiden Frauen aus dem Haus. Er sah gequält auf. „Grüß dich, Marlene. Ich hol eben der Auto.“ Dann schlurfte er über die Einfahrt zur Garage, schob lethargisch das Tor hoch und ging hinein.
Marlene zog eine Augenbraue hoch. „Was ist denn mit der Josef los?“
„Ach, der“, Billa machte eine wegwerfende Handbewegung. „Der jammert schon der ganze Tag rum. Der ist so aufgeregt wegen das Feuerwehrfest nächsten Samstag, weil der da die Eröffnungsrede halten muss. Der hat letzte Nacht nur zwei Stunden geschlafen. Erst als der zwei Valium genommen hatte, ging es.“
„Der Arme“, sagte Marlene. „Ich glaube, der Will ist ganz froh, dass ich fahr. Ich habe gestern durchs Küchenfenster gehört, wie der für der Schlömer Karl-Heinz sagte, dass das für ihn auch Wellness ist, wenn ich mal ein paar Tage weg bin.“
„Ach, Männer. Wir machen uns jetzt fünf schöne Tage mit Prozecco und Massagen von muskulöse Psychiotherapeuten.“ Marlene kicherte wie ein Teenager.
„Ich hol schnell meine Tasche.“ Als Billa ins Haus lief, sah Marlene, wie Josef fast wie in Zeitlupe seinen dunkelroten Opel Ascona rückwärts aus der Garage bugsierte. Dabei schaute er hektisch immer wieder abwechselnd in den Seiten- und in den Rückspiegel. Dann bog er in die Straße ein und brachte den Wagen haarscharf neben dem Bürgersteig mit einem abrupten Bremsen zum Stehen, woraufhin der Motor ruckelnd erstarb. Der Feuerwehrmann sah hinüber zum Haus, kurbelte das Fenster runter und drückte auf die Hupe, die so verrostet krächzte wie die Hupe der Waltons, die Vater John immer betätigte, wenn er von der harten Arbeit im Sägewerk nach Hause kam und sich auf seine Frau Olivia und die Kinder John-Boy, Jason, Jim-Bob, Ben, Mary-Ellen, Erin und natürlich die kleine Elizabeth freute.
Josef hatte sich angeboten, die beiden Frauen zum Bahnhof zu bringen. Überdreht kam Billa mit einem großen Trolley und einer Umhängetasche aus dem Haus gesprungen und rief lachend: „Kutscher, zum Bahnhof! Und geben Sie die Pferde die Peitsche.“ Marlene stieg gackernd in das Gelächter ein, während Josef sich den Schweiß von der Stirn wischte und niedergeschlagen den Wagen startete.
5
Sonntag, 12. Juli, 15.42 Uhr
Das Saffelener Altenheim war, anders als der ungewöhnliche Name „Haus Gnadenbrot“ vermuten ließ, ein sehr mondän anmutendes Gebäude mit moderner Einrichtung. Untergebracht in einem aufwendig sanierten, ehemaligen Kreuzherrenkloster, gab es dort 42 Pflegeplätze, darunter 30 Einzel- und sechs Doppelzimmer. Das Angebot umfasste neben der stationären Pflege noch einen betreuten Wohnbereich