Sophienlust Paket 3 – Familienroman. Patricia Vandenberg

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Sophienlust Paket 3 – Familienroman - Patricia Vandenberg Sophienlust Paket

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Welt umarmen.

      Dann ging sie ins Badezimmer und ließ heißes Wasser in die Wanne laufen. Sie konnte es kaum erwarten, wieder mit ihm beisammen zu sein. Enno und sie wollten gemeinsam Mittagessen. Vorher aber würde sie noch ein bis zwei Stunden im Werk sein und sich ganz so benehmen, als sei nichts vorgefallen.

      Ob sie dazu fähig war? fragte sie sich, als sie ihr schmales Gesicht im Spiegel über dem Waschbecken musterte. Sah ihr nicht jeder an, wie glücklich sie war? Glücklich wider alle Vernunft?

      »Ich liebe dich, Enno«, flüsterte sie mit einem kleinen Lachen und stieg in die Badewanne.

      Enno war es dagegen nicht gegönnt, seinen glücklichen Erinnerungen nachzuhängen. Er wurde rau aus seinen Träumen gerissen. Als er seine Privat­räume im Werk betrat, erwartete ihn seine Sekretärin mit hochroten Wangen. »Wir haben den ganzen Morgen versucht, Sie zu erreichen, Herr Cornelius«, sagte sie leise und wich seinem erstaunten Blick aus. »Sie möchten doch bitte sofort im Sanatorium anrufen.«

      »Ist etwas geschehen? Geht es meiner Frau nicht gut?«, fragte er erbleichend.

      »Nein, es geht ihr nicht gut. Sie …« Das Mädchen stockte. Sie brachte es nicht übers Herz, ihm die Hiobsbotschaft zu übermitteln.

      Als das Telefon schnarrte, begann sein Herz wie rasend zu schlagen. Er meldete sich. Fassungslos lauschte er dann. Mehrmals fuhr er sich über die Augen, so, als ob er ein hässliches Bild wegwischen wollte. Ja, er hatte das Gefühl zu träumen. Aber dann wurde ihm klar, dass es kein Albtraum war, sondern bittere Wirklichkeit.

      Betty war gegen Morgen, als er noch bei Julia gewesen war, an einer Tablettenvergiftung gestorben. Wie sie zu den vielen Tabletten gekommen war, konnten sich die Ärzte nicht erklären.

      Und er hatte Betty noch Geld gegeben. Mein Gott, vermutlich hatte sie sich damit das Gift verschafft. War er damit schuld an ihrem Tod? Aufstöhnend verbarg er das Gesicht in seinen Händen.

      Nein, und nochmals nein, sagte er sich dann. Betty hätte auf alle Fälle einen Weg gefunden, zu den Tabletten zu kommen. Sie hatte auch Teile ihres wertvollen Schmucks mit ins Sanatorium genommen, der sich leicht zu Geld machen ließ.

      Enno wusste nicht, wie lange er so dagesessen hatte, als Julia sein Zimmer betrat. Sie hatte inzwischen erfahren, was geschehen war. Auch sie machte sich nun die bittersten Vorwürfe. Sie hatte in Ennos Armen gelegen, während Betty Cornelius mit dem Tod gerungen hatte.

      »Julia, du?« Er sah sie schmerzerfüllt an. »Das habe ich nicht gewollt. Ob Betty Selbstmord begangen hat? Die Ärzte stehen vor einem Rätsel. Vielleicht hat sie auch nur aus ihrer Sucht heraus zu viele Tabletten genommen? Wahrscheinlich werden wir das niemals erfahren. Das Furchtbare ist, dass alles in mir tot ist, dass ich momentan nichts empfinde. Ich …«

      Julia strich ihm zart über das Haar. »Es tut mir so leid, Enno«, sagte sie.

      »Auch Pieter wird nicht um seine Mutter trauern«, erklärte er erschüttert. »Sie ist ihm immer fremd geblieben. Bettys Verhalten ihm gegenüber hat mich oft vor den Kopf gestoßen. Oft hätte man zweifeln können an ihrer Mutterschaft.«

      Julia zuckte zusammen. Mehr denn je war sie nach Bettys Tod zum Schweigen verurteilt. Als Enno ihre Hand ergriff und seine Wange an sie schmiegte, schluchzte sie leise auf.

      *

      Noch am gleichen Tag fuhr Enno in die Eifel, um alles für Bettys Überführung nach Essen zu veranlassen. Julia hatte in seinem Namen ein Telegramm an Bettys Eltern in Amsterdam aufgegeben. Dann war sie nach Sophienlust gefahren, um Pieter den Tod seiner Mutter beizubringen.

