Alpendohle. Swen Ennullat
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„Was heißt das genau?“ Torben schaute bei der Frage kurz von seinen Notizen auf und rieb sich die vom Mitschreiben schmerzende Hand.
„Die militärische Spionageeinheit Smersch – was übrigens vollständig ‚Smert’ špiona‘ also ‚Tod den Spionen‘ bedeutet – der 3. Stoßarmee unter Leitung von Oberstleutnant Ivan Klimenko hatte bereits am 2. Mai 1945 den Garten der alten Reichskanzlei betreten. Dort fanden sie zuerst die Überreste der Eheleute Goebbels, dann die Kinderleichen und den Körper des letzten Generalstabschefs der Wehrmacht, Hans Krebs, der sich kurz zuvor wegen der gescheiterten Kapitulationsverhandlungen ebenfalls das Leben genommen hatte. Die Identifizierung der Leichname erfolgte vor Ort durch gefangen genommene Zeugen. Hinkefuß Goebbels war ja auch, schon anatomisch betrachtet, leicht zu erkennen.
Das Ehepaar Hitler wurde am 5. Mai durch einen einfachen Soldaten gefunden, aber zunächst wieder begraben, da man den Leichnam des Führer-Doppelgängers, Gustav Weler, in der Nähe der neuen Reichskanzlei aufgefunden hatte und ihn zunächst für Hitler hielt. Weler wurde jedoch als solcher identifiziert und die Grabstelle Hitlers durch Zeugenaussagen bekannt, die übrigens zum Teil durch Folter erpresst wurden. Bei der erneuten Öffnung des Grabes am selben Tag wurden dann auch ein Medaillon, Bargeld und die beiden Hunde gefunden. Die Leichen des Führerehepaars wurden durch eine eigens eingesetzte Kommission obduziert und gerichtsmedizinische Expertisen erstellt, die ich im Rahmen meiner eigenen Forschungen selbstverständlich eingesehen habe. Mithilfe von Röntgenaufnahmen sowie Protokollen zu Zahnbehandlungen und Prothesen wurde Hitler zweifelsfrei identifiziert, nicht zuletzt dadurch, weil er nur einen Hoden hatte.“
Torben blickte erneut von seinem Notizbuch auf. „Einen Hoden?“
„Ja, einen Hoden“, wiederholte der Professor.
„Ich weiß schon, deshalb schreiben Menschen wie Sie Bücher, oder?“ Torben lachte. „Aber ich wollte Sie nicht schon wieder unterbrechen. Bitte sprechen Sie weiter.“
„Das ist schon in Ordnung. Stellen Sie Ihre Fragen am besten immer sofort!“, merkte der Professor an.
„Also, bei der Verlegung des Smersch-Stabes wenige Tage später wurden die Leichen des Ehepaars Hitler, der Familie Goebbels, des Krebs und der Hunde in mehreren Munitionskisten mitgenommen und auf dem Gelände der neuen Garnison in Finow vergraben. Diese Praxis setzte sich in gleicher Weise bei jeder weiteren Verlegung der Truppen so fort – Hitler wurde also mehrfach bestattet. Bei einer dieser Umbettungen ließ Stalin danach unter anderem Hitlers Kieferknochen nach Moskau bringen, um den Zahnstatus erneut zu untersuchen. Es besteht für mich kein Zweifel: Adolf Hitler ist tot!“
Er machte eine Pause, um diese Aussage auf Torben wirken zu lassen, ehe er fortsetzte: „Als sich die Truppe im Januar 1946 in Magdeburg an der Elbe, einhundertvierzig Kilometer östlich von Berlin, endgültig niederließ, fanden die Überreste der elf Verstorbenen zumindest für vierundzwanzig Jahre dort ihre letzte Ruhestätte. Sie wurden im Hinterhof der Westendstraße 36 in Magdeburg beigesetzt, wo die Smersch-Abteilung einquartiert wurde. Eine Adresse, die jeder Historiker und auch Neonazi in Deutschland kennt oder kennen sollte.
Als die Grundstücke der Garnison im Jahre 1970 der DDR wieder übergeben werden sollten, entschied der damalige KGB-Chef Juri Andropow mit Zustimmung von Breschnew, die Überreste der Leichen zu verbrennen, um eine Entdeckung der Gräber zu vermeiden. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion wurden die Körper, oder besser, was davon noch übrig war, Anfang April streng konspirativ exhumiert, auf einen Lkw verladen, auf einem Truppenübungsplatz verbrannt und die Reste danach westlich von Magdeburg von der sogenannten Schweinebrücke in die Ehle gestreut.“
Auf dem Gesicht des Professors zeichnete sich, während er weitersprach, ein sarkastisches Lächeln ab. „Adolf Hitler hatte immer von einer für seine Person angemessenen Ruhestätte geträumt. Sein Wunsch war es, in einem goldenen und mit Edelsteinen verzierten Sarg in einer anderthalb Kilometer langen und mehrere Hundert Meter hohen Gruft in Linz beerdigt zu werden. Letztendlich als eine Handvoll Asche von einer Schweinebrücke in einen Fluss geschüttet zu werden, kann wohl gegensätzlicher nicht sein.
