Alpendohle. Swen Ennullat
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Читать онлайн книгу Alpendohle - Swen Ennullat страница 16
Plötzlich schlug ihm ein ekelerregender Gestank entgegen. Der Professor, der ebenso die Nase rümpfte, winkte ihn zu einem Zimmer auf der linken Seite. „Offensichtlich haben wir die Toilette unserer drei neuen Freunde gefunden!“, raunte er Torben zu und ging schnell weiter. Torben starrte jedoch noch einen Moment lang völlig ungläubig auf einige alte Zehnliterfarbeimer, die wie der Großteil des Fußbodens mit Kot und wahrscheinlich Urin gefüllt waren. Er kämpfte – während er die Luft anhielt – verzweifelt mit seiner Übelkeit und wandte sich schnellstmöglich ab. Er lief weiter den Korridor entlang, bis er sich halbwegs sicher sein konnte, wieder atmen zu können, ohne sich zu erbrechen. Gierig sog er die frischere Luft ein. Als er kurz darauf wieder zum Professor aufschloss, fragte er: „Was um alles in der Welt war denn das?“
„Es sieht so aus, als ob sich unsere neuen Freunde hier länger aufgehalten haben. Vielleicht haben sie den ganzen Winter hier verbracht. Ich nehme an, das Schloss verfügt über Kamine, die man noch nutzen kann. Sie haben den Müll verbrannt und es sich dabei gemütlich gemacht. Allerdings mussten sie auf den Luxus von fließendem Wasser verzichten. – Die Vorzüge eines Wasserklosetts lernt man erst schätzen, wenn einem keines zur Verfügung steht. O Gott, ich habe den Gestank immer noch in der Nase. Wir können nur froh sein, dass es noch nicht so warm ist, sonst hätten uns sicherlich die Insekten aufgefressen. Und jetzt lassen sie uns endlich unsere Suche fortsetzen! Ich vermute, dass die zweiflüglige Tür am Ende des Korridors zum Salon führen könnte.“
Torben zeigte ein zustimmendes Nicken. „Beeilen wir uns! Ich brauche nämlich dringend eine Dusche!“
Lediglich Gertrud schien der Gestank überhaupt nichts ausgemacht zu haben. Sie drängte augenscheinlich vielmehr danach, in den letzten Raum zurückzukehren, da der Professor sie mehrmals rufen musste.
Wenige Augenblicke später erreichten sie den Salon der Dammsmühle. Außer der Tür, durch die der Professor und Torben traten, verfügte der Raum jedoch zu Torbens Überraschung über keinerlei Zugänge zu anderen Räumlichkeiten. Das Zimmer war etwa einhundert Quadratmeter groß. Die Wände waren komplett mit einem dunkel gebeizten Holz verkleidet. Die Decke wies aufwendige Stuckelemente auf, die augenscheinlich Jagdszenen zeigten oder gezeigt hatten, denn der Großteil des Putzes hatte im letzten Jahrzehnt der Schwerkraft keinen Widerstand mehr leisten können und lag als Schutt am Boden. Etliche Scheiben der großen Fenster, die von drei Seiten Licht in den Raum ließen, waren wie viele andere im Schloss eingeschlagen. Das dadurch eindringende Regenwasser hatte das Parkett und die Wandverkleidung angegriffen. An vielen Stellen schienen sie brüchig und verfault. Bis auf einen Stapel von Bauholz, der in der Mitte des Raumes gelagert war, damit man sicher sein konnte, dass er trocken blieb, war der Raum leer.
Torben, den Salon durchschreitend und darauf achtend, nicht irgendwo einzubrechen, sagte laut: „Dies kann nicht der richtige Raum sein. Er ist eine Sackgasse!“
Als die Reaktion seines Begleiters ausblieb, drehte er sich zu ihm um. „George, haben Sie gehört? Es ist der falsche Salon! Was machen wir nun, schauen wir uns doch noch weiter um?“
Der Professor, der nur etwa zwei Meter in den Raum getreten war, stand mit dem Rücken zu Torben und blickte auf den oberen Abschluss des Türrahmens, den beide soeben durchschritten hatten. Er sagte: „Multi quarent intrare et non poterunt.“
„Bitte? Was haben Sie gesagt?“, fragte Torben nach, da er mit der Bemerkung nichts anfangen konnte.
„Multi quarent intrare et non poterunt“, wiederholte der Professor und zeigte auf den Türrahmen. „Ich kenne diesen Spruch. Die Übersetzung lautet: Viele wollen eintreten und können es nicht!“
Torben ging zurück und sah, dass das Holz des oberen Rahmens diese Inschrift aufwies. Als er Professor Meinert fragend anblickte, bemerkte er, dass dieser lächelte.
