Sophienlust Paket 3 – Familienroman. Patricia Vandenberg
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Читать онлайн книгу Sophienlust Paket 3 – Familienroman - Patricia Vandenberg страница 35
»Ich bin doch schon so oft von ihm gefilmt worden. Außerdem werden wir ja vielleicht bald wieder zurück sein.« Man sah dem Kleinen an der Nasenspitze an, dass ihm im Augenblick die Entscheidung nicht leicht wurde. Aber schließlich siegte seine Neugierde. »Ich komme auf alle Fälle mit!«, rief er und folgte seiner Mutter zum Auto.
*
Enno Cornelius und sein kleiner Sohn Pieter waren von der Heimleiterin in den Wintergarten geführt worden. Frau Rennert war das verstörte Wesen des Kindes nicht entgangen. Sie hoffte, dass der Papagei Habakuk und die Fischchen im Aquarium den Jungen ein wenig von seinem Kummer ablenken würden.
Nun stand Pieter staunend vor dem großen Käfig mit dem bunten Papagei. Er schien im Augenblick nichts weiter als ein kleiner Junge zu sein, der genauso fröhlich und begeistert sein konnte wie andere Kinder. »Du, Vati, die nette Dame hat doch gesagt, der Papagei könnte viele, viele Worte sprechen. Warum sagt er denn nichts?«
»Vielleicht solltest du ihn mal fragen?«
»Vati, aber ich habe seinen Namen vergessen.« Pieters blonde Brauen zogen sich zusammen. »Hast du dir den schweren Namen merken können?«
»Ja, Pieter.« Gerührt blickte Enno Cornelius auf den blonden Scheitel seines einzigen Kindes. »Der Papagei heißt Habakuk.«
»Das ist ein komischer Name, nicht wahr? Kann ein Mensch auch so heißen?« Ein grübelnder Ausdruck trat in die blauen Kinderaugen. »Ich kenne niemanden, der so heißt. Du?«
»Habukuk war einer der zwölf kleinen Propheten im Alten Testament. Frau Rennert hat uns das doch vorhin erzählt.«
»Ach ja, Vati. Aber ich war vorhin schrecklich aufgeregt und habe nicht alles verstanden. Nicht wahr, das Kinderheim Sophienlust ist gar nicht wie ein wirkliches Kinderheim? Es sieht doch wie ein richtiges Schloss aus. Findest du das nicht auch?«
»Ja, Pieter«, gab Enno Cornelius zu. Auf dem Weg von Essen nach Wildmoos hatte er noch Zweifel gehegt, ob er seinen Sohn in Sophienlust unterbringen sollte. Nun aber glaubte er fest, dass Pieter sich hier wohl fühlen und in dieser Atmosphäre auch sein scheues Wesen ablegen würde. Daheim, in der luxuriösen Villa, schien das unmöglich zu sein. Betty, seine Frau, hatte das Kind von Geburt an unterjocht und ihm dadurch die Möglichkeit genommen, sich innerlich frei zu entfalten. Wenn er, Enno, am Abend nach Hause gekommen war, hatte Pieter ihn niemals begrüßen dürfen, weil Betty es so wollte. Meist war er später zu dem Jungen hinaufgegangen, um ihm wenigstens gute Nacht zu sagen. Doch Pieter war dann oft so verschüchtert gewesen, dass er kaum ein Wort über die Lippen gebracht hatte.
Nach und nach hatte Enno den Reden des Personals auch entnommen, dass Betty das Kind oft grundlos anschrie oder sogar ohrfeigte, wenn sie ihre schlechte Laune abreagieren wollte. Mit Betty war darüber nicht zu sprechen. In seiner Ratlosigkeit hatte er seine Mitarbeiterin Julia van Arx ins Vertrauen gezogen. Sie gehörte zu den stillen Frauen, denen man unwillkürlich Dinge anvertraute, die man sonst ängstlich vor der Öffentlichkeit geheimhielt, und arbeitete seit einigen Monaten als Fremdsprachenkorrespondentin in seinem Werk. Von Anfang an hatte er sich glänzend mit ihr verstanden. Schon bei dem Gedanken an die junge Witwe wurde ihm jetzt ganz warm ums Herz. Deutlich sah er ihre großen dunkelblauen Augen vor sich, die in manchen Momenten violett schimmerten. Ihr warmherziges Lächeln verschönte ihr unregelmäßiges Gesicht so sehr, dass man es immer wieder anschauen musste. Auch hatte sie eine tadellose Figur. Ihre unauffällige Eleganz gefiel ihm sehr. Ja, sie verstand es, etwas aus ihrem Typ zu machen, was man von seiner Frau nicht behaupten konnte.