      Nun stand Julia vor ihrem Sohn. Jäh wurde ihr die tragische Situation bewusst, in der sie sich befand. Sie, als Pieters leibliche Mutter, musste ihm den Tod seiner Mutter mitteilen.

      Mit gesenktem Kopf hörte der Junge ihr zu. Dann hob er den Kopf und sah sie ernst an. »Ist es sehr schlimm, wenn ich nicht weinen kann, Tante Julia?«, fragte er bedrückt.

      »Ach, Pieter, viele können nicht so leicht weinen«, erwiderte sie und wusste sogleich, wie banal ihre Worte waren.

      »Ich bin aber nicht sehr traurig, Tante Julia. Trotzdem bin ich froh, dass ich nicht zum lieben Gott gebetet habe«, sagte er mehr zu sich selbst. »Sonst müsste ich …« Er sprach nicht weiter, sondern fasste nach ihrer Hand. »Nimmst du mich mit nach Hause?«

      Julia nickte. »Wenn du mitfahren möchtest, nehme ich dich mit.«

      So geschah es auch. Pieter saß still neben Julia, als sie die Autobahn entlangfuhren. Noch immer blieben seine Augen trocken.

      »Ich bin so froh, dass ich bei dir bin«, sagte er schließlich.

      »Ich bin auch froh, dass du bei mir bist, mein Liebling.« Julia fuhr langsamer und blickte in die hellen Kinderaugen. Und in diesem Augenblick wusste sie, welchen Weg sie einschlagen musste.

      Enno war dankbar, dass sie Pieter mitgebracht hatte. Als der Junge darauf bestand, an der Beerdigung seiner Mutter teilzunehmen, hatte er nichts dagegen einzuwenden.

      Pieter wich in den Tagen bis zu Bettys Beisetzung kaum von der Seite seines Vaters. Selbst als seine Großeltern aus Amsterdam eintrafen, hielt ihn nichts zu Hause, wenn sein Vater die Villa verließ.

      Julia hielt sich in diesen Tagen ganz im Hintergrund. Still erledigte sie ihre Arbeit. Sie übernahm alle wichtigen Anrufe und sagte auch einige Termine ab, um Enno zu entlasten.

      Als man Betty Cornelius zu Grabe trug, war der Himmel wolkenverhangen. Während der Pfarrer die Grabrede hielt, erlebte Enno noch einmal sein Leben mit Betty. Und sonderbarerweise schoben sich jetzt nur die schönen Tage mit ihr in den Vordergrund. Die bösen Stunden erloschen in seinem Gedächtnis. Und als sich Pieters Hand in die seine stahl, hielt er ein stilles Zwiegespräch mit der Toten und dankte ihr noch einmal für den Prachtjungen.

      »Ich habe Mutti doch liebgehabt«, flüsterte Pieter. Seine Lippen zuckten. Die ersten Tränen lösten sich nun von seinen blonden Wimpern.

      »Ich auch, mein Junge.« Enno drückte die warme Kinderhand zärtlich. »Wir werden sie immer in guter Erinnerung behalten.«

      »Ja, Vati, das wollen wir.«

      Enno kümmerte sich nun um seine Schwiegermutter, die laut schluchzte. Auch sein Schwiegervater wischte sich immer wieder mit dem Taschentuch über die Augen.

      Julia stand etwas abseits. So bemerkte sie als einzige den mageren Mann mit der von Sonne und Wind gegerbten Haut, der halb verborgen hinter dem Stamm einer Buche stand. Sein schmerzerstarrtes Gesicht gab ihr zu denken. Fast gewann sie den Eindruck, dass er Betty Cornelius geliebt hatte. Und dann erkannte sie ihn. Dr. Claus Aarhof, der Arzt, der ihr das Kind genommen und sie somit um das Schönste auf der Welt gebracht hatte: um das Mutterglück.

      Als sie sich wieder verstohlen umwandte, war der Arzt verschwunden.

      *

      Viele Wochen später fuhren Enno und Julia nach Sophienlust, um Pieter endgültig heimzuholen. Weihnachten stand vor der Tür. Pieters größter Wunsch war ein Hund und dass Heidi die Weihnachtszeit mit ihm zusammen in der großen Villa in Essen verbringen dürfe.

      Enno hatte sich entschlossen, seinem Liebling beide Wünsche zu erfüllen. Den jungen Bernhardiner hatte er schon gekauft. Aber noch war er zu klein, um seine

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