Alpendohle. Swen Ennullat

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Alpendohle - Swen Ennullat

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Torben mitschreiben konnte, „sein Kammerdiener SS-Sturmbannführer Linge … sein Adjutant Günsche … dazu sein Leibwächter, seine vier Sekretärinnen, seine Diätköchin, sein Chauffeur und sein Leibarzt anwesend. Im Vorbunker kamen der Generalstabschef des Heeres Hans Krebs … Eva Brauns Schwager SS-Gruppenführer Hermann Fegelein … die gesamte Goebbelsfamilie und einige andere Größen des Dritten Reichs dazu. Aber ich will Sie nicht mit noch mehr Namen verwirren. Wie dem auch sei, Ende April standen die russischen Truppen in Berlin und Hitler traute längst niemanden mehr.

      So hatte Hermann Göring, Reichsmarschall und Oberbefehlshaber der deutschen Luftwaffe, Berlin am 20. April 1945 nach dem Empfang zu Ehren Adolf Hitlers sechsundfünfzigsten Geburtstags wie viele andere Staats- und Parteifunktionäre in Richtung des noch unbesetzten Süddeutschlands verlassen. Drei Tage später versuchte er, weil Hitler weiterhin in Berlin ausharrte, sich als dessen Nachfolger auszurufen. Der Führer enthob ihn daraufhin aller Ämter und ließ ihn auf dem Obersalzberg, seinem Wohnsitz im Berchtesgadener Land, wegen Hochverrats von der dortigen SS-Kommandantur festsetzen.

      Heinrich Himmler, Reichsführer-SS, Reichsinnenminister und Chef der Deutschen Polizei, hatte in den Augen Hitlers ebenfalls versagt, weil er als Oberbefehlshaber der Heeresgruppe Weichsel im März nicht hatte verhindern können, dass die Rote Armee die Front in Pommern durchbrach. Etwa zeitgleich mit dem Putschversuch Görings suchte Himmler den Kontakt zu den alliierten westlichen Streitkräften, um eine einseitige Kapitulation anzubieten, und ließ dafür sogar jüdische Frauen aus dem Konzentrationslager Ravensbrück frei. Am 28. April 1945 wurde Himmler für dieses Verhalten von Hitler ebenfalls aller Ämter enthoben.

      Und so ging es weiter! Fegelein, sein Beinaheschwippschwager, setzte sich in Zivil und mit einhunderttausend Reichsmark und Schweizer Franken aus dem Führerbunker ab, SS-General Karl Wolff schloss in Italien einen Waffenstillstand, SS-General Felix Steiner verweigerte den Gehorsam. Die Aufzählung ließe sich beliebig fortsetzen. Hitler fühlte sich verraten, getäuscht, war außer sich vor Wut und fürchtete einen Attentäter, der sich bereits im Führerbunker hätte befinden können.

      Zumindest gelang es dem aufgebrachten und zornigen Hitler, Fegelein durch einen seiner Personenschützer aufspüren zu lassen. Er ließ ihn im Ehrenhof der Reichskanzlei hinrichten, obwohl Eva Braun für den Mann ihrer schwangeren Schwester auf Knien um Gnade bat. Vermutlich um seine Geliebte zu beruhigen, ließ er deshalb einen Standesbeamten ausfindig machen und heiratete Eva Braun um Mitternacht des 28. April 1945.“

      Torben, der mit seinen Notizen schon längst nicht mehr hinterherkam, und in dessen Kopf die Namen herumschwirrten, die er wahrscheinlich schon vielfach gehört, aber noch nie so miteinander in Verbindung gebracht hatte, unterbrach den Professor: „Hitler hat Eva Braun geheiratet? Das wusste ich gar nicht!“

      „Tja, mein lieber Freund, deshalb gibt es ja Menschen wie mich, die ab und an mal ein Buch schreiben, damit bestimmte Ereignisse nicht in Vergessenheit geraten.“ Er zog Gertrud von einem Mülleimer weg, denn mittlerweile hatten sie die Parkanlage erreicht.

      „Kommen Sie, setzen wir uns dort an den Springbrunnen und ich erzähle Ihnen den Rest.“

      Torben und Gertrud kamen dieser Einladung gerne nach.

      „Nach der Hochzeit mit Eva Braun, ich meine Eva Hitler, geborene Braun, um genau zu sein“, der Professor lächelte, „diktierte Hitler der Sekretärin Traudl Junge sein politisches und ein persönliches Testament. Göring und Himmler schloss er aus der NSDAP aus. Als Reichspräsidenten ernannte er Großadmiral Karl Dönitz und Goebbels wurde Kanzler. Generaloberst Robert Ritter von Greim, der durch die Testpilotin Hanna Reitsch drei Tage zuvor unter größtem Risiko ins fast völlig besetzte Berlin eingeflogen worden war, wurde zum Luftwaffenchef befördert und erhielt den Auftrag, gemeinsam mit Reitsch wieder auszufliegen und Himmler hinrichten zu lassen, wenn er seiner habhaft werden könnte. Das erzähle ich Ihnen, weil Reitsch mehrere persönliche Briefe mitnahm. So hatte Magda Goebbels an ihren Sohn aus erster Ehe geschrieben und Eva Braun-Hitler an jemand anderen. Diesen Adressaten kennen wir allerdings noch immer nicht. Der Brief von Frau Goebbels wurde später durch die Alliierten zwar sichergestellt, den Brief der frischgebackenen Frau Hitler will Reitsch jedoch vernichtet haben.