Nur der Vollständigkeit halber – denn da bin ich meinem Berufsstand noch verpflichtet – muss ich erwähnen, dass die Russen bei der letzten Exhumierung vielleicht nicht sehr gründlich waren. Bei Schachtarbeiten für den Bau einer Garage auf dem Gelände der Westendstraße 36 oder besser Klausenerstraße, wie sie jetzt heißt, wurden zu einem späteren Zeitpunkt immer noch menschliche Knochen gefunden.“
Meinert stöhnte auf. „Puh, jetzt haben Sie ein ganzes Semester Geschichte des Nationalsozialismus in einem Crashkurs vermittelt bekommen! Falls Sie das gerade Gehörte auch nur so ungefähr wiedergeben können, würden Sie sogar die Prüfung bestehen!“
„Vielen Dank, George!“ Torben musste schon wieder lachen. Er genoss es, den Erzählungen von Professor Meinert zuzuhören. „Habe ich dann einen Bachelor- oder einen Master-Abschluss? – Aber im Ernst: Wenn ich Sie recht verstanden habe, passen die Schilderungen Reihers genau in den zeitlichen Ablauf der Ereignisse.“
„Also erstens: Zu einem Vordiplom könnte ich mich gerade noch durchringen, zu mehr aber nicht! Bei mir sind – im Gegensatz zu einigen meiner Kollegen – akademische Grade nicht so leicht zu erlangen! Und zweitens: Sie haben recht! Und nicht nur das, ich halte es für einen Laien – ohne Einsicht der historischen Dokumente, die ja fünfzig Jahre unter Verschluss waren – für nahezu unmöglich, die von mir geschilderten Ereignisse so detailliert in Erfahrung zu bringen“, bestätigte ein ebenfalls gut gelaunter Professor.
„Meiner Meinung nach war Reiher tatsächlich im Führerbunker und Bormann hat dafür gesorgt, dass es nicht bekannt wurde“, fuhr er fort. „Und da Reiher in diesem Punkt die Wahrheit gesagt hat, besteht auch kein Grund für uns, seine Aussagen anzuzweifeln, die seine damaligen Befehle oder das Treffen mit Ihrem Großvater betreffen. Außerdem bestätigt Ihre Mutter, dass sich beide kannten. Ein Kriminalist würde sagen, die Aussagen Reihers sind glaubhaft und werden durch andere Beweise gestützt, was uns jetzt zu Ihrem Großvater zurückbringt.
Wir können – da bin ich mir sicher – davon ausgehen, dass er wirklich direkt von Adolf Hitler einen Befehl erhielt. Die Widmung im Buch bestätigt das. Was könnte es aber gewesen sein? Hitler spricht von der ‚Zukunft des Großdeutschen Reiches‘, die in den ‚Händen‘ Ihres Großvaters liegt. Das ist selbstverständlich nur eine Metapher. Ich vermute, dass Ihr Großvater eine wichtige Nachricht, einen Befehl oder einen Gegenstand zustellen sollte. Letzte Befehle zum weiteren Kriegsverlauf konnten es eigentlich nicht sein, denn seine beiden Testamente verblieben im Bunker. Seine Nachfolge war geregelt. Seine Ehefrau, von der er Abschied hätte nehmen können, starb mit ihm. Was sollte also den Russen nicht in die Hände fallen? Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht!“ Professor Meinert schien unzufrieden mit sich. „Es gibt – das versichere ich Ihnen – weder in Dokumenten noch in Zeugenaussagen der Bunkerinsassen Hinweise auf einen letzten Geheimbefehl! Hunderte Historiker vor uns haben alle Unterlagen bis ins Kleinste gesichtet, ohne ein Anzeichen dafür zu finden!
Hitler schreibt in der Widmung weiter, dass er tief in der Schuld ihres Großvaters steht. Ich interpretiere das Eingeständnis so, dass er vermutlich um die Gefahr des Auftrags wusste. Ansonsten habe ich aber nicht die geringste Vorstellung, was damit gemeint sein kann! Wenn Sie mich fragen, haben wir nur eine Chance, wir müssen die Spur, auf die uns Reiher gestoßen hat, weiterverfolgen.“
Torben, der sich gerade erneut einen