„Dieser lateinische Satz, mein junger Schüler, weist auf das Recht des Schlossherrn hin, darüber zu entscheiden, wer sein Haus betritt. Eigentlich müsste er über dem Eingangstor des Schlosses stehen.“
„Wir sind aber schon im Inneren!“, gab Torben zu bedenken.
„Richtig! Die Frage ist nun, warum wurde er dennoch hier angebracht.“ Der Professor ließ seinen Blick an der Holzverkleidung links und rechts neben der Tür entlangschweifen. Plötzlich hielt er inne, trat einige Schritte nach rechts und ging zielstrebig an die Wand heran. Er dreht sich lächelnd zu Torben um und sagte: „Willkommen im Arbeitszimmer Heinrich Himmlers!“ Er griff in eine Vertiefung in der Holzverkleidung, die Torben bislang nicht bemerkt hatte, und zog ein Teil des Holzes wie ein Portal auf. Dahinter kam eine schwere Holztür zum Vorschein.
„Wirklich nicht schlecht, George! Seien Sie sich meines größten Respekts gewiss!“, lachte der überraschte Torben.
„Moment, Moment!“ Um größtmögliche Ernsthaftigkeit bemüht, obwohl er augenscheinlich gern in das Lachen einfallen wollte, griff der Professor die Türklinke und sagte: „Jetzt also der zweite Versuch: Willkommen im Arbeitszimmer Heinrich Himmlers!“
Die Tür ließ sich völlig mühelos und mit einem leichten Knarren öffnen. Sie gab den Blick auf ein etwa zwanzig Quadratmeter großes, quadratisches und durch zwei Fenster gut erhelltes Zimmer frei. Zu Torbens großer Enttäuschung war es aber bis auf eine dicke Staubschicht, die Boden und Fensterbänke bedeckte, völlig leer. Der Professor, der offenkundig auch mit einer etwas anderen Entdeckung gerechnet hatte, trat noch vor Torben ein und blieb in der Mitte des Raumes stehen.
Torben, der ihm folgte, fiel es sehr schwer, seine Niedergeschlagenheit zu unterdrücken. „Irgendwie habe ich mir das Arbeitszimmer anders vorgestellt.“
„Mein lieber junger Freund, ich muss Sie um Verzeihung bitten!“ Der Professor seufzte. „Ich habe mich in meiner Arroganz einen kurzen Moment dazu hinreißen lassen, mir vorzustellen, dass wir die Ersten sein könnten, die dieses Arbeitszimmer gefunden haben. Ich hatte nicht bedacht, dass Rote Armee und Staatssicherheit das Schloss über Jahrzehnte hinweg genutzt haben. Die Existenz eines geheimen Raumes, wohlgemerkt sogar im Erdgeschoss des Schlosses und von außen sichtbar, wäre ihnen sicherlich nicht verborgen geblieben. Natürlich wurde der Raum gefunden, gut durchsucht und alles Wichtige konfisziert.“
Mittlerweile von der Entdeckung völlig unbefriedigt, entgegnete Torben mit sarkastischem Unterton: „Alles Wichtige? Hier wurde auch alles Unwichtige mitgenommen! – Also endet unsere Suche hier, richtig? Die Prügelei war demzufolge völlig umsonst!“
„Keineswegs, mein Sohn!“ Der Professor lächelte und legte den Kopf in den Nacken. „Es ist alles hier, was wir benötigen, um den Weg fortzusetzen!“
Torben folgte dem Blick des Professors und sah an der Decke des Raumes ein im Durchmesser etwa zwei Meter kreisrundes Symbol. In dessen Inneren befand sich ein zweiter, etwas kleinerer Kreis. Von der Mitte des Symbols zum Rand des äußeren Kreises verliefen zwölf Linien, die durch ihre harmonische Anordnung das Zeichen in zwölf gleichgroße Teile stückelten. Die Linien verliefen jedoch nicht vollständig gerade. Kurz nach Durchstoßen des ersten inneren Kreises knickten sie nach rechts ab, um kurz darauf mit einem zweiten Knick, diesmal in die linke Richtung, ihren Weg zu ihrem Endpunkt, dem äußeren Kreis, fortzusetzen.
„Das Symbol über unseren Köpfen“, erklärte der Professor, „wird Schwarze Sonne oder Zwölfarmiges Hakenkreuz genannt! Die offizielle Bedeutung des Zeichens ist ebenso unbekannt wie der Künstler, der es entwarf. Sollte ich vor der Aufgabe