      Sie sehen also, es wurde jede Möglichkeit genutzt, um noch persönliche Nachrichten oder Befehle aus dem Bunker hinauszubringen. Insoweit mag ich der Geschichte von Reiher – so hieß er doch – durchaus etwas Wahres abgewinnen.

      Der SS und der Gestapo traute Hitler wegen Himmler nicht mehr, ebenso wenig den Wehrmachtsoffizieren wegen der Kapitulation ihrer Generäle. Warum sollte er also nicht auf einfache Soldaten für besondere Kurierdienste zurückgreifen, erst recht, wenn sie durch Drohungen – wie der anstehenden Hinrichtung von Familienangehörigen – besonders motiviert und zu Höchstleistungen angespornt werden konnten.“

      „Aber mein Großvater hatte niemanden mehr in Berlin! Er war auf diese Weise nicht erpressbar“, wandte Torben ein.

      „Vielleicht hat er sich für einen Kameraden geopfert, oder ihm wurde schlichtweg eine Lüge aufgetischt, um ihn dazu zu bringen, als Kurier zu fungieren. Mir fallen da tausend verschiedene Möglichkeiten ein“, gab der Professor zu bedenken. „Wie auch immer“, setzte er fort, „am 30. April – seinem Todestag – stand Hitler sehr früh auf, verteilte Geschenke an Getreue und beauftragte seinen Adjutanten Günsche, seinen Leichnam nach seinem Tod zu verbrennen. Er aß allein zu Mittag und erteilte General Helmuth Weidling den Befehl zum Ausbruch aus Berlin, um mit den verbliebenen Soldaten anschließend in den Wäldern weiterzukämpfen. Hitler verabschiedete sich danach von seinen Mitarbeitern und ging gegen 15 Uhr – also etwa zu der Zeit, als Reiher ihren Großvater im Treppenhaus des Führerbunkers getroffen haben will – mit seiner neuen Frau in seinen Wohnraum.

      Gegen 15.30 Uhr hörte Günsche, der als Wachposten vor der Tür stand, einen Schuss. Gemeinsam mit Bormann und anderen betrat er deshalb das Zimmer.

      Ab hier gibt es verschiedene Schilderungen, deren Abweichen sicherlich auf die unterschiedlichen Wahrnehmungen der einzelnen Zeugen der Auffindesituation zurückzuführen ist.

      Ich bin der Meinung, dass es am wahrscheinlichsten ist, dass Eva und Adolf Hitler beide Giftampullen zerbissen haben und Hitler sich zusätzlich in die Schläfe schoss. Die ganzen letzten Tage zuvor war nämlich die Art und Weise eines möglichen Suizides das beherrschende Thema im Bunker gewesen. Hitler selbst hatte wiederholt Giftampullen mit Zyankali und Blausäure verteilt. Da die Kapseln ursprünglich von Himmler stammten und er ihm nach seinem Verrat nicht mehr traute, hatte er ihre Wirkung vor seinem eigenen Tod sogar noch an seinem geliebten Schäferhund und dem Hund seiner Frau erfolgreich ausprobiert.

      Aber weiter! Die Eheleute Hitler waren also tot. Bormann, Günsche und einige Leibwächter aus dem Begleitkommando verbrannten die Leichen im Garten der alten Reichskanzlei und setzten die verkohlten Überreste in einem Granattrichter bei. Bormann und Goebbels bemühten sich ab diesem Zeitpunkt verzweifelt, ihre Machtbefugnisse zu retten, und begannen mit den Russen über einen Waffenstillstand zu verhandeln. Die lehnten aber ab. Bormann unternahm danach mit einigen anderen einen Ausbruchversuch aus dem Führerbunker, nahm sich aber in diesem aussichtslosen Kampf – auch da hat Reiher recht – ebenfalls mit Gift das Leben, so bestätigen es verschiedene Zeugen. Da man seine Leiche nicht fand, wurde Bormann bei den Nürnberger Prozessen in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Bauarbeiten am Lehrter Bahnhof in Berlin förderten erst 1972 seine Knochen tatsächlich zutage.

      Goebbels hielt noch mehr als einen Tag die Stellung, bevor er dem neuen Reichspräsidenten Dönitz von Hitlers Selbstmord berichtete. Am Abend vergiftete dann seine Frau Magda die gemeinsamen sechs Kinder und beging mit ihm zusammen Selbstmord. Auch sie wurden mit ihren Kindern im Garten verbrannt. Trotz noch andauernder Kämpfe verschiedener Truppenverbände kann man sagen, dass der Krieg ab diesem Zeitpunkt de facto vorbei war. Als die Russen den Bunker

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