Ennos Gesicht verdüsterte sich jäh. Das Lächeln verschwand. Solche Vergleiche Julias mit Betty sollte er lieber bleiben lassen, sagte er sich. Denn Betty schnitt dabei nicht sehr gut ab.
Dabei war seine Frau früher einmal eine wirkliche Schönheit gewesen mit ihren hellen Haaren, den hellblauen Augen und der guten Figur. Nun aber war sie dick geworden und ihre einstmals klassischen Züge waren verschwommen. Ihre klangvolle Stimme hatte zudem einen schrillen Ton bekommen, der oft an seinen Nerven zerrte.
»Ich habe soeben mit Frau von Schoenecker gesprochen. Sie wird in wenigen Minuten hier sein«, unterbrach Frau Rennert die unerfreulichen Gedankengänge des Industriellen.
»Es tut mir sehr leid, dass ich Frau von Schoenecker in ihrer Sonntagsruhe stören muss, aber …«
»Das macht doch nichts«, fiel Frau Rennert ihm lächelnd ins Wort. »Na, kleiner Mann, gefällt dir der Papagei?«
»Ja, Tante, er ist sehr hübsch. Und so bunt. Aber er schaut mich nur an und sagt kein Wort.«
»Habakuk, was ist los?«, fragte Frau Rennert und trat an den Käfig. »Willst du denn unseren kleinen Pieter enttäuschen?« Sie wandte sich wieder dem Jungen zu. »Weißt du, er ist traurig, weil alle Kinder heute fort sind«, erklärte sie.
»Wo sind sie denn?«
»Fort! Fort! Nick, Nick! Sei doch brav, du Junge. Dummer Junge! Dummer Junge!«, krächzte Habakuk plötzlich los und schlug begeistert mit den Flügeln. »Banane her! Willst du wohl kommen!«
Pieter starrte benommen auf den Papagei. »Er kann tatsächlich sprechen«, flüsterte er ergriffen. »Wie ein Mensch. Oh, Vati, ist das nicht wunderbar?«
»Ja, Pieter, das finde ich auch.«
»Banane her! Komm schon, Junge!«
»Meint er mich?«, fragte Pieter kopfschüttelnd.
»Ich glaube schon.« Frau Rennert nahm eine Banane aus der breiten Schale auf dem Tisch und schälte sie ab. »So, nun gib Habakuk ein Stückchen davon.«
»Wird er mich auch nicht beißen?«
»Das glaube ich nicht, Pieter.«
»Vati, möchtest du nicht lieber …« Der kleine Junge schien dem Frieden nicht ganz zu trauen. »Vielleicht …«
»Pieter, sei kein Hasenfuß. Gib ihm schon das Stückchen Banane.«
»Ja, gib es ihm ruhig«, sagte da jemand hinter ihm.
Erstaunt drehte Pieter sich um. »Wohnst du auch hier?«, fragte er dann und sah Henrik unverwandt an.
»Ja, das heißt nur halb. Ich bin Henrik Alexander von Schoenecker und bin mit meiner Mutti aus Bachenau gekommen, um dich zu begrüßen.« Er streckte dem fremden Jungen seine nicht ganz saubere Hand entgegen.
»Und ich heiße Pieter Cornelius. Ich habe deinen Namen nicht ganz verstanden. Er ist so schrecklich lang.«
»Ich heiße erst einmal Henrik für dich. Der andere Name und der Familienname ist im Augenblick nicht wichtig. Und Sie sind gewiss Herr Cornelius?«, fragte Henrik höflich.
»Der bin ich, Henrik«, erwiderte Enno lachend und reichte dem Siebenjährigen seine Hand. Was für ein reizendes aufgeschlossenes Kind, dachte er dabei. Wie froh wäre ich, wenn mein Sohn ebenso wäre.
»Und da kommt Mutti!«, rief Henrik fröhlich.
Pieter hielt immer noch das Stückchen Banane in der linken Hand, als er Denise mit einem Diener begrüßte. Sie lächelte ihn liebevoll an. Der Kleine