Bangkok Rhapsody. Thomas Einsingbach

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Bangkok Rhapsody - Thomas Einsingbach

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wird vielen unserer Leser gefallen. Doktor, ich denke, das genügt. Sie hatten uns noch einen Rundgang durch Ihre Einrichtung versprochen.“

      „Selbstverständlich!“ Bertoli erhob sich. „Zuerst möchte ich Ihnen das historische Gebäude mit den Gemeinschaftsräumen zeigen, dann die jüngeren Anbauten mit den Gästezimmern, die sich an den Hof anschließen. Unseren chinesischen Pavillon am Kanal können wir heute leider nicht besichtigen. Wegen einer Ungezieferplage wird dort seit ein paar Tagen gründlich desinfiziert.“

      Rangrit beugte sich nach vorne, um das Tonbandgerät auszuschalten, dabei rutschten ihm seine gesammelten Unterlagen von den Knien und glitten zu Boden. Eine Pressemitteilung mit einem Foto kam zum Vorschein. Die Abbildung zeigte einen Kran, der einen Sportwagen aus einem Gewässer zog. Bertoli hob den alten Zeitungsausschnitt auf.

      „Gehört das auch zu Ihrer Reportage über das Baan Jai Dii?“, wollte er mit einem neugierigen Blick wissen.

      „Nein, nein. Das ist eine ganz andere Geschichte.“ Der Journalist entschuldigte sich mehrmals und klaubte seine Papiere zusammen. „Sie wissen doch, eine Zeitung muss auch immer eine gewisse Portion Sex und Crime bringen. Vor ein paar Monaten wurde im Industriehafen ein schwarzer Porsche entdeckt, ohne Nummernschilder und mit entfernter Fahrgestellnummer. Im Wagen fand man Teile einer weiblichen Leiche. Allem Anschein nach eine Ausländerin, von Aalen und Muränen zerfressen. Das Mysteriöse daran ist, dass kein Mensch die Frau und den teuren Sportwagen vermisst. Auch die Polizei hat keine Anhaltspunkte. Wir nehmen uns der Sache immer mal wieder an. Vielleicht hilft uns der Zufall“, erläuterte der junge Mann.

      „Dann drücke ich Ihnen die Daumen!“, gab Jürg Bertoli aufmunternd zurück und schritt durch die Empfangshalle des Altenheims. Rangrit bemerkte dabei, dass der Hausherr beim Gehen sein rechtes Bein nachzog. Aufgeregt stürmte eine junge Pflegerin auf den Direktor des Altenheims zu. „Khun Jürg! Khun Jürg! Surang ist schon wieder verschwunden. In dieser Woche ist das nun schon das dritte Mal.“

      „Entschuldigen Sie, meine Herren. Es handelt sich selbstverständlich nicht um einen Gast unserer Einrichtung. Es geht um ein gelegentlich verwirrtes Mitglied unseres Küchenpersonals“, erläuterte Bertoli den Journalisten, dann wandte er sich wieder seiner Angestellten zu. „Surang wird in Wittipongs Kneipe am Kanal sein. Ihr wisst doch, dass sie bei Vollmond nur Ruhe findet, wenn sie am Wasser sitzt und Karten legt. Holt sie ab und richtet dem Gauner aus, wenn er Surang noch einmal Alkohol gibt, bringe ich ihn um.“

      Bertoli zwinkerte den beiden Reportern zu. „Das sind unsere kleinen Alltagsprobleme. In der Regel nichts Dramatisches. Alles mit Geduld und Verständnis lösbar.“

      Kurz nachdem Jonathan gegangen war, verließ auch William sein Apartment und trat auf die Park Avenue hinaus. Der Frühnebel hatte sich verzogen und die Vormittagssonne stand halbhoch am wolkenlosen Himmel über Hoboken. Ein scharfer Ostwind pfiff William entgegen. Es roch bereits nach Winter, und er zog den Kragen seines Mantels enger. Mit zügigem Schritt erreichte er die nach Frank Sinatra, dem berühmtesten Sohn Hobokens, benannte Parkanlage am Hudson River und suchte sich ein sonniges Plätzchen im Windschatten einer stattlichen Roteiche, unweit der Uferlinie. Silberne Schaumkrönchen tanzten auf den bewegten Fluten und steife Windböen trugen den salzigen Atlantikgeruch aus der Lower Bay heran.

