Sophienlust Paket 3 – Familienroman. Patricia Vandenberg

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Sophienlust Paket 3 – Familienroman - Patricia Vandenberg Sophienlust Paket

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riss sie aus ihren Grübeleien.

      »Ich? Verzeihung«, murmelte sie und lächelte ihn verlegen an.

      »Ist schon gut, Julia. Ich habe Sie gefragt, ob Sie mich am Wochenende nach Sophienlust begleiten möchten. Pieter fragt immer wieder nach Ihnen.«

      »Gern«, erwiderte sie erregt. »Natürlich komme ich mit.«

      Dann erzählte Enno von seiner Frau. Still hörte Julia ihm zu. Obwohl sie diese Frau eigentlich hassen müsste, gelang ihr das doch nicht ganz. War Betty Cornelius ein vom Schicksal geschlagener Mensch? Ja, der Herrgott sorgte schon dafür, dass keine Bäume in den Himmel wuchsen, dachte Julia.

      Am Samstagmorgen holte Enno Julia ab. Um ausgeschlafen zu sein, hatte sie am Abend zwei Schlaftabletten genommen, die noch in ihr nachwirkten. Aber sie empfand diesen leicht schwebenden Zustand eher als angenehm. Die entsetzliche Spannung in ihr, die sie in den letzten Wochen gequält hatte, war einer ausgeglichenen, fast glücklichen Ruhe gewichen.

      Auch Enno hatte gewaltsam die Alltagssorgen und den Kummer um Betty abgestreift. Julias Nähe half ihm noch, sie nicht wieder in den Vordergrund treten zu lassen.

      Es war ein wunderschöner Spätsommertag, der schon einen Hauch des kommenden Herbstes in sich trug. Hie und da leuchtete ein gelbes Blatt zwischen dem Grün der Bäume und Sträucher. Ein lauer Wind strich über die Getreidefelder und Wiesen. Immer wieder begegneten ihnen Heuwagen.

      »Ich liebe diese Jahreszeit sehr« sagte Julia. »Bei uns daheim empfindet man sie doppelt schön.«

      Enno lächelte sie an. »Wohl jeder hält seine Heimatstadt, den Ort, an dem er aufgewachsen ist, für etwas Besonderes.«

      »Mag schon sein«, gab sie zu und sehnte sich nach Ennos Umarmung.

      Er fuhr langsamer, als spüre er ihre Sehnsucht. Dann ließ er den Wagen ausrollen. Mit einer scheuen Zärtlichkeit legte er den Arm um ihre Schultern. Überwältigt von ihren Gefühlen lehnte sie ihren Kopf gegen seine Schulter.

      »Julia, wir hätten uns früher begegnen müssen«, erklärte er leise.

      »Ja, Enno, das hätten wir«, stimmte sie ihm bei.

      »Aber wir haben uns nicht früher getroffen.« Mit einem resignierten Lächeln zog er seinen Arm zurück und fuhr weiter.

      Bis Sophienlust sprachen sie kaum noch miteinander, aber ihre Blicke trafen sich immer wieder. Und dann erreichten sie das kleine Paradies auf Erden. Sofort wurden sie in den Sog des Glücklichseins hineingezogen.

      Als Julia Pieter begrüßte, suchte sie mit einer schier gierigen Verzweiflung nach einer Ähnlichkeit mit Wim oder mit sich selbst.

      Und dann erkannte sie mit schmerzlicher Deutlichkeit, dass Pieter Wim glich. Nicht nur äußerlich, sondern auch in seinen Bewegungen, in der Art zu sprechen. Warum war ihr das früher nicht aufgefallen? fragte sie sich.

      Pieter war an diesem Wochenende unendlich glücklich. Als er für einen Augenblick mit Julia allein war, sagte er etwas, was Julia heiße Tränen in die Augen trieb. »Warum ist meine Mutti nicht so lieb wie Sie, Frau van Arx?«

      »Pieter …«

      »Darf ich Sie Tante nennen?« Er ließ sie nicht aussprechen.

      »Aber ja, Pieter. Sag nur Tante Julia zu mir.«

      »Darf ich auch du sagen?«

      »Aber ja, Pieter. Zu einer Tante muss man du sagen. Sonst ist es doch keine richtige Tante.«

      »Ich bin so froh darüber«, gestand der kleine Kerl ernst.

