Physikalische Chemie. Peter W. Atkins
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(3-31)
Bei konstanter Enthalpie oder Entropie wird diese Ungleichung zu
(3-32)
Zur Interpretation dieser Beziehungen gehen wir genauso vor wie für Gl. (3-30): Die Entropie eines Systems muss zunehmen, wenn die Enthalpie konstant bleibt (da in diesem Fall keine Änderung der Entropie der Umgebung stattfinden kann). Umgekehrt muss die Enthalpie abnehmen, wenn die Entropie des Systems konstant bleiben soll, weil dann zwingend eine Entropiezunahme in der Umgebung erfolgen muss.
Die Form der Gln. (3-29) und (3-31), dU – T dS ≤ 0 bzw.dH – T dS ≤ 0, legt die Einführung zweier neuer thermodynamischer Funktionen nahe, der Freien Energie A,
[3-33]
und der Freien Enthalpie G ,
Die Freie Energie A wird auch Helmholtz-Energie oder helmholtzsche Freie Energie genannt; in der deutschen Literatur findet man auch oft das Symbol F .Analog spricht man von der Gibbs-Energie bzw. der gibbsschen Freien Enthalpie G .Alle Größen in den Gln. [3-33] und [3-34] beziehen sich aufdas betrachtete System.
Wenn bei konstanter Temperatur eine (infinitesimale) Zustandsänderung eintritt, beträgt die Änderung der beiden Funktionen
(3-35)
Wenn wir hier die Gln. (3-29) und (3-31) einsetzen, erhalten wir als Bedingungen für die Freiwilligkeit einer Zustandsänderung
(3-36)
Diese beiden Ungleichungen sind von entscheidender Bedeutung für chemische Anwendungen der Thermodynamik. In den folgenden Abschnitten und Kapiteln werden wir ihre Bedeutung noch genauer entwickeln.
Einige Anmerkungen zur Freien Energie
Eine Zustandsänderung eines Systems mit konstanter Temperatur und konstantem Volumen ist freiwillig, wenn dAT,V ≤ 0 ist, d.h., wenn die Zustandsänderung eine Abnahme der Freien Energie bewirkt. Derartige Systeme bewegen sich, wenn ein möglicher Weg existiert, spontan in Richtung von Zuständen niedrigerer Freier Energie; das Gleichgewicht (wenn weder in der einen noch in der anderen Richtung eine Veränderung eintritt) ist für
(3-37)
erreicht.
Die Beziehungen dA = dU – TdS und dA < 0 werden mitunter auf folgende Weise interpretiert: Ein negativer Wert für dA ergibt sich, wenn dU möglichst negativ und T dS möglichst positiv wird. Daraus könnte man schließen, dass ein System einem Zustand kleiner Freier Energie zustrebt, weil es damit eine niedrigere Innere Energie und eine höhere Entropie erreicht. Diese Erklärung ist falsch (obwohl sie als Faustregel zum Einprägen der Beziehung für dA nützlich ist). Das System strebt nur deshalb Zustände mit kleinem A an, weil dadurch die Gesamtentropie zunimmt: Zustandsänderungen verlaufen dann freiwillig, wenn das System und seine Umgebung dadurch eine höhere Gesamtentropie erreichen, nicht, wenn die Innere Energie abnimmt. Insofern kann uns die Gleichung für dA in die Irre führen; man gewinnt den Eindruck, dass Zustände niedriger Innerer Energie generell begünstigt sind. In Wirklichkeit ist aber das Maximum der Summe aus den Entropieänderungen des Systems (dS)und der Umgebung(–dU/T bei konstantem Volumen des Systems) das Ziel.
Die maximale Arbeit
Wie wir nun feststellen werden, kann die Größe A nicht nur als Kriterium für die Freiwilligkeit von Zustandsänderungen dienen; sie hat eine weitaus größere Bedeutung: Die Änderung der Freien Energie entspricht der Arbeit, die ein System maximal verrichten kann,
(3-38)
Aus diesem Grund wird A auch als maximale Arbeit oder Arbeitsfunktion bezeichnet (daher das Symbol A).
Begründung 3-2 Die maximale Arbeit
Um zu zeigen, dass die maximale Arbeit gleich der Änderung der Freien Energie ist, setzen wir die clausiussche Ungleichung dS ≥ dq/T in der Form T dS ≥ dq in den Ersten Hauptsatz dU = dq + dw ein; so erhalten wir
(dU ist immer kleiner als die rechte Seite dieser Ungleichung, da wir dq durch den stets größeren Ausdruck T dS ersetzt haben). Durch Umstellen wird daraus
Daraus folgt für den größtmöglichen negativen Wert von dw – also den maximalen Betrag der Energie, die dem System in Form von Arbeit entnommen werden kann –
Dies wird nur bei reversibler Arbeitsweise erreicht, denn ausschließlich dann gilt in allen vorangegangenen Beziehungen das Gleichheitszeichen. Bei konstanter Temperatur gilt dA = dU – T dS, daher ist in diesem Fall dwmax = dA.
Abb. 3-16 In einem nicht abgeschlossenen System kann die verrichtete Arbeit sich von der Änderung der Inneren Energie unterscheiden. Wie wir wissen, verläuft der Prozess genau dann freiwillig, wenn die Entropie des abgeschlossenen Gesamtsystems zunimmt. Hier nimmt die Entropie des Systems ab,also muss die Entropie der Umgebung steigen, damit der Prozess freiwillig abläuft. Das bedeutet, Wärme muss vom System aufdie Umgebung übertragen werden. Daher ist die Menge der nutzbaren Arbeit kleiner als ΔU.
Für eine endliche isotherme Zustandsänderung wird Gl. [3-34] zu
mit
(3-40)