      William hatte sich während seiner Ausbildung an der FBI-Akademie leidenschaftlich für die Psychologievorlesungen interessiert. Damals war ihm bewusst geworden, dass ihm als kleiner Junge nur zwei Wege geblieben waren, um den Verlust seines Vaters wenigstens einigermaßen zu verwinden. Der erste Pfad versprach dem verunsicherten Billy seelischen Trost über eine lebenslange Wut auf den Mann, der ihn im Stich gelassen und einer unberechenbaren, alkoholsüchtigen Mutter ausgeliefert hatte. Die zweite Möglichkeit bot ihm die Aussöhnung in Form einer unwirklichen Überhöhung seines verschwundenen Vaters an: Vincent LaRouche als die ewig junge Lichtgestalt ohne Fehl und Tadel. Weil sich alle Welt offenbar auf die zweite Variante eingeschworen hatte, schloss sich auch der kleine Billy dieser Betrachtungsweise an. Sein Vater war von nun an Superagent Vincent LaRouche, der jede Frage beantworten, jedes Problem lösen konnte und der die Ideale Amerikas auch unter den widrigsten Umständen an den finstersten Ecken der Welt verteidigte. Je klarer William in späteren Jahren dieses Trugbild durchschaute, desto größer wurde die Sehnsucht nach einem authentischen Vater, einem Menschen aus Fleisch und Blut.

      Williams Blick strich über die Skyline von Manhattan, die scheinbar zum Greifen nahe vor ihm lag: das Empire State Building, ohne das New York nicht New York wäre, die verdichtete Hochhausarchitektur von Midtown und Lower Manhattan und schließlich das One World Trade Center im Financial District, die neue Ikone der Mutter aller Metropolen. Das verschraubt-eigenwillige, höchste Gebäude Amerikas, errichtet auf Ground Zero, war New Yorks Antwort auf die Tragödie des 11. Septembers 2001 – die dunkelste Stunde in der Geschichte der Vereinigten Staaten. Nur wenige Wochen nach diesem Ereignis hatte sich William für den FBI-Auslandsdienst verpflichtet.

      William hatte Jonathan schon eine Weile entdeckt und beobachtete nun, wie der Afroamerikaner den Kragen seines hellbraunen Kaschmirmantels aufschlug und an der Uferpromenade einen Schwarm wilder Stockenten fütterte. William zündete sich eine Lucky Strike an und blies den würzigen Tabakqualm in die kalte Spätherbstluft. Als Jonathan seinen Futtervorrat verteilt hatte, blickte er auf und steuerte langsam auf William zu.

      „Ein wunderschöner Tag, nicht wahr?“, begann Jonathan, als er neben William in der Mittagssonne Platz genommen hatte.

      „Wie lautet der Auftrag, für den ihr meine Hilfe braucht und für den du extra von Washington gekommen bist?“ William ließ die die kaum halb aufgerauchte Zigarette auf den Kiesboden fallen und trat die Glut aus.

      „Du willst nicht für das FBI arbeiten. Kein Problem, du arbeitest für mich. Keine einfache Sache, aber du bist der richtige Mann dafür.“

      „Mein Gott, Jonathan, ich bin seit drei Jahren aus dem Geschäft. Ich liefere Ehemänner ans Messer. Jämmerliche Gestalten, die ihre Frauen mit anderen Frauen betrügen, die wiederum auch ihre Männer hintergehen. Ich fange entlaufene Pudel und Kanarienvögel ein. Schau mich an, ich bin alt und dick geworden.“

      Jonathan spürte die Unruhe in William, der mit fahrigen Bewegungen eine weitere Zigarette aus der Packung fingerte. Doch das Nikotin, das er mit kurzen Zügen inhalierte, trug nicht zur Beruhigung bei. William wusste, wie nervös und verunsichert er auf Jonathan wirken musste.

      „Du wirst Amerika allerdings für eine gewisse Zeit verlassen müssen. Das wäre die Kröte, die du schlucken müsstest“, blieb Jonathan unbeirrt.

      „Vergiss es! Ich habe damals meinen Dienst beim FBI quittiert, weil ich das Krötenschlucken satthatte. Keine Kröten mehr. Niemals!“, unterbrach William und verschränkte die Arme vor der Brust.

      „Der Einsatz findet in Bangkok statt. Je schneller du fertig bist, desto schneller bist du wieder zu Hause.“

      „Thailand! Bangkok! Ausgerechnet! Sorry, das geht gar nicht.“

      „Du hast dich in den letzten Jahren sehr verändert. Ganz offensichtlich ist einiges in deinem Leben in Unordnung. Du hast mir nie erzählt, warum du das FBI verlassen hast. Schade. Ich wäre allerdings ein wenig beruhigter, wenn ich wüsste, dass du einen Menschen hast, dem du dein Herz ausschütten kannst.“

      William schwieg beharrlich und verfolgte mit seinem Blick einen Jogger, der seine Runden drehte und auch an ihrer Parkbank vorbeikeuchte. Er hatte das FBI vor drei Jahren verlassen, weil er gehofft hatte, mit diesem Schritt seine Seele retten zu können. Aber was war seither mit ihm geschehen? Warum hatte er noch immer keine Ruhe gefunden? Warum konnte er noch immer nicht

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