      Enno war glücklich, als er davon erfuhr. »Sie könnten leicht Pieters Mutter sein«, erklärte er unbefangen, ohne zu ahnen, was er damit anrichtete. »Pieter hat sogar ein wenig Ähnlichkeit mit Ihnen.«

      »Finden Sie?« Am liebsten wäre sie davongelaufen, weil sie kaum noch die Tränen zurückhalten konnte.

      »Ja, Julia, aber vielleicht finde ich das nur, weil ich Sie sehr gern habe. Viel zu gern.«

      Julia war froh über das Erscheinen der Kinder, die sie plötzlich umringten und sie baten, mit zu den Koppeln zu kommen. »Pieter kann nämlich schon reiten«, flüsterte Henrik Enno schnell zu. »Aber es soll eine Überraschung werden. Pieter ist schon dort.«

      Stolz saß der kleine Junge auf dem Pony Nicky, das schon sehr betagt war und viel von seinem früheren wilden Temperament eingebüßt hatte. Ge­mäch­lich trottete es mit seinem kleinen Reiter immer im Kreis herum. Pieters Wangen glühten vor Aufregung.

      »Toll, mein Junge!«, rief Enno ihm zu. »Später, wenn du wieder zu Hause bist, kaufe ich dir ein Pony.«

      »Wirklich, Vati?«, rief Pieter zurück. »Auch einen Hund? Einen Barri? Ja?«

      »Wollen mal sehen«, meinte der Vater lachend und wandte sich an Julia. »So ist es nun mal mit Kindern. Kaum reicht man ihnen den kleinen Finger, wollen sie schon die ganze Hand einstecken. Aber ich bin froh, dass Pieter so geworden ist. Früher war er ein scheues und ungesund stilles Kind. Sophienlust hat wahre Wunder an ihm vollbracht. Auch sieht er jetzt viel gesünder aus.«

      »Ja, Enno, das ist wahr. Ich kann mich noch entsinnen, wie blass er immer gewesen war, als er Sie im Werk besuchte.«

      Pieter und die anderen Kinder bedauerten sehr, dass der nette Herr Cornelius und die liebe Frau van Arx schon am Spätnachmittag wieder abfahren mussten. Pieter weinte ein bisschen. Doch die Kinder trösteten ihn sofort.

      Als Julia an diesem Abend Enno bat, doch noch auf einen kleinen Imbiss zu ihr zu kommen, sagte er mit Freuden zu.

      »Ich fühle mich in Ihrem Appartement viel glücklicher als in meinem großen leeren Haus«, stellte er fest und setzte sich. Dabei fiel sein Blick wieder auf die Fotografie von Julias Mann. Und nun wusste er auch, an wen er ihn erinnerte. An Pieter.

      Enno ließ seine Gedanken laut werden. »Aber das ist gar nicht so abwegig«, fügte er hinzu. »Ihr Mann war ein typischer Holländer, und Pieter geht ja ganz in die Familie meiner Frau. Auch mein Schwiegervater ist ein solcher Typ.«

      »Ja, das stimmt«, erwiderte Julia leise. »Die Typen in Holland ähneln sich sehr.«

      Von diesem Augenblick an fand sie keine Ruhe mehr. War es vielleicht nur das? fragte sie sich. Hatte sie sich in den Gedanken, dass Pieter ihr Sohn sei, so sehr hineingesteigert, dass sie nun fest davon überzeugt war? Deshalb musste sie unbedingt mit Betty Cornelius sprechen. Am nächsten Wochenende würde sie noch einmal zum Sanatorium fahren.

      Als sich Julia und Enno an diesem Abend trennten, wussten sie auch ohne Worte von ihrer gegenseitigen Liebe. Von einer Liebe, die niemals Wirklichkeit werden durfte.

      *

      Enno flog am Ende der Woche nach New York. Vorher hatte er noch Betty besucht. Es war ein quälendes Beisammensein gewesen, sodass sie beide froh über den Abschied gewesen waren. Anfangs hatte er vorgehabt, Julia mit in die Vereinigten Staaten zu nehmen. Aber dann hatte er sich anders entschieden. Seine Gefühle für sie und das Verlangen, sie ganz zu besitzen, waren so stark in ihm, dass er sicher war, sich nicht beherrschen zu können. Aber er wollte Betty nicht betrügen, obwohl seine Liebe für sie erloschen war.

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