Dr. Daniel Staffel 9 – Arztroman. Marie Francoise

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Dr. Daniel Staffel 9 – Arztroman - Marie Francoise Dr. Daniel Staffel

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und flüchtete in Richtung Eingangshalle.

      Der Arzt sah ihr besorgt nach, doch er wußte, daß es keinen Sinn hätte, ihr zu folgen. Lena mußte selbst entscheiden, ob und wann sie sich ihm anvertraute.

      Mit einem Seufzer wandte sich Dr. Daniel der Intensivstation zu und trat ein. Hannelore war wach und sah ihm entgegen, wobei es dem Arzt schwerfiel, ihren Blick zu deuten.

      »Wie fühlen Sie sich, Frau Jung?« fragte er besorgt.

      »Wenn sie nicht an meinem Bett gesessen hätte, hätte ich mich besser gefühlt«, antwortete Hannelore prompt.

      Dr. Daniel schwieg dazu. Nach dem schweren Eingriff, den Hannelore hinter sich hatte, wollte er sie nicht zur Unzeit mit einer Diskussion aufregen, die vermutlich ohnehin zu nichts führen würde. Später, wenn sie sich von der Operation erholt hatte, würde sich bestimmt eine Gelegenheit ergeben, um mit ihr zu sprechen.

      »Haben Sie Schmerzen?« hakte Dr. Daniel nach.

      Hannelore nickte. »Mein Bauch tut schrecklich weh.«

      Spontan setzte sich Dr. Daniel zu ihr und griff nach ihrer Hand. »Die Bauchschmerzen kommen von dem gestrigen Eingriff und von den Kontraktionen der Gebärmutter, die sich jetzt wieder zurückbilden muß. In ein paar Tagen wird das vorbei sein.« Er schwieg einen Moment. »Ich weiß nicht recht, was ich Ihnen sagen soll, Frau Jung. Trostworte sind hier fehl am Platz. Für den Verlust, den Sie erlitten haben, gibt es keinen Trost, aber die Zeit wird es dennoch besser machen.«

      Skeptisch sah Hannelore ihn an. »Sie denken doch etwas völlig anderes über mich. Immerhin war ich trotz meiner Schwangerschaft nicht beim Arzt und…«

      »Ich finde ein solches Verhalten verantwortungslos«, stellte Dr. Daniel fest. »Aber deshalb kann ich noch lange nicht ausschließen, daß Sie sich auf Ihr Baby gefreut haben.« Er dachte einen Moment nach. »Vor einigen Jahren war bei mir einmal eine Patientin. Sie war damals ungefähr im achten Monat schwanger und ist auch nie zum Arzt gegangen, weil sie der Meinung war, es wäre nicht nötig. Als Argument brachte sie vor, ihre Großmutter hätte zehn Kinder zur Welt gebracht und wäre auch nie beim Arzt gewesen.«

      Aufmerksam sah Hannelore ihn an. »Und? Brachte sie ein gesundes Kind zur Welt?«

      »Ja, weil sie glücklicherweise im letzten Moment noch zu mir gekommen ist. Ihre Plazenta hatte sich vorzeitig gelöst, und wir mußten umgehend in die Klinik meines Freundes nach München fahren, denn damals gab es die WaldseeKlinik noch nicht. Ein schnellstens durchgeführter Kaiserschnitt hat sie und ihr Baby gerettet.«

      Hannelore biß sich auf die Unterlippe. »Seien Sie ehrlich, Herr Doktor. Wäre mein Kind noch am Leben, wenn ich zum Arzt gegangen wäre?«

      »Ich weiß es nicht«, räumte Dr. Daniel ein. »Für den sogenannten intrauterinen Fruchttod gibt es eine Vielzahl von Ursachen, darunter einige, die auch der beste Arzt nicht verhindern kann. Dazu kommt, daß Sie erst in der achtzehnten Schwangerschaftswoche waren, was bedeutet, daß Ihr Baby außerhalb des Mutterleibs auch dann nicht hätte überleben können, wenn wir noch rechtzeitig hätten eingreifen können, beispielsweise bei einer vorzeitigen Plazentalösung.« Sehr sanft drückte er Hannelores Hand. »Machen Sie sich wegen dieser nicht stattgefundenen Arztbesuche keine Gedanken mehr. Die Wahrscheinlichkeit, daß irgendein Arzt den Tod Ihres Babys hätte verhindern können, ist in meinen Augen sehr gering, wenn sie auch nicht völlig auszuschließen ist. Aber Sie machen sich verrückt, wenn Sie nur darüber nachdenken, was hätte sein können.«

      Hannelore schluckte, dann gestand sie leise: »Zum ersten Mal kann ich meine Stiefmutter verstehen. Sie sind wirklich ein toller Arzt.«

      Dr. Daniel lächelte. »Danke für das Kompliment.« Er zögerte, weil er zum jetzigen Zeitpunkt eigentlich kein Gespräch über Lena und ihr Verhältnis zu Hannelore beginnen wollte, doch die Bemerkung der jungen Frau verführte ja beinahe dazu, dieses Thema zu ergreifen. Dr. Daniel beschloß also, zumindest einen Ansatz zu versuchen und das Gespräch unverzüglich abzubrechen, falls sich bei Hannelore Erschöpfung oder Müdigkeit zeigen würden.

      »Ihre Stiefmutter arbeitet seit ungefähr zwanzig Jahren für mich«, begann Dr. Daniel, »abgesehen von einer fünfjährigen Pause, in der ich Steinhausen den Rücken gekehrt habe und nach München gegangen bin, aber das hatte rein private Gründe. Während dieser ganzen Zeit wußte ich nicht, daß es Sie und Ihre Stiefschwester überhaupt gab. Ich wußte nicht einmal etwas von Ihrem Vater.«

      »Noch vor ein paar Stunden hätte ich Ihnen das nicht geglaubt, doch jetzt… ich bin sicher, daß Sie die Wahrheit sagen, auch wenn ich nicht begreifen kann, weshalb meine Stiefmutter ein solches Geheimnis um ihre Familie gemacht hat.« Sie wich Dr. Daniels Blick aus. »Dabei könnte ich noch verstehen, daß sie meine Existenz verschwiegen hat. Aber Uschi… sie ist doch ihre leibliche Tochter.«

      »Ihre Stiefmutter wollte Beruf und Privatleben stets strikt trennen – das hat sie mir heute gesagt«, entgegnete Dr. Daniel, dann griff er nach Hannelores Hand und hielt sie fest. »Warum sind Sie so überzeugt davon, daß Ihre Stiefmutter Sie nicht mag? In all den Jahren habe ich Frau Kaufmann als eine sehr warmherzige Person kennengelernt.«

      »Das kann schon sein«, räumte Hannelore ein. »Ich streite auch gar nicht ab, daß sie mich anfangs vielleicht sogar gemocht hat, aber als Uschi geboren wurde… es ist doch ganz natürlich, daß sie ihre leibliche Tochter lieber mag als mich.«

      »Ich habe von meiner ersten Frau zwei leibliche Kinder«, erklärte Dr. Daniel. »Mein Sohn Stefan macht in München gerade seinen Facharzt, und meine Tochter Karina arbeitet als Assistenzärztin in der ThierschKlinik. Darüber hinaus haben meine zweite Frau und ich vor einem Jahr ein kleines Mädchen adoptiert – Tessa. Sie ist jetzt sechs und unser ganz besonderer Sonnenschein.«

      Hannelore nickte. »Ihr Sohn und Ihre Tochter sind erwachsen, die Kleine noch ein Kind. Da ist es ganz normal, daß Sie sie liebhaben. Aber was glauben Sie, was passieren würde, wenn Sie und Ihre jetzige Frau ein leibliches Kind bekommen würden?« Sie ließ Dr. Daniel gar nicht erst antworten, sondern fügte leise hinzu: »Tun Sie das Ihrer Tessa niemals an.«

      Übergangslos schlief Hannelore nach diesen Worten ein. Nachdenklich blieb Dr. Daniel an ihrem Bett sitzen und dachte ernsthaft darüber nach, wie er empfinden würde, wenn Manon von ihm ein Baby bekommen würde. Im Grunde war es Utopie, an so etwas überhaupt noch zu denken. Immerhin war er Anfang Fünfzig und Manon auch schon über vierzig. Trotzdem wäre es ja nicht unmöglich für sie, noch ein eigenes Kind zu haben. Vielleicht würden sie dann, ohne es zu wollen, Tessa tatsächlich ein wenig vernachlässigen?

      Dabei kam Dr. Daniel der Gedanke, daß im Fall von Hannelore und Lena beide Frauen in gewisser Weise recht hatten. Er war sicher, daß Lena ihrer Stieftochter niemals hatte wehtun wollen, und wenn sie Uschi ihrer Stieftochter vorgezogen hatte, dann war das sicher nicht absichtlich geschehen. Andererseits lag Hannelore mit ihren Empfindungen möglicherweise nicht ganz falsch, und Lena hatte sie im Vergleich mit Uschi wirklich ein wenig vernachlässigt.

      *

      Harald Jung hatte seine Drohung wahrgemacht und durchgesetzt, daß der tote Fetus von einem unabhängigen Arzt untersucht wurde. Allerdings gab das Ergebnis dieser Untersuchung Dr. Daniel und Dr. Scheibler in vollem Umfang recht. Bereits fünfzehn Tage vor dem Eingriff durch Dr. Daniel war der Fetus im Mutterleib abgestorben.

      Das rasche Handeln der Ärzte aus der WaldseeKlinik bewahrte die werdende Mutter vor dem sicheren Tod, führte der Arzt zum Ende seines Gutachtens noch aus.

      »Da hatten Sie aber Glück«, knurrte Harald